Sonntag, 27. November 2022

Krankheitssymptome

Die jungen Menschen haben recht, wenn sie auf den Zustand der Welt hinweisen. Die Welt ist krank, vergiftet, zugemüllt und mit ihr auch der Mensch. Sie weisen auf die Symptome  hin,  weniger auf die Ursachen. Umweltkongresse finden statt und, wie in der Medizin, werden nur die Symptome besprochen, und wie bei Kranken ist der Wille, die Ursachen zu behandeln, gering. Die eigentliche Krankheit liegt im Kopf des Menschen.  In der Vermüllung des Verstandes durch  den Lärm der Welt, durch Fernsehen, Reklame,  dem ständigen Wunsch nach Mehr in allen Bereichen ,wie Konsum, Geld, Beruf, Position, Ansehen,  in  der Vergiftung  der Köpfe durch staatliche Propaganda, Medien, Falschinformationen.  Das alles  hat den  Menschen zu einem Zombie gemacht, der blind und schon  halbtot durch die Welt taumelt. -  Jede Gesundung der Menschheit muss im Kopf ansetzen, an der Heilung einer gefährlichen Geisteskrankheit, die die Menschheit  wieder einmal an einen Abgrund geführt hat. - Als ich geboren wurde, stand die Menschheit an einem solchen Abgrund, die halbe Menschheit war an Ideologien erkrankt, die Folge, Millionen von Toten. Und wieder  ist eine neue Krankheiten ausgebrochen, die entwickelten Nationen, in ihrem Streben nach Mehr, beuten  die Welt aus, vergiften sie durch ihre Industrien und gehen an ihrer hemmungslosen Fresssucht und Gier allmählich zu Grunde. Menschliche Werte, wie Verantwortung, Nachdenken,  Miteinander, Hilfe,  werden gering geachtet und in die unfähigen Hände des Staates gelegt. Kant würde sagen, die Menschheit ist wieder in eine selbstverschuldeten Unmündigkeit abgestiegen. – Heilung gibt es nur, wenn der einzelne Mensch erwacht, wieder die Verantwortung für sein Leben übernimmt und dabei nicht den Blick für den anderen verliert. Wenn er alle Lärmquellen um sich abstellt, wieder Stille in sich eintreten lässt und in  ein bescheidenes, selbstbestimmtes Leben eintritt. Ich habe nach dem letzten Weltkrieg eine solche Phase der Selbstbesinnung erlebt, als die verhungerten und tief verletzten Menschen wieder neue Kraft gewannen.  Die Menschen in der Ukraine wissen von was ich spreche, wenn sie Kälte, Hunger und Krieg erleben und für die Werte des Lebens kämpfen. Wenn wir zur Selbstreduzierung gezwungen werden, wenn wir um unser täglich Brot bitten müssen, wenn der Strom fehlt und es um das nackte Überleben geht,  dann fangen wir an, uns zu erinnern, wer wir auch sind,  Wesen von der Natur erschaffen und verpflichtet diese Welt zu erhalten und mit ihr alle Mitmenschen, die Natur mit ihren Lebewesen, und vor allem die Grundlagen, die Leben überhaupt ermöglichen.  – Aber wir brauchen anscheinend immer wieder den Absturz in die Krise, um zu gesunden. Es muss noch viel schlimmer kommen, bevor wir aufwachen und wieder unser Schicksal in eigene Hände nehmen, wieder anfangen verantwortlich zu denken . Die Krankheitssymptome mehren sich, aber nur die jungen Menschen scheinen zu ahnen, was ihnen bevorsteht. Es reicht nicht mehr die Symptome zu behandeln,  wir müssen zu den  Ursachen vorstossen, zu unserem Verstand,  der Segen und Fluch sein kann, und im Augenblick in einem tief kranken Zustand ist.

