Dienstag, 28. Juli 2020

Inneres Wissen

Der Weg zum inneren Wissen ist losgelöst von den Dingen dieser Welt. Er ist losgelöst von dem Begriff der Zeit. Inneres Wissen gelingt nur in Zeiten der Musse, in Momenten der Zeitlosigkeit, wenn ich den Sonnengang aufhalte, den Wind des Meeres in mir selbst spüren kann, die Weite und Tiefe des Wassers auch in mir fühle, das Vergängliche und das sich ewig Wandelnde in Allem und in mir wahrnehmen kann. Inneres Wissen lässt die Schleier der Illusion fallen, die unsere Gedankenwelt hochgezogen hat und uns in der Vorstellung lässt, die Welt sei das, was unsere Sinne uns wahrnehmen lassen. Inneres Wissen macht uns frei von der Dimension Zeit, es macht uns frei von der Welt der Dinge, es macht uns frei von der Vergänglichkeit. Inneres Wissen macht uns eins mit dem Ewigen, mit der Dimension von Leere und Tiefe, es lässt uns teilnehmen am ewigen Schöpfungsprozess, der ewigen Veränderung. Inneres Wissen macht uns eins mit allem was ist und allem was nicht ist.

Samstag, 25. Juli 2020

Wissen und Weisheit

Wer sich heute mit Philosophie beschäftigt wird an den Hochschulen fast nur auf die Lehren vom Wissen über die Philosophie und die Theorien über Erkenntnis und Anwendung von Wissen erfahren. Wissen kommt immer nur von aussen auf uns zu. Hat Wissen Einfluss auf mein Leben? Richte ich mein Leben nach meinem Wissen aus? Gibt es nicht auch ein inneres Wissen, oder geht es da schon in Weisheit über? Auch inneres Wissen lässt sich formulieren , die alten griechischen Philosophen haben ganze Lebensschulen entwickelt, um inneres Wissen in Lebensform einfliessen zu lassen. Was nützen uns Menschen moderne Erkenntnistheorien, wenn wir daraus keine Anleitung für unser eigenes Leben gewinnen können oder wenn sie verwendet werden, um die grauenhaftesten Exzesse gegen das Menschsein zu begründen? Wenn ich mich nur mit meinem Wissen den Dingen der Welt widme, vernachlässige ich das, was für mein Leben wirklich wichtig ist. Wichtig ist das innere Wissen, das Wissen über das Leben, das Wissen vom Tod. Wenn die alten Stoiker unterscheiden zwischen dem was ich im Aussen nicht ändern kann und dem was ich in in meinem inneren Leben ändern kann, dann muss ich auch in Betracht ziehen, dass ich durch meine innere Veränderung das Aussen zumindest in meiner Wahrnehmung verändern kann. Nicht das Wissen ist hierfür entscheidend, sondern die Weisheit, die aus meiner Innensicht fliesst.

Donnerstag, 16. Juli 2020

Das Ziel verfehlen

Bei der Kunst des Bogenschiessens kommt es darauf an, geistig auf dem Ziel zu sein, bevor der Schütze mit dem Ausführen der notwendigen Handgriffe beginnt . Wer nicht mit seinem Geist auf dem Ziel ist, wird das Ziel verfehlen. Wenn der Philosoph die Menschheit betrachtet, dann ist in den seltensten Fällen ein auf das Ziel ausgerichtetes Leben zu beobachten. Meistens wird das Leben so gelebt, wie es sich gerade anbietet. Müsste man davon ausgehen, dass es das Ziel des Lebens zu verfehlen heisst, wenn wir nicht vor unseren Augen ein bestimmtes Ziel haben?
Ein Ziel zu haben bedeutet einen Gedankenprozess auf ein Ziel zu richten. Ohne den Gedanken und den Willen gibt es kein Ziel. Wenn der Schütze sich auf das Ziel konzentriert hat, kommt der Moment sich von den Gedanken frei zu machen. Erst wenn der Kopf ganz frei ist von Gedanken, werden der Schütze und sein Ziel eins. Dann gelingt der Schuss. So ist es wahrscheinlich mit allen Dingen die wir tun. Das Ziel wird von den Gedanken erfasst, die Ausführung wird aber nur dann gelingen, wenn der Handelnde und die Tat eins werden, wenn die Tat nur noch der Vollzug des Gedankens ist, frei von Bedenken, anderen Möglichkeiten, anderen Gedanken. Das gilt nicht nur für die grossen Entscheidungen des Lebens, die kleinsten Dinge des Altags gelingen am besten, wenn wir uns auf sie konzentrieren, das Rad der Gedanken im Kopf zum Stillstand bringen und uns im Tun von innen her leiten lassen, eins werden mit unserem Tun, eins werden mit dem Leben. Müssen wir ein Ziel für unser Leben haben oder sollten wir unser Leben dem Schicksal anvertrauen und das Leben so annehmen wie es kommt? Beides kann richtig sein, es gibt keine Regel. Das einzige was entscheidend für den Erfolg ist, sich auf das jeweilige Ziel zu konzentrieren und vor der Tat eins werden mit der Tat. Eins zu werden mit der Tat ist zu Bewusstsein zu gelangen, den Kopf leeren von den Gedanken, die der Vorbereitung des Handelns dienten, und das Leben spüren, das in allem Handeln liegt. Dann wird alles gelingen was wir tun. Gedanke und Handeln bedingen einander, ohne Gedanken kein Handeln. Gedankenloses Handeln führt selten zum Erfolg, Handeln nur mit Gedanken und Bedenken wird auch meistens erfolglos bleiben. Der Schütze verfehlt dann sein Ziel. Das Ziel erreichen wir, wenn wir zu Bewusstsein kommen. Zu Bewusstsein kommen wir, wenn wir unsere Gedanken loslassen können. Im kleinsten Handeln können wir zu Bewusstsein kommen, in dem Moment, in dem wir unsere Gedanken loslassen und unser Handeln zu einem Teil der ewigen Evolution wird, werden wir eins mit der Schöpfung. Wenn wir eins mit der Schöpfung sind , dann sind wir am Ziel des Lebens, das Leben wird dann eins mit uns.

