Donnerstag, 28. September 2017

Tun und Sein


Wenn ich heute bei alten Freunden eingeladen bin, dann fällt mir auf, dass viele darüber sprechen, was sie früher getan haben, ihre Leistungen, ihr Leben.  Der Blick ist rückwärts gerichtet.  Auch wird über das Alter gesprochen über die  Einschränkungen, die mit dem Alter kommen. Es geht viel um das Tun, um das Bedauern, nicht mehr das tun zu können, was früher war und um die kleinen Leiden, die unser Tun im Alter einschränken.  Selten wird ein Gespräch tiefsinniger, wie es sich eigentlich für unser Alter verstehen würde. Selten einmal, dass die tieferen geistigen Dimensionen des Lebens berührt werden.

In der Jugend befinden wir uns in einer expansiven Phase, nicht nur unsere physische Existenz ist im Aufbau, sondern auch unser Tun. Wir bauen auf, schaffen unseren Platz im Leben, unsere Familie, unsere materielle Existenz.  Unser Leben wird durch das Tun geprägt. Selten, dass in dieser Phase unser Leben die Dimension der Tiefe erlebt. Nur Krisen, Krankheit und Tod berühren die Fundamente des Lebens, unseres Seins. Wir versuchen, solange es geht in der Dimension des Tuns zu leben und verdrängen die  andere Seite, die Tiefe des Lebens.

In früheren Kulturen wurde im Alter mehr die Ebene der Tiefe gepflegt. Der Blick auf die geistige Seite unseres Lebens gerichtet, auf das Leben selbst auf das Sein.  Deshalb wurde das Alter auch geehrt, weil auch die Jugend im Alter das erkennen konnte, was wir das Geheimnis des Lebens nennen. Erst im Alter finden wir die Ruhe auf die andere Seite des Lebens zu blicken,  auf das Sein, das allem Leben zugrunde liegt. Würde es nicht viel würdevoller sein, wenn wir nicht mehr krampfhaft versuchen so zu tun, als ob das Alter an uns vorbeigehen würde?  Würde  es uns Alten nicht besser zu Gesicht stehen,  auch ab und zu in unserem Tun innezuhalten, die Schönheit des Lebens um uns zu sehen, die Vollkommenheit des Lebens um uns und in uns wahrzunehmen?  Das können wir nur, wenn wir zur Ruhe kommen, es nicht mehr mit den Jungen aufnehmen wollen, kein hektisches Tun mehr unser Leben bestimmen lassen. Wenn  wir  wieder die Dimension der Tiefe in uns entdecken, die immer da war, aber bei uns in Vergessenheit geraten ist, dann öffnet sich ein neuer unendlich reicher Lebensbereich. Wenn wir im Alter lernen, mehr aus der geistigen Dimension unseres Lebens zu schöpfen, würde auch unsere Zivilisation uns nicht mehr ignorieren, auf das Altenteil abschieben, und uns als störend empfinden.

Nicht den Jungen nacheifern im hektischen Tun, nicht unserer vergangenen Jugend nachtrauern, sondern unser Leben anhalten, in die Dimension der Tiefe tauchen und die Jungen an unserer Weisheit teilhaben lassen,  die uns aus der Tiefe zufliesst.  Leben ist nicht nur Tun, Leben ist auch Sein,  im Sein erlebe ich die ganze Fülle und den ganzen Reichtum des Lebens.   

Sonntag, 24. September 2017

Vaterunser


Der Vater  im  Himmel, der Himmel mitten unter uns, in uns.  Schöpfer und Geschaffenes sind eins. Heilig ist  das Namenlose, das Alles. Da ist kein Vater und kein Sohn, keine Bilder, sondern nur das Grenzenlose, das Unsagbare, das Namenlose, das was mich und alles schafft, trägt, und  zurücknimmt.     Der Sohn als das Geschaffene,   jeder eins mit dem Schöpfer, jeder  durchdrungen vom anderen.   Die gesamte Schöpfung   ganz Himmel und ganz Erde.   Dein Reich komme, für jeden der noch nicht sehen kann, denn das Reich ist da, mitten unter uns. Der schöpferische Wille in allem, im Schaffenden und im Geschaffenen. Das Brot, von dem der Mensch nicht allein lebt. Die Schuld, nicht das wahrzunehmen was ist, unseren Blick nur auf die Erde zu richten und den Himmel nicht wahrzunehmen. Die Erlösung,  wenn wir den Blick auf  den Himmel richten. Dann werden wir eins mit der Macht und der  Kraft und der ganzen Herrlichkeit der Schöpfung um uns und in uns.

