Mittwoch, 25. Januar 2012

Wer bin ich?

Wer bin ich, lautet ein Buch von Precht. Ohne es gelesen zu haben, ist dies eine Frage die viele denkende Menschen beschäftigt. Schon das Kind antwortet, mein Vater ist ein Anwalt, Arzt, Lehrer. Andere bezeichnen sich mit sozialtypischen Klassen, Hausfrau, Erwachsener,Vater, Mutter, Kind, reich, arm. In den früheren Kategorien Bürger, Bauer, Edelmann, oder in sozialkritischen Gruppen, der freischaffende Künstler, der Akademiker, der Arbeiter. Alle diese Funktionen haben ihre Berechtigung, wenn sie von uns nicht als Rolle angeeignet werden und wir nicht unserem Ego glauben, wir wären diese Rolle. In diesem Fall würden wir als Schauspieler auf der Bühne etwas aufführen, was wir nicht sind. Wir würden uns mit einer Illusion identifizieren, mit etwas von unserem Verstand erdachtem. Es ist das Verdienst der 68er dies Rollenspiel aufgedeckt und die Talare gelüftet zu haben. Das Rollenspiel wurde in Frage gestellt. Die neuen Hippies, die Blumenkinder entdeckten das Leben neu. Sie lehnten das Systems, das Leben der Politiker, des Krieges, der zugewiesenen Rollen ab. Das war ein guter Ansatz. Am Ende passierte aber wieder etwas sehr menschliches, der Hippie wurde zu einer neuen Rolle. Was war da schief gegangen? Der Verstand hatte die Führung übernommen und ein neues Ego geschaffen, den Hippie, der wiederum glaubte in seiner Rolle etwas besonderes zu sein. Dabei ist nichts gegen irgendeine der erwähnten Funktionen einzuwenden, sie alle sind nötig, damit das Leben der Menschen funktioniert. Das gilt, solange wir nicht glauben, wir wären die Rolle und dabei unser Menschsein vergessen. Wer aber sind wir dann wirklich? Einige Erleuchtete haben uns den Weg gewiesen: Ich bin (das Sein) der Weg, die Wahrheit und das Leben. Wenn ich den Schleier der Illusion fortziehe, bin ich nicht meine physische Existenz, nicht mein Beruf, nicht meine Funktion im Leben, ich bin das. was meine physische Form wahrnimmt, das was mein physisches Leben geschaffen hat, ich bin das ewige Sein hinter den Dingen, das ICH BIN. Mein Weg ist der des bewussten Seins, in jedem Moment meiner physischen Existenz bin ich mir dessen bewusst, was diese Existenz ausmacht, das hinter der Existenz aufscheinende Sein. Leben ist Sein, Leben wird nicht von Geburt und Tod bestimmt, es war immer und wird immer sein, unabhängig von meiner physischen Erscheinungsform. Wer bin ich? Ein Teil des allumfassenden ewigen Seins, das in jedem Moment in meiner physischen Existenz greifbar zum Ausdruck kommt und in allem um mich herum wahrgenommen werden kann. Dieses Sein ist nicht mit dem Verstand greifbar, weil das nicht vom Verstand begriffen werden kann, was den Verstand gemacht hat. Es gehört vielmehr zu unserem inneren Wissen, das wir als Beobachter unserer Selbst wahrnehmen.

Sonntag, 22. Januar 2012

Vom Weg des Menschen

Wenn wir in eine christliche Kirche treten, trifft unser Blick unweigerlich auf das Kreuz mit dem Schmerzensmann. Es scheint das grosse Symbol für unser Leben zu sein, gebunden an das Kreuz, tragen wir die Last des Kreuzes, wie der Volksmund sagt, durch unser Leben. Was aber heisst Kreuz, für was steht es? Es steht für das Gebundensein des Menschen an die Materie, an die Form, an unser Denken. In Christus am Kreuz erkennen wir den Archetyp Mensch, in allen seinen Beschränkungen, Eingrenzungen, verhaftet in die Welt des Denkens. Form können wir aber nur erkennen, weil uns gleichzeitig bewusst ist, dass es Nichtform gibt, das Kreuz können wir nur begreifen, weil uns bewusst ist, das hinter dem Kreuz - Materie - die Nichtmaterie steht. Den Prozess des Begreifens dieser Zusammenhänge nennen wir in unserer christlichen Tradition: Den Weg des Kreuzes. In höchster Not ruft der Menschensohn am Kreuz:"Warum hast Du mich verlassen?" - noch ist sein Denken und Leiden mit der Materie verbunden, noch leistet er Widerstand gegen das was ihm widerfährt, um im nächsten Moment den Widerstand aufzugeben, sich hinzugeben an das was auf der Ebene der Materie geschieht. Mit der Aufgabe des Widerstandes wird er durchlässig für seine andere Dimension, für das was ihn ausmacht, "Dein Wille geschehe!", er begreift seine andere Dimension, sein Sein, die Dimension, die jenseits des Denkens und des Widerstandes liegt, die wir auch als Gott bezeichnen. So ist das Kreuz als Symbol für unsere Gebundenheit an die Materie, auch gleichzeitig das Symbol für die Überwindung dieser Gebundenheit, und der Archetyp Mensch am Kreuz verwandelt sich in das Bild des sich lösenden Menschen von den physischen Fesseln seiner Existenz und den Grenzen seines Denkens. Erst durch diese Verwandlung treten wir in den Zustand ein, den wir als den "Frieden Gottes" bezeichnen, der höher ist als alle Vernunft, der jenseits des Denkens liegt. Auf unserem Weg durch das Leben können wir diesen Frieden in der Stille finden, in der wir unser Denken zum Stillstand bringen, durch Loslassen der Dinge, an die wir uns gebunden haben, durch Aufgabe des Widerstandes gegen das was ist, durch Hingabe an das Leben, das auch in Form von Leiden auf uns zutreten kann, durch Überwindung unserer Ego, das aus unserem Denken geboren wurde. Wenn wir den Weg des Kreuzes bewusst gehen, verwandelt er sich zu einem Weg in das eigentliche Leben, in das Leben jenseits unserer beschränkten Vernunft, in das Leben im Frieden des Seins.

