Sonntag, 28. Mai 2023

Meine interessanten Reisen

Zu den schönsten Reisen gehörten für mich immer Reisen, die mit einem tiefen Naturerlebnis verbunden waren. Segelreisen durch die Ägäis, Reisen durch das Amazonasgebiet, durch Sibirien, durch Alaska, die iberischen Inseln. Oft habe ich dann, voller Begeisterung, auch eine berufliche Tätigkeit dort entwickelt, wohin es mich gerade zog. Erst später im Leben begriff ich, dass man nicht in ferne Länder streben muss , um die wirklichen Abenteuer des Lebens zu entdecken. Wir müssen nicht die Grenzen der Welt erreichen, um das  Leben zu entdecken. Wir müssen vielmehr die Grenzen der Welt überschreiten und die unentdeckten Weiten jenseits der Welt entdecken, um in die Bereiche vorzudringen, die wirklich interessante Reisen bieten,  die so nahe und doch so ferne sind. - Meine letzte Reise führte mich über Sao Paulo nach Montevideo. Auf dem Rückflug zwang mich ein Infarkt eine Klinik aufzusuchen. Dort begann eine Reise, die ein neues Erlebnis war, eine Reise zu meinem Herzen. Auf den Flüssen des Lebens begleitete ich eine Sonde, die fast bis zum Zentrum meines Lebens vordrang. Auf dem Weg traf sie auf ein Hindernis, dass den Zufluss zum Leben versperrte. Wie symbolhaft dachte ich, wie oft war ich vor solchen Hindernissen, und welche Dankbarkeit habe ich dem Leben immer gegenüber verspürt, das mir half,  diese Widerstände zu überwinden, und wieder zurückzufinden zum Leben,  wieder eins zu werden mit meinem Sein. - Als der Weg wieder frei wurde und die Ströme des Lebens mein Herz erreichten, nahm ich mir vor,  diese innere Reise häufiger vorzunehmen, nicht zu warten, bis ein Infarkt  mich zu dieser Reise zwingen würde.  Wie viel einfacher, wenn ich,  auf den Schwingen meines Atems oder auf den Strömen der inneren Flüsse meines Körpers, die Reise in mein Selbst antrete. - So trete ich auch diesen Morgen, in der Dämmerung des beginnenden Tages, die Reise in mich an, in die Weiten meines Energiekörpers, in die unendlichen Räume der Atome und Moleküle,  und spüre die Kraft in mir, die alles ordnet, belebt, zurücknimmt und neu schafft, und ich realisiere, dass ich Teil dieser Kraft bin, noch niemals von ihr getrennt war, wie mir mein kleiner Verstand oft weiszumachen versuchte. -  Die Reisen in die Tiefe meines Seins gehören zu den schönsten und interessantesten Reisen, die ich mache. Sie bringen mich zu Erlebnissen, die nicht einmal die Erforscher des Weltraums haben, die  in ihren Raumschiffen, ferne Gefilde anstreben.  Die gleichen Reisen mache ich in die Tiefe meines Seins,  erfahre die unendlichen Räume und die Stille,  und spüre die unvorstellbaren Möglichkeiten, die die sich in der Leere meiner inneren Räume verbergen, und auf ihre Entdeckung warten.  Welch wunderbare Erlebnisse habe ich auf meinen Reisen. Welche Geschenke des Lebens auf unserem Weg, wenn wir lernen sie zu sehen.


