Samstag, 25. August 2012

Ich bin meine Krankheit

Irgendwann auf unserem Lebensweg treffen wir auf eine Krankheit. Wir gehen zum Arzt und hoffen , er könne die Krankheit wegschaffen. Wir sagen, ich habe eine Krankheit, genauso wie wir sagen, Ich habe einen Körper. Da scheint nicht eine Person zu sein, sondern zwei, das Ich und der Körper. Auch die Krankheit scheint aus dem Blickwinkel des Ichs etwas zu sein das nicht zu mir gehört, es scheint etwas fremdes Drittes zu sein, das meinen Körper befallen hat und das der Arzt mit Pillen und wenn das nicht reicht, mit dem Skalpell zu entfernen hat. Ist das aber wirklich so einfach, die Krankheit von unserem Ich zu abstrahieren, zu einem fremden Dritten zu machen? Der grosse Irrtum unseres Denkens setzt dort ein, wo das Ich sich vom Körper getrennt sieht. Der Körper könnte nicht eine Sekunde ohne das Ich sein, die Funktionen jeder einzelnen Zelle und des Köpers als Gesamtheit werden vom Ich gesteuert. Nicht vom Ich, das unser Verstand uns als unsere Persönlichkeit vorgaukelt und das bestenfalls als ein falsches Ego zu bezeichnen ist, sondern von dem uns allumfassenden Sein von dem unser Ich ein Teil ist. Unser Körper und unser ich sind eins, weil der Körper nicht einen Moment ohne unser Ich , das in Wirklichkeit ein Synonym für das Leben ist, sein könnte. Alles was unserem Körper widerfährt ist auch auf der Ebene des Ichs zu sehen. Wenn ich und mein Körper eins sind, dann ist auch die Krankheit und Ich eins, oder anders gesagt, Ich bin meine Krankheit. Aber, so wird mir entgegnet, ich will doch nicht mein Krebs sein, oder mein Schlaganfall, oder mein körperliches Gebrechen. Das nicht wollen, oder die mentale Distanzierung von unserer Krankheit findet nur in unserem Verstand statt, so wie wir uns eine Trennung des Ichs von unserem Körper vorstellen und davon sprechen, dass wir einen Körper haben. Schon bevor eine Krankheit oder ein Gebrechen äusserlich sichtbar wird, könnte es auf der Ebene des Seins erkannt und vermieden werden. Wir begreifen das am besten bei anderen , die wir gut kennen. Kein Wunder, sagen wir, dass er den Krebs bekommen hat, so wie der gelebt hat. Also scheint beim anderen durchaus erkenbar wo wirklich die Krankheit ihre Ursaceh hat, nur bei uns selber versagt diese Einsicht. Unser Ego versperrt uns den Blick auf uns selbst, es wäre doch wirklich peinlich, sich zuzugeben , dass wir selbst unsere Krankheit sind und wir auch nicht mit Erfolg einen fremden Dritten beauftragen können, uns von unserer Krankheit zu heilen, wenn wir selber nicht den Heilungsprozess in uns vornehmen wollen. Der Arzt kann nur dann helfen, wenn ich selber, also mein Ich, beschliesst gesund zu werden und die Ursachen beseitigt, die zur Krankheit geführt haben. Beim Raucher, Trinker oder bei anderem Suchtverhalten ist es leicht nachzuvollziehen, wo der Ansatz der Heilung liegt. Schwieriger ist es beim Denker, der den Gehirnschlag erlitten hat, sollte der Weg der Heilung im Nichtdenken liegen, in der Meditation, in der Stille? Kann derjenige noch geheilt werden, der durch Unmässigkeit oder Bewegungsfaulheit die Funktion seiner Gelenke oder Glieder eingebüsst hat? Auch da scheint mir eine Gesundung möglich. Nicht, dass die Glieder wiederhergestellt werden können, obwohl auch das heute teilweise möglich ist, sondern das Ich entschliesst sich wieder in einen heilen Zustand zurückzukehren, das die Krankheit auslösende Verhalten zu unterlassen und sich selbst wieder als gesund zu empfinden. Selbst der Krüppel oder der durch ein unheilbares Leiden gezeichnet Mensch ist gesund, wenn er sich als gesund empfindet und seinen Zustand als lebenswert annimmt, und wenn ihm der Satz möglich ist: „Könnte das Leben schöner sein?“ Dann verliert die Krankheit und das Gebrechen ihren Schrecken und selbst im Konzentrationslager kann die Schönheit des Lebens gesehen werden, wie wir es eindrucksvoll im Film „Das Leben ist schön“ gesehen haben. Krankheit ist in erster Linie ein mentaler Zustand, Gesundheit aber auch.