Mittwoch, 23. November 2022

Zurück zur Natur

Zu allen Zeiten wurde der Weltuntergang prophezeit. Wir sollten besser vom Untergang der Menschheit sprechen. Wenn wir heute von Klimakrise reden, vom hemmungslosen Ausbeuten der Natur, des Landes, der Meere, so ist das ein Erwachen der Menschheit aus der Vorstellung, die Natur wäre nur da, dem Menschen zu dienen. Der Mensch ist nur Teil der Natur, der Schöpfung, des Planeten und unterliegt deren Gesetzen. Aus menschlicher Sicht scheinen diese Gesetze grausam zu sein: Alle Lebewesen dienen sich gegenseitig als Nahrung, die stärkere Pflanze verdrängt die schwächere Pflanze - ohne den Eingriff des Menschen, wäre die Welt heute weitgehend von Wäldern bedeckt, es gäbe keine Wiesen, keine Blumen mehr. Nur der Mensch erklärt die Zustände der Natur als gut oder schlecht. Die Natur kennt nicht diese Unterscheidung, eine höhere Intelligenz ist in der Natur am Wirken und entscheidet auch über das Schicksal der Spezies Mensch. Wenn die Ressourcen der Welt nicht mehr reichen, die Menschheit zu ernähren, dann wird nur der Mensch untergehen, nicht aber die Welt oder die Natur. Auch das ist weder gut noch schlecht.  Der Mensch übersieht, dass die ganze Natur ein lebender Organismus ist, ausgestattet mit einer eigenen Intelligenz, die den kleinen Verstand des Menschen bei Weitem übertrifft. Wenn diese höhere Intelligenz den Menschen als Fehlentwicklung begreift, dann beschliesst sie seinen Untergang.- Es scheint aber ein Wandel im   Verständnis des Menschen einzutreten, was Natur bedeutet. Teile der Menschheit begreifen sich wieder als Teil der Natur, nicht als Einzellebewesen, die nur am eigenen Überleben interessiert sind. -- Welche Auswirkungen  wird es haben, wenn grosse Teile der Welt unbewohnbar werden, weil das Klima sich verändert?  Wenn es nicht mehr genügend Nahrung gibt, um 8 Milliarden Menschen zu ernähren? Wenn sich Menschenströme in Bewegung setzen, um in noch bewohnbare Gebiete des Planeten zu gelangen? Was wenn Land und Wasser  nicht mehr genug Nahrung bieten, die Luft zum Atem weniger wird,  welche Folgen wird das haben?  Die Natur stört es nicht, wenn die Nahrungsgrundlagen einer Spezies zu Ende gehen. Die Welt wird für den Menschen unwirtlich, die Folgen können wir noch nicht absehen. Die Welt wird sich weiter wandeln, und  es wird Neues entstehen, so wie in den Millionen Jahren vor dem Entstehen der Menschheit. Die jungen Menschen sprechen von einer letzten Generation. Soweit sind wir noch nicht,- aber zu glauben, wir könnten mit Demonstrationen das Klima und  die Welt retten, scheint utopisch. - Wir könnten  damit beginnen,  in den Schulen den Blick für die Natur zu öffnen,  ein neues Bewusstsein zu entwickeln, wenn wir etwas für die Erhaltung der Spezies Mensch tun wollen,  - die Erkenntnis vermitteln, dass Natur nicht uns dient, sondern wir, als Teil der Natur, uns so verhalten müssen, dass die Lebensgrundlagen auch für künftige Generationen erhalten bleiben.

Sonntag, 20. November 2022

Nur ein Stein

Meine Enkel haben mir vom Strand einen runden Kieselstein mitgebracht.  Er ist rund und abgeschliffen. Was für ein wunderbares Geschenk, sage ich. Und ich meine auch, was ich sage. Schon seit Beginn der Schöpfungsgeschichte existiert dieser Stein. Vielleicht noch nicht in dieser Form, die er erst nach Millionen Jahren durch die Bewegung des Meeres erhalten hat.  Welche Kostbarkeit, die eigentlich in ein Museum gehört, aber dort werden nur Gegenstände verwahrt, die viel jüngeren Datums sind. Und schon hat mich der Stein in seinen Bann gezogen. Ich fühle das, was mich mit dem Stein verbindet.   Aber etwas in mir öffnet den Stein, dieses seit ewigen Zeiten so feste und sichere Werk der Natur.  Ich fühle die gleiche Substanz im Stein, wie in mir, die Ewigkeit, den Raum, der diesen Stein erfüllt, die Energie, die Atome, die in ihm ihr Werk tun.  Die anscheinend tote Materie fängt an zu leben, es ist das gleiche Leben, das mich erfüllt, nicht mit meinen Sinnen erfahrbar,  nur mit meinem inneren Gehör. Es ist die Stille, die aus dem Stein zu mir spricht, das Ewige, das mich und den Stein erfüllt, das gleiche Leben, das den Stein und mich geschaffen hat. Die Natur ist in Form eines Steines zu mir gekommen und erinnert mich daran, wer ich bin. Welch wunderbares Geschenk, dieser Stein, welche Verbundenheit in mir entstanden ist. 