Samstag, 27. Mai 2023

Die Tyrannei der Zeit

Die Geschichte der Welt und des Kosmos  wurde nie in Zeit gemessen.  Erst mit dem Aufkommen des Menschen wurde eine Masseinheit für Zeit entwickelt. Anfangs wurden noch in Sommern oder Ernten gemessen, in Jahreszyklen oder Herrschaftsperioden. Vor der Geschichte des Planeten nimmt sich das wie eine Sekunde aus.  Zeit?  Was ist das?  Würden uns die Tiere und Pflanzen fragen. Und der Stein würde uns ratlos anblicken und könnte mit Zeit nichts anfangen. Nur dem Menschen blieb es vorbehalten, sich unter das Joch der Zeit zu zwängen. Alles wird in Zeitzyklen gemessen. Kindheit, Schule, Studium, Beruf. Fällt man aus dem vorgeschriebenen Zyklus, dann ist man im Leben gescheitert. - Da gefällt es mir schon besser das Leben in Kindheit, Ausbildung, Paarungszeit zu messen, das Berufsleben, das vielen so wichtig ist, kann man oft nur als verlorene Zeit sehen, es ist die Zeit einer aufgezwungenen Tyrannei unseres wirtschaftlichen Systems,  eigentlich eine Zeit von   Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft. Aber die falsche Einordung im Kopf  des Menschen, misst dieser Zeit eine Bedeutung zu, die sie meistens nicht hat.  Sie kann für die persönliche Entwicklung des Menschen von Bedeutung sein, aber spätestens bei unserer Pensionierung merken wir, ob wir die Zeit unseres Berufslebens auch wirklich als Berufung verstanden haben.  - Wenn wir die besten Jahre hinter uns haben, kommt das Alter. Gering geachtet von der Welt. Meistens beginnen die besten Jahre erst jetzt. Wir erkennen endlich, dass wir ein Opfer der Zeit waren, ausgebeutet vom System Zeit.  Wir können uns erst jetzt  auf uns selbst zurückbesinnen, uns daran erinnern, wer wir auch  sind, denn jetzt haben wir alle Zeit von der Welt. Das Alter ist nur dann die beste  Zeit in unserem Leben, wenn wir erkennen,  dass wir ein Opfer des Systems Zeit waren, wenn wir nicht zurückblicken auf die angeblich  so erfolgreichen Jahre, sondern  zu leben beginnen. Uns steht im Alter die  Zeit zur Verfügung,   zu begreifen, was Leben ist. Wenn wir noch bis vor kurzem in der Knechtschaft der Zeit standen,  können wir jetzt zum Leben erwachen.  -  Wenn wir aber den vergangenen Zeiten nachtrauern, dann haben wir nicht das Joch der Zeit abgeschüttelt. – Zum Leben erwachen heisst sich der inneren Zeit zuzuwenden,  uns aus den Fängen der täglichen Routinen zu befreien,   dorthin zu blicken, wo wir wirklich zu Hause sind , in unser eigentliches Sein. Unser Körper mag alt und unansehnlich geworden sein. Er bleibt aber ein Wunderwerk der  Schöpfung, er verdient es jeden Morgen von unserem Bewusstsein geflutet zu werden. Er dankt es uns auch in späten Jahren mit seiner Treue und trägt uns durch unsere Tage. Jetzt haben wir   auch die Zeit, unsere Gedanken zu disziplinieren und  Raum in unserem Kopf zu schaffen, die Schönheit der Natur und der gesamten Schöpfung in uns hereinzulassen. Wir haben uns aus der Tyrannei der Zeit befreit. Wir begreifen endlich was leben heisst.


Sonntag, 21. Mai 2023

Wenn das Schicksal an uns herantritt

Wie oft habe ich mich schon mit dem menschlichen Schicksal beschäftigt. Auf dem Weg aus der Klinik nach Hause, erhalte ich einen Anruf, der mich vom Tod eines russischen Freundes informiert. Wir haben uns mit 15 Jahren in England auf dem Internat kennen gelernt, und zuletzt vor 30 Jahren in Moskau gesehen. Er hat zur gleichen Zeit, wie ich selbst,  einen Herzinfarkt bekommen und  hat, wie ich,  den Infarkt wahrscheinlich längere Zeit ignoriert. Warum hat das Schicksal so unterschiedliche Wege genommen? Eine Frage, die ich mir oft gestellt habe, wie die vielen Beiträge zeigen, wenn ich das Wort Schicksal in die Maske meines Blogs eingebe. - Bei den griechischen Philosophen  spannen die Parzen unseren Lebensfaden, das Schicksal lag in den Händen fremder Mächte. - Andere Philosophen glauben an die Beeinflussung des Schicksals durch den Menschen. - Wie immer liegt die Wahrheit in der Mitte. Wir sind in unser Schicksal hineingeboren, das durch die Welt bestimmt wird, und wir beeinflussen unser Schicksal durch unser Tun. Teils können wir unser Schicksal nicht ändern, und teils gestalten wir unser Schicksal durch unser Handeln. Wir können unser Schicksal beeinflussen, nicht in dem wir uns an unser Leben klammern, das wir mit der Welt verbunden sehen, sondern indem wir uns dem Leben öffnen, über die Welt hinausblicken lernen, zu dem werden, der wir auch sind,  Teil der Ganzheit,  die alles erfüllt, Teil des Lebens.  Wenn wir uns in der Ganzheit befinden, dann macht es keinen Unterschied, ob wir uns noch in der Welt befinden, oder jenseits der Welt.  -  Das Schicksal verliert seinen Schrecken, wenn wir den Parzen  den Faden aus den Händen nehmen, wir machen uns zum Meister unseres eigenen Schicksals. Wir erkennen, dass Leben etwas Unvergängliches ist, nicht der Welt in ihrer Endlichkeit unterworfen, und doch ganz von dieser Welt. Leben ist kein Geschenk, das uns gegeben wird. Wir sind das Leben, Teil des Lebens, Leben das Form annimmt und Leben das seine Form ablegt, im ewigen Wandel. Schicksal, wo bleibt Dein Schrecken, wenn wir unsere Form ändern, - wir kehren nur dorthin zurück, woher wir gekommen sind.


Samstag, 20. Mai 2023

Eine Welt der Wunder

Als ein Wunder bezeichnen wir, wenn ein Ereignis nicht in die Denkmuster des menschlichen Verstandes passt.  Wir sind dann schnell dabei, Wunder zu vermuten, wo keine sind.  In den alten Religionen werden Vorkommnisse geschildert, