Freitag, 29. März 2013

Warum Karfreitag für uns von Bedeutung ist



Wenn Menschen anderer Kulturen oder Wesen eines anderen Sternes  unsere Gotteshäuser sehen, müssen sie sich fragen, was machen die da,  sie verehren einen Menschen am Kreuz, einen Menschen der tiefes Leiden durchmacht,  was ist das für ein Kult?

Im Judentum kennen wir die Gestalt des Hiobs, der mit seinem Gott hadert und andere Religionen haben sicher auch  Archetypen die den Menschen in seinem Schmerz darstellen, so ausgeprägt wie im Christentum kenne ich keine andere Kultur, die den leidenden Menschen zur Kultfigur erhebt.
Manche mögen denken, dass frühere Jahrhunderte so hart gewesen sein mögen, Menschen soviel Leid über andere  Menschen gebracht haben, dass der leidende Mensch in den Mittelpunkt der Verehrung gestellt wurde, als vor 2000 Jahren das Christentum entstand.  Ist uns diese Leidensfigur so fremd geworden, dass wir nichts mehr mit ihr anfangen können?
Christus als Archetyp des leidenden Menschen ist uns nicht fern.  Jeder, der Leid erfährt, macht ein ähnliches Erlebnis durch.  Auf der ganzen Welt  erleben wir Kriege,  viele ältere von uns haben noch selbst die Auswirkungen des Kriegs erfahren, Leid, Hunger, Tod.  Ein geliebter Mensch stirbt, - wir erleben die Trauer über den Verlust,  Wirtschaftskrisen vernichten Existenzen,  Naturkatastrophen brechen über den Menschen zusammen,  der Mensch geht durch unermessliches Leid.   Menschen tun einander die schrecklichsten Dinge an,  -  ich denke an die Menschen, die durch die  Tore der Vernichtungslager getrieben wurden,  und das alles fand in unserem Leben statt,  welches Leid nur in dieser kurzen Spanne.
Und dann dieses Bild des Menschen am Kreuz,  der Archetyp des leidenden Menschen,  und seine Worte, „Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“   Hat nicht Hiob diese Frage gestellt, haben sich  nicht Millionen von  Menschen  unserer Generation diese Frage gestellt,  - was habe ich getan, dass ich dieses Leid erfahren muss?  Hat mich denn mein Gott ganz verlassen?   Endet es  mit diesem Bild des Leides und Schmerzes ,  -  was kommt nach dem Schmerz, was passiert am Ende unseres Weges, am Ende der Leiden?   Haben Schmerzen einen  Sinn und  eine Bedeutung für unseren Weg?   Ist es so einfach wie es die Buddhisten sehen : „Kein Denken, Kein Leid.“  Oder hat das Leid einen tieferen Sinn?
Für mich ist Leid eine tief menschliche Eigenschaft,   Leid zu erfahren, zu ertragen und  mit Leid umzugehen  ist Teil unserer physischen Existenz.  - Wunderbar das Bild der Frauen, die neben dem am Kreuz leidenden Menschen stehen und voller Empathie Trost zu geben suchen, der nicht leidende Mensch nimmt teil am Leid.  Auf der Ebene der Herzen  wird das Leid geteilt. Wie viele Menschen vor uns, und wenn wir an die Wiedergeburt glauben,  wie viel Leid haben wir schon selber durchlitten?  Ich denke an die Folterlager der politischen  Systeme,  die Kammern der Inquisition, die Hexenprozesse,  aber auch die Kriege, und der Tod in den Familien. Wir sind mit der Fähigkeit zum Leiden ausgestattet, aber auch mit der Fähigkeit das Leiden zu überwinden,  am Leiden anderer mit unserer Empathie  teilzunehmen und  in der Überwindung des Leides  den Frieden in uns zu finden.
Das eigentliche Erlebnis, das Karfreitag so wichtig für mich macht, sind die letzten Worte, die Christus vor seinem Tod spricht. „Nicht mein Wille,  Dein Wille geschehe“   In diesem Augenblick hadert er nicht mehr mit seinem Schicksal,  mit seinem Gott, er ergibt sich in sein Schicksal, er nimmt seinen Weg an,  er geht durch das Tor des inneren Friedens  und  macht  auf diesem Weg Frieden  mit seinem Leben und Frieden mit Gott. Es ist der Moment, in dem sich der Blick von der physischen Existenz auf das innere Sein richtet,  nicht der gequälte Körper zählt mehr, hinter dem Körper scheint das auf, was unsere physische Existenz ermöglicht, scheint das auf, was wir nicht mehr in Worte fassen können, unser eigentliches Sein, unsere göttliche Existenz.  Erst wenn wir durch dieses Tor zu  unserem  inneren  Frieden  gehen,  tritt das ein, was wir bei Sterbenden sehen oder von Menschen berichtet wird die auf dem  Weg in die Vernichtung waren,   wir erleben den Frieden Gottes in uns ,  der höher ist als unsere Vernunft.   Wenn ich den Schmerzensmann  am Kreuz sehe, dann sehe ich nicht nur die geschundene Kreatur,  ich sehe das Kreuz  als  Tor zu dem was uns ausmacht,  als Weg zu uns selbst, zu  unserem eigentlichen Sein.   Diese Fähigkeit, unseren Weg anzunehmen und auch in dunklen Stunden das Licht sehen zu können ist jedem von uns gegeben,  auch in tiefster Verzweiflung und Trauer erfahren wir, dass Trost und Friede gleich neben Leid und Sterben  liegen.  Im Karfreitagserlebnis   wird das Kreuz zum  Symbol des inneren Wandels,  physische Existenz wird zu geistigem Sein.