Wir bringen unser Denken zum Schweigen, keine Worte mehr die uns mit dieser Welt verbinden. Wir öffnen uns der Stille und dem Raum in uns. Da sind keine Worte, da sind keine Bilder, da ist Leere und unendlicher Raum. Und dieser   Raum und diese  Stille enthalten alle Worte und alle Bilder  und alle Töne und die gesamte Schöpfung .  Im Nichts das Alles wahrnehmen, uns selbst,  und die Welt, und das Leben, ohne Benennung, ohne Worte, ohne Bilder.  Den Raum und die Unendlichkeit als den Urgrund des Lebens, meines Seins,  des gesamten Universums.

Aus dieser Stille fliesst die Gewissheit, ich bin Teil des Geschaffenen, ich bin das Leben,  aus dem Alles entsteht und in das Alles zurückkehrt. Ich selbst bin es,  in dem sich das ganze Leben, das Universum und das Alles ausdrückt.  Ich bin ganz von dieser Welt und ganz von der anderen Welt, ganz Mensch, ganz Welt und ganz Himmel.

Freitag, 22. September 2017

Die Freude am Sein


Bei den Lavendel sind noch die letzten blauen Blüten zu sehen. Kaum zeigen sich die Sonnenstrahlen dieses kühlen Herbsttages, kommen die Bienen und besuchen noch diese letzten Zeichen des Sommers.  Die Sonnenstrahlen und die Bienen bringen ein tiefes Gefühl der inneren Verbundenheit mit der Schönheit der Natur in mich. Ich öffne mich der Sonne und den Bildern um mich, der Wind vom See rauscht in den Schilfblättern, was könnte es schöneres geben? Schönheit erfahre ich in der Stille, in der Weite, wenn ich   in mir Stille eintreten lasse, wenn mein Innen und mein Aussen eins werden. Wie ein Kind lasse ich die Schönheit der letzten Blüten, das Laub der Bäume und das Rauschen der Gräser in mich fliessen. Wie kann ich in Worte fassen, was sich den Worten entzieht?  In den kleinen Beobachtungen erfahre ich die Schönheit der Schöpfung, ohne Worte, ohne Gedanken,  tiefe Freude am blossen Sein.

Dienstag, 5. September 2017

Kulturhauptstadt


In Malta empfangen Dich gewaltige Festungsmauern. Die ganze Stadt scheint auf Belagerung und Verteidigung eingestellt zu sein. Durch Jahrhunderte wurde diese kleine Insel von den kriegerischen Mächten angegriffen und besetzt. Tausende von Menschen sind vor   und auf den Wällen gestorben. Dieses kleine Volk hat unendlichen Tod und  Schmerz erlebt.  Wer in diesen Mauern lebt kann sich eigentlich nicht geschützt, sondern nur gefangen vorkommen. Auch die Menschen auf Malta haben nicht deen mediterranen fröhlichen Charakter, sie wirken auf mich, als ob sie die Last der Vergangenheit auf sich geladen haben. Sie tragen in sich, den Schmerz von Jahrhunderten, der ewig Überfallenen und Angegriffenen.  Diese ungeheuren Festungswerke sind kaum ein Schutz, eher ein Gefängnis und die Menschen sind Gefangene ihrer Geschichte.  Wenn unsere Kultur nur aus Angriff und Verteidigung besteht, dann hat Malta sicher den Titel der Kulturhauptstadt verdient.