Dienstag, 3. Januar 2012

Grenzen meines Seins

Von unserer Geburt an werden uns Grenzen gesetzt. Konventionen, die in Jahrtausenden entwickelt wurden, werden über das Elternhaus, die Schule, unsere Gesellschaft und unsere kulturelle Umwelt an uns weitergegeben. Wir werden eingezwängt in dieses Korsett menschlicher Erziehung. Dabei werden wir noch frei und unbelastet geboren, in den Augen des Säuglings spiegelt sich noch die ganze Schönheit und Freiheit des Universums wider, instinktiv lieben wir den Säugling, weil wir in ihm etwas wiedererkennen was wir einmal waren. Es sind kluge Bücher geschrieben worden über das Grenzen ziehen in der Erziehung, zum Schutz des heranwachsenden jungen Menschen, aber es gibt wenig Anleitung darüber wie es gelingen kann trotz der Grenzziehungen auf der physischen Ebene, die Grenzen des physischen Denkens zu durchstossen, um auf die Ebene des Seins zu gelangen,und um wieder die Grenzenlosigkeit unserer seelischen Existenz zu erfahren. Wir alle kennen die uralte Parabel vom verlorenen Sohn. Es ist die Geschichte des Menschen, der auszieht in die Welt der physischen Erfahrungen, der seinen Sinn ausrichtet auf das Haben und das Tun, und der dabei vergisst woher er kommt, und was seine eigentlichen Reichtümer sind. Der Weg des Menschen ist so eingerichtet, dass immer wieder die Momente kommen, in denen uns Gelegenheit gegeben wird, zu dem eigenlichen Reichtum unseres Seins zurückzufinden. In allen von uns ist die Sehnsucht vorhanden, wieder zu uns zurückzukehren. Viele Menschen versuchen an die Grenzen des Seins zu gelangen durch physische Wagnissse, Drogenkonsum, Sexismus etc. Sie erkennen dann aber ihre Irrwege und sind frustiert und hilflos. Es treten dann oft Helfer an ihre Seite, diese Helfer sind meist aus Sicht unserer materiellen Existenz unliebsame Erlebnisse, wie Krankheit, berufliche Rückschläge, Verluste und Tod. Blicken wir aber genauer hin, dann erkennen wir in allen diesen Vorkomnissen die andere Seite unserer dualen Existenz, in allem scheinbar Schlechtem, gibt es jene andere Seite, die uns helfen will, uns selbst zu finden. Wenn wir das duale Denken wieder in uns entdecken, dann erkennen wir selbst im Tod eines Angehörigen oder von uns selbst, im Schwinden der materiellen Formen und unserer physischen Existenz, das Aufleuchten dessen was uns wirklich ausmacht. Wir überschreiten dann die Grenze zu unserem eigentlichen Sein. Geburt und Tod sind nur die Begleiter unserer physischen Existenz. In allem aber können wir das Leben oder das Sein erkennen, das nicht dem Weg des irdischen Schicksals folgt, sondern immer war und immer sein wird und das wir erfahren können, wenn wir die Grenze unseres Denkens überschreiten lernen. Diese Grenze überschreiten zu lernen ist die eigentliche Aufgabe unseres Weges. In jedem Menschen ist der Weg zum Sein angelegt, aber nur Wenigen gelingt der Schritt über das Denken hinaus, oft ist es eine besondere Gnade, die wir erfahren wenn uns plötzlich die "Einsicht" in das Leben gelingt, in das Pfingsterlebnis.