Dienstag, 21. August 2012

Brauchen wir mehr Leidenschaft ?

Bei einer Trennung eines Paares bemerkte die Frau, es fehle in der Beziehung die Leidenschaft. – Sollte tatsächlich Leidenschaft eine Beziehung ausmachen? Wenn wir uns in das andere Geschlecht verlieben, dann sind die ersten Zeiten von starkem Verliebtsein geprägt. Dies Verliebtsein trägt oft Züge der Leidenschaft. In der Leidenschaft ist Liebe und Hass noch auf einer sehr menschlichen Ebene nebeneinander angesiedelt. Wird das Verliebtsein nicht erhört, dann kommt leicht die andere hässliche Seite der Leidenschaft zum Vorschein, der Hass. Wie das Wort schon sagt, schafft Leidenschaft Leiden. In den romanischen Sprachen ist das Wort Passion sowohl das Leiden als auch die übersteigerte Form der Liebe. Können wir uns wirklich eine Leidenschaft wünschen, die zu Leiden führt? - In einer Biographie über Helmut Schmidt las ich, dass er seine Frau Loki seit frühester Jugend kannte. Verliebt ineinander seien sie nie gewesen. Es wird nicht genauer ausgeführt, was dann die Grundlage einer siebzigjährigen Verbindung war. Ich denke, es war das Urvertrauen in den anderen Menschen, den man seit frühester Jugend kannte, mit allen seinen Facetten, und dieses tiefe Vertrauen ist sicher eine der schönsten Formen der Liebe, die man dem Anderen schenken kann. Liebe ist ein ständiges Geben von innersten Gefühlen und das Zurückerhalten von gleichgelagerter Zuneigung des Anderen. Leidenschaft ist Verlangen, Besitzen wollen, Herrschaft ausüben, ist ein Nehmen und nicht ein Geben. In allen von uns sind versteckte erotische Träume vorhanden, Leidenschaften ahnen wir in uns und leben sie meistens nicht aus, Sado-Maso Bücher erleben immer wieder in Wellen neues Interesse und scheinen auf diese Träume einzugehen. Können wir aber auch unser Leben in diesen Leidenschaften gestalten? Tauchen wir hinein in diese Welt unserer Träume so mag das eine Zeitlang ganz interessant und faszinierend sein. Unweigerlich aber werden wir an den Punkt kommen, wo die dunkle Seite der Leidenschaft aufscheint. Jegliche Form von Sucht erfüllt die Kriterien der Leidenschaft, Sexsucht, Trinken, Rauchen, Drogen – auf eine kurze Phase der Befriedigung erfolgt die Ernüchterung und dann der Absturz in das Leiden. Kann man Lust nur erfahren, wenn man auch bereit ist das Leiden, das Lust folgt hinzunehmen? Sollen wir es mit den Stoikern halten, und die Leidenschaften aus unserem Leben verbannen? Es gibt hierzu keine Regeln und keine wünschenswerten Ziele. Fast alle von uns werden in ihrem Leben Leidenschaft erfahren haben. Und das war auch gut so, einschliesslich der Erfahrung des Leidens, das der Leidenschaft folgt. Es gehört zum reichen Schatz unserer Lebenserfahrung auch Leidenschaft erfahren zu haben. Leidenschaft ist die Vorstufe zur Liebe, in der Leidenschaft erkennen wir noch die Polarität der Gefühle, Liebe aber ist die Aufhebung der Polarität und das Einswerden mit dem Anderen und mit Allem. Wer aber ist schon der Weise der den Zustand der Liebe erreicht? Bevor wir in Gleichgültigkeit nebeneinander herleben, dann doch lieber in der Polarität die Gegensätzlichkeit des Lebens erleben und versuchen nicht in den Abgründen der Leidenschaft unterzugehen. Wer seinen Leidenschaften lebt, bindet viel Lebensenergie. Es gibt auch einen anderen Weg unser Leben interessant und erfüllt zu machen. Die Griechen nannten dies Enthusiasmus. Ursprünglich war dies die Freude und Begeisterung die das göttliche in uns auslöst. Heute verstehen wir darunter die Freude und Begeisterung an Themen und Handlungen die uns in unserem Leben begleiten. Wenn wir unser Handeln durch Enthusiasmus bestimmen lassen, binden wir nicht unsere Energien an die Bewältigung der Polarität, sondern erhöhen unsere Bereitschaft und unsere Freude an unserem Handeln, wir verstärken unsere Lebensenergie und erreichen unsere Ziele mit mehr Leichtigkeit. Vielleicht sollten wir weniger unsere Leidenschaften pflegen und mehr dem Enthusiasmus huldigen.