Dienstag, 21. August 2012

Brauchen wir mehr Leidenschaft ?

Bei einer Trennung eines Paares bemerkte die Frau, es fehle in der Beziehung die Leidenschaft. – Sollte tatsächlich Leidenschaft eine Beziehung ausmachen? Wenn wir uns in das andere Geschlecht verlieben, dann sind die ersten Zeiten von starkem Verliebtsein geprägt. Dies Verliebtsein trägt oft Züge der Leidenschaft. In der Leidenschaft ist Liebe und Hass noch auf einer sehr menschlichen Ebene nebeneinander angesiedelt. Wird das Verliebtsein nicht erhört, dann kommt leicht die andere hässliche Seite der Leidenschaft zum Vorschein, der Hass. Wie das Wort schon sagt, schafft Leidenschaft Leiden. In den romanischen Sprachen ist das Wort Passion sowohl das Leiden als auch die übersteigerte Form der Liebe. Können wir uns wirklich eine Leidenschaft wünschen, die zu Leiden führt? - In einer Biographie über Helmut Schmidt las ich, dass er seine Frau Loki seit frühester Jugend kannte. Verliebt ineinander seien sie nie gewesen. Es wird nicht genauer ausgeführt, was dann die Grundlage einer siebzigjährigen Verbindung war. Ich denke, es war das Urvertrauen in den anderen Menschen, den man seit frühester Jugend kannte, mit allen seinen Facetten, und dieses tiefe Vertrauen ist sicher eine der schönsten Formen der Liebe, die man dem Anderen schenken kann. Liebe ist ein ständiges Geben von innersten Gefühlen und das Zurückerhalten von gleichgelagerter Zuneigung des Anderen. Leidenschaft ist Verlangen, Besitzen wollen, Herrschaft ausüben, ist ein Nehmen und nicht ein Geben. In allen von uns sind versteckte erotische Träume vorhanden, Leidenschaften ahnen wir in uns und leben sie meistens nicht aus, Sado-Maso Bücher erleben immer wieder in Wellen neues Interesse und scheinen auf diese Träume einzugehen. Können wir aber auch unser Leben in diesen Leidenschaften gestalten? Tauchen wir hinein in diese Welt unserer Träume so mag das eine Zeitlang ganz interessant und faszinierend sein. Unweigerlich aber werden wir an den Punkt kommen, wo die dunkle Seite der Leidenschaft aufscheint. Jegliche Form von Sucht erfüllt die Kriterien der Leidenschaft, Sexsucht, Trinken, Rauchen, Drogen – auf eine kurze Phase der Befriedigung erfolgt die Ernüchterung und dann der Absturz in das Leiden. Kann man Lust nur erfahren, wenn man auch bereit ist das Leiden, das Lust folgt hinzunehmen? Sollen wir es mit den Stoikern halten, und die Leidenschaften aus unserem Leben verbannen? Es gibt hierzu keine Regeln und keine wünschenswerten Ziele. Fast alle von uns werden in ihrem Leben Leidenschaft erfahren haben. Und das war auch gut so, einschliesslich der Erfahrung des Leidens, das der Leidenschaft folgt. Es gehört zum reichen Schatz unserer Lebenserfahrung auch Leidenschaft erfahren zu haben. Leidenschaft ist die Vorstufe zur Liebe, in der Leidenschaft erkennen wir noch die Polarität der Gefühle, Liebe aber ist die Aufhebung der Polarität und das Einswerden mit dem Anderen und mit Allem. Wer aber ist schon der Weise der den Zustand der Liebe erreicht? Bevor wir in Gleichgültigkeit nebeneinander herleben, dann doch lieber in der Polarität die Gegensätzlichkeit des Lebens erleben und versuchen nicht in den Abgründen der Leidenschaft unterzugehen. Wer seinen Leidenschaften lebt, bindet viel Lebensenergie. Es gibt auch einen anderen Weg unser Leben interessant und erfüllt zu machen. Die Griechen nannten dies Enthusiasmus. Ursprünglich war dies die Freude und Begeisterung die das göttliche in uns auslöst. Heute verstehen wir darunter die Freude und Begeisterung an Themen und Handlungen die uns in unserem Leben begleiten. Wenn wir unser Handeln durch Enthusiasmus bestimmen lassen, binden wir nicht unsere Energien an die Bewältigung der Polarität, sondern erhöhen unsere Bereitschaft und unsere Freude an unserem Handeln, wir verstärken unsere Lebensenergie und erreichen unsere Ziele mit mehr Leichtigkeit. Vielleicht sollten wir weniger unsere Leidenschaften pflegen und mehr dem Enthusiasmus huldigen.

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