Freitag, 10. Juli 2020

Kinder in meinem Garten

Bei der Beobachtung meiner Enkelkinder überlege ich, wie eine bestmögliche Erziehung sein sollte. Wegweiser könnte die Natur sein. Wenn ich einer Pflanze ihren freien Wuchs erlaube, wächst sie unkontrolliert nach allen Seiten und verwendet ihre Kraft rein für das Wachstum. Die Früchte, die sie tragen wird sind gering. Lenke ich aber das Wachstum und schneide unnötige Triebe zurück, werden die Kräfte der Pflanze gebündelt und Blüten und Früchte fallen viel reicher aus. Ist es nicht ganz ähnlich, wenn wir über die Erziehung unserer Kinder nachdenken? Lassen wir den Kräften der Natur freien Lauf, dann kann der Mensch sich nach allen Seiten entwickeln, aber er kann nicht seine höchste Blüte erreichen. Lenken wir seine Lebensenergie gezielt dorthin, wo er den grösstmöglichen Nutzen für seine Begabungen hat, werden auch die Früchte seines Lebens andere sein, als das der wildwachsenden Pflanze. Versäumen wir die notwendigen Schnitte schon in der Jugend, entstehen viele sinnlosen Triebe, die keine Früchte tragen werden. Ein guter Gärtner sorgt dafür, dass die junge Pflanze in den richtigen Boden kommt, er beobachtet ihren Wuchs und setzt seinen Schnitt dort an, wo Unnötiges entsteht. Dabei ist jede Pflanze anders, jede entwickelt ihren eigenen Charakter und jede bedarf einer besonderen Zuwendung.
Wir sind die Gärtner unserer Kinder. Wir beobachten sorgfältig ihr Wachstum und versuchen bestmöglich ihren besonderen Bedürfnissen gerecht zu werden. Wir müssen erkennen, wo ein lenkender Schnitt notwendig ist, wir vermeiden, dass ihre Lebensenergien in die falsche Richtung fliessen. Die Kunst der Erziehung liegt darin, zu erkennen, wo die Stärken und Schwächen unserer Kinder liegen, dort sorgfältig zurückzuschneiden, wo es notwendig ist und den Begabungen unsere volle Aufmerksamkeit schenken. Wenn wir die Pflanzen in unserem Garten vernachlässigen, weil andere Dinge unseres Lebens uns zu sehr beschäftigen, werden wir bald Wildwuchs beobachten und keine Freude an dem haben, was wir gepflanzt haben. Wie Montaigne in einem seiner Essays sagt, -es ist leicht ein Pflänzlein zu setzen aber schwer es gross zu ziehen. Das Grossziehen erfordert viel Liebe und Aufmerksamkeit.

Sonntag, 5. Juli 2020

Philosophieren und Tod

Cicero schreibt, Philosophieren heisst sich auf den Tod vorzubereiten. Zunächst ist Philosophieren ein angenehmer Zustand, Ordnung in die Welt der Gedanken zu bringen, vor allem aber das ewige Gedankenkarussell zum Stillstand zu bringen. Ich lasse bewusst den Gedanken an den Tod zu. Was ist der Tod - kann er mich schrecken? Wird er nicht ständig durch unser Tun verdrängt, den Aktivitäten des täglichen Lebens, durch Zerstreuung, Ablenkung? Wie Geburt gehört Tod zu den wesentlichen Elementen jeder Existenz. Er ist ein Bestandteil der Natur. Aber ist er auch ein Bestandteil des Lebens? Für die meisten Menschen hat der Tod etwas erschreckendes, weil sie nicht sehen, dass Leben viel weiter geht als Existenz. Jede Existenz ist nur möglich, weil es das Leben als tiefstes Element jeder Existenz gibt. Leben ist das fundamentale Sein in jeder Existenz. Die Existenz ist dem Wandel unterworfen, ist Wandel Tod wie wir es verstehen – oder ist Wandel Evolution, ständige Veränderung der Energie, die allem innewohnt? Die Physik lehrt uns, Energie könne nicht verloren gehen, sie kann aber ihren Zustand ändern. Ist es das was uns schreckt, der Wandel? Was aber ist, wenn mein Geist tiefer gehen kann als es uns die Physik erlaubt - wenn wir das Leben erahnen können, aus dem alle Existenz entspringt, wenn wir uns als Teil des Ewigen empfinden können, mit dem wir uns verbunden fühlen und dessen Wirken wir in allem erahnen? Kann uns der Tod dann noch wirklich schrecken oder halten wir es mit Goethe, der auf seinem Totenbett noch gesagt haben soll, - ich bin gespannt was jetzt kommt? Überall dort, wo ich ein Fragezeichen setze ist mein Geist nicht in der Lage eine Antwort zu geben. Aber der Tod lässt mich die Grenze meines Geistes überschreiten und das ist ein wunderbarer und keineswegs erschreckender Gedanke. Alle Religionen haben hinter ihren Allegorien den Gedanken der Rückkehr in die tiefere Dimension aus der alles Leben entspringt. Philosophieren heisst für mich die Bilder dieser Welt beiseite zu schieben und bis zu dem Vorhang zu gelangen, der mich von dem trennt, was mein Geist nicht mehr erfassen kann. Sterben heisst diesen Vorhang beiseite zu ziehen und zu dem zu gelangen, was ich auf dieser Welt nicht erfassen kann.