Freitag, 18. November 2022

Dem Gefängnis entkommen

Sobald wir anfangen zu denken, fangen wir an zu lernen, Wissen anzuhäufen, Ideen zu entwickeln und plötzlich hat unser Verstand die Regierung über unser Leben übernommen. Ich kenne nur wenige Menschen, die der Herrschaft ihres Verstandes entkommen können. Der Verstand entwickelt  Theorien, Dogmen, Wissen, er will immer mehr und mehr. Eine innere Stimme sagt uns, ich bin das einzige Wichtige in Deinem Leben, ich bestimme Dein Leben, ich bin Dein Herrscher. Wir merken gar nicht, dass der Verstand uns in ein Gefängnis steckt, das uns die Sicht auf die Freiheit versperrt, auf die Freiheit, mit der wir zur Welt gekommen sind, auf die Freiheit des  Lebens, die wir nur erfahren, wenn wir uns aus den Fesseln des Verstandes befreien.  Wir brauchen nicht in den Osten zu pilgern, um wieder zu lernen, mit der Stille zu leben,  auch kein Yoga zu betreiben, um uns  vom Diktat des Verstandes zu befreien.  Es genügt, wenn wir uns neben uns stellen, uns beobachten und zu sehen, dass das Rad im Kopf  langsamer wird, ganz zum Stillstand kommt, und wie aus der Leere plötzlich  das Leben  sichtbar wird, das uns erfüllt und alles erfüllt das um uns ist. Und es ist das,  was wir wieder lernen müssen,   zu sehen, wie Alles mit Allem verbunden ist, das nichts so ist wie es erscheint, wir ein Teil eines  nicht mit menschlicher Intelligenz erfassbaren Ganzen sind, ein Teil  der göttlichen Energie, die alles erfüllt. Wenn wir innehalten, uns ganz auf uns selbst konzentrieren, oder auf das was wir gerade tun,  fallen alle Gedanken von uns ab,  der Verstand kommt zum Stillstand,   wir sind dem Gefängnis unserer Gedanken, den engen Mauern unserer Gedankenwelt entkommen.   Es tritt Stille ein und Weite, und wir öffnen uns dem Leben.

Sonntag, 13. November 2022

Ein Sonntagmorgen

Wenn wir älter werden, brauchen wir weniger Schlaf. Oft wache ich  früh auf. Es ist die Stunde der Meditation. Es ist still draussen und es ist still im Inneren.  Es ist die Stille, aus der Gedanken fliessen, die nicht vom Verstand entwickelt werden. Erst wenn sich ein Fenster öffnet kommt ein Gedanke, der es wert ist, weiter verfolgt zu werden. –  Wenn wir uns die Weisheitslehren ansehen, dann bestehen diese Lehren aus wenigen Gedanken und  doch werden dicke Bücher über das Wenige geschrieben. Nicht umsonst sind die Worte Leere und Lehre so ähnlich - Das gilt auch für alle Buchreligionen, sie bestehen aus nur wenigen ewigen Weisheiten, in wenigen Sätzen zusammenfassbar. Aber Weisheiten die nicht in immer neue Gleichnisse verpackt werden, sind für die meisten Menschen kaum verständlich, und so wird das Wenige in viele Worte verpackt. - Ich stelle mir manchmal vor, ich wäre ein Pfarrer und müsste meine Sonntagspredigt schreiben. Es stehen mir nur wenige Wahrheiten zur Verfügung. Jeden Sonntag müsste ich diese Wahrheiten in andere Worte kleiden. Und manche dieser Wahrheiten lassen sich kaum in Worte fassen. Wer kann schon über das Nichts und über die Stille schreiben?  Aber wenn die Worte aus der Stille fliessen, werden sie Welt, und  wenn die Welt aus dem Nichts entsteht,  erhält die Welt und die Worte für den Menschen einen Sinn. Wir vergessen nur oft woher die Welt und wir selbst und die Worte, die wir sprechen ihren Ursprung haben, woher sie kommen und wohin sie gehen. – Als ich heute morgen meine tibetische Meditationsübung machte, meine  Chakren in Bewegung zu setzen, fiel mir auf, dass ich immer bei der Erde, meinem Wurzelchakra beginne und dann aufsteige, bis ich im Kronenchakra im Himmel ende, - jeden Morgen, mit wenigen Drehungen meines Körpers das ganze Leben darstellen. Ein schöner Sonntagsbeginn und eine Predigt, die aus den Bewegungen meines Körpers um sich selbst besteht. Die Bewegung, ganz aus dieser Welt und der Geist mit dem Himmel verbunden. Welch tiefe Einsicht in das Geheimnis des Lebens.

Sonntag, 6. November 2022

Horchen und Hören

In der benediktinischen Ordensregel ist das Horchen eine der wichtigsten Vorschriften. Das Horchen ist die Vorstufe zum Hören, ich versuche etwas zu hören, was ich noch nicht hören kann. Gemeint ist nicht, das was die Welt unter hören versteht, es ist nicht die Musik, die ohne Unterlass aus den Ohrstöpseln dröhnt, die so viele Menschen heute tragen, nicht die Geräusche der Fernseher, die Tag und Nacht laufen. Es sind auch nicht die Gedanken im Kopf, die, ohne Laute, sich von früh bis spät in unserem Kopf bewegen. Dieses Hören, ist nicht gemeint. - Wir müssen nicht in ein Kloster eintreten, um das Horchen zu erlernen. Es reicht, wenn wir in die Natur gehen und  den Tönen der Natur lauschen, dem Rauschen des Windes in den Blättern, dem Zwitschern der Vögel, und wenn es gelingt, die Stimme in unserem Kopf zum Schweigen zu bringen, die, mit ihren unablässigen Gedankenströmen, das wirkliche Hören verstellt,  fangen  wir an, die leisen Töne zu hören. Wir müssen das Horchen wieder erlernen, erst die sanften feinen Töne der Natur und am Ende, das Horchen auf die Stille.-  Die Mönche in früheren Jahrhunderten haben die Litanei benutzt, die ewige Wiederholung von Worten und Gesängen, um die Welt der Gedanken zum Stillstand zu bringen. Ob das der richtige Weg war, wissen wir nicht – eins wissen wir, am Ende sollte die Stille stehen, die Stille in der Klosterzelle, in die sich der Mönch zurückzog, die Stille im Kopf, wenn die Töne verklungen waren. - Heute suchen wir die Stille in der Natur, in der Meditation, in Yogaübungen, in denen wir die Gedanken abschalten und uns auf unser Tun konzentrieren. Der Mensch scheint intuitiv zu wissen, dass die Stille zum Wertvollsten gehört, das wir besitzen. Und wir horchen, nicht um Töne zu hören, sondern um Stille zu hören. Wieder eine dieser paradoxen Wahrheiten, die unser Leben begleiten.  -Stille enthält  jeden Ton, jedes Wort, jede Weisheit, -  alles kommt aus der Stille, wird zu Energie und Leben und kehrt in die Stille zurück. - Die Buddhisten  verwenden die Klangschale, der Ton erklingt und kehrt in die Stille zurück. Ein wunderbares Symbol für das Leben, das aus dem Raum und der Stille entsteht, anschwillt und  vom ewigen Raum wieder zurückgenommen wird. Wenn wir lernen wollen zu hören, dann sollten wir uns vielleicht eine Klangschale besorgen. Sie zeigt uns im Klang,  wie  Leben entsteht und vergeht. Sie zeigt uns das Ziel des Horchens,  das Horchen auf die Stille - und wenn die Stille eintritt, dann hören wir die ewigen Wahrheiten  des Lebens: -   Es ist die Stille, aus  der Gott spricht und der ewige Raum aus dem Leben entsteht.

Ich schreibe dies in ersten Stunden des Tages, die Morgenröte kündet den Tag,  vor mir liegt das Meer und ich höre das sanfte Rauschen der Wellen. Ich kann mir keinen besseren Platz vorstellen, für meine morgendliche Meditation. Die Stille ist hier ganz nahe – ich kann sie hören.


Donnerstag, 3. November 2022

Ein Blick in die Vergangenheit

Wenn wir älter werden, richtet sich unser Blick häufiger in die Vergangenheit. Dabei ist es durchaus zweifelhaft, ob es  eine objektive Vergangenheit gibt. Es gibt den Blick auf die eigene Vergangenheit und es gibt den Blick des Umfeldes, auf meine Vergangenheit,  von  Kindern, Freunden und Bekannten. Jeder verfügt nur über Bruchstücke meiner Vergangenheit, die er in seinem Gedächtnis festgehalten hat – eine objektive Gesamtschau einer Vergangenheit wird es daher niemals geben, auch nicht der eigenen Vergangenheit. So erscheint die Vergangenheit  nur  als ein Gedankenkonstrukt, das mit den tatsächlichen Gegebenheiten zu einer vergangenen  Zeit wenig zu tun hat. - Auch über die Zukunft brauchen wir nicht zu sprechen, es ist nicht nur  der ältere Mensch der keine Zukunft mehr hat. Es hat noch nie eine Zukunft gegeben hat, es gab immer nur die Gegenwart, das Jetzt  und die Vergangenheit, die   vielleicht länger zurückzuliegen scheint, war auch  nur das Jetzt  in der damaligen Gegenwart, das  sich in jeder Sekunde nur durch ein neues Jetzt fortsetzte. So ist der  Blick in die Vergangenheit trügerisch und bringt uns kaum eine Erkenntnis, was Vergangenheit früher war. -  Natürlich gilt das gleiche auch für die Geschichtsschreibung, - selbst wenn wir die Summe aller Geschichtsschreibungen addieren, wird kaum etwas zustande kommen, was der damaligen Wirklichkeit entsprechen würde und nichts, was wir als Geschichte bezeichnen könnten. -  Natürlich glaube ich, über mich selbst etwas aussagen zu können. Aber kann ich da von Objektivität sprechen, vielleicht blickt mein Umfeld mit ganz anderen Augen auf mein Leben, und muss ich nicht auch das berücksichtigen, was die Anderen über mich denken, und wie sie mein Leben sehen? Könnte die Summe aus meiner Sichtweise und  der Sichtweise meiner Umgebung sich zu einem objektiven Bild meines Lebens zusammenfügen lassen? – Aber wie soll ein Anderer meine Motivation kennen, wie soll er deuten, warum ich mich so und nicht anderes verhalten habe? – Zweifel über Zweifel. - Die Geschichte meines Lebens scheint eher einem Märchen als der Wahrheit zu entsprechen. So scheint es allen reflektierenden Menschen zu allen Zeiten gegangen zu sein. - Wenn ich an den Sinnspruch des Orakels von Delphi denke: «Mensch erkenne Dich selbst!» dann scheint es mir um eine Aufforderung zu gehen, die der Mensch nicht erfüllen kann:  Er kann sich nicht erkennen oder als Paradoxon: Er erkennt, dass er sich nicht erkennen kann. -  Und so wie dieser Spruch über dem Eingang zur Wahrheit stand, so sah auch ein Orakelspruch aus, den ein Besucher erhielt:  Es wurde keine eindeutige Wahrheit verkündet -  Die Wahrheit lag in der Vieldeutigkeit des Orakels. – Natürlich ist die nächste Frage, die ich mir zu meiner Vergangenheit stelle, welches waren wichtige Momente in meinem Leben?  - Vielleicht der Moment, als sich mein Blick nicht mehr so sehr auf  die Welt ausserhalb von mir richtete, sondern in die Welt in mir?  Das wäre dann der Blick auf meine physische Existenz, auf die Welt der Energie, die Welt des ewigen Wandels, der Bereich in mir,  den meine Sinne erfassen können. - Aber dann auch der notwendige Schritt in die Wahrnehmung dessen,  was nicht von den Sinnen erfasst werden kann, die Stille in mir, der Raum in mir. Und dann die Erkenntnis, dass ich das Nichtexistierende in mir nur wahrnehmen kann, weil ich existiere, dass ich vielleicht nur geschaffen bin, weil das  ewige  Nichtwahrnehmbare durch mich wahrnehmbar wird – dass das Nichtexistierende, das was wir Gott  nennen  und der Mensch ineinander fliessen, das Eine ohne das Andere nicht sein kann. -  Wahrscheinlich ist der Moment dieser Erkenntnis der wichtigste in meinem Leben gewesen.  Vielleicht ist das der Moment der Erleuchtung, der Moment in dem wir die Bedeutung des Satzes verstehen  - Erlöse uns von dem Übel -  von der Vorstellung, wir wären nur Welt und nicht das grenzenlos Ewige, und die Vorstellung, es wäre da noch ein Gegenüber,  an den wir diese Bitte richten könnten. -  So ist wahrscheinlich der grösste Moment in meinem Leben,  als ich begriffen habe, dass Leben oder Gott in allem enthalten ist, was existiert, und dass  meine Existenz mit dem  Göttlichen Sein  identisch ist,  dass Welt und Gott in mir und in Allem um mich, eins sind, das eine ohne das andere nicht denkbar. – Ich sollte häufiger einen Blick in die Vergangenheit werfen, das Leben erhält dann eine ganz andere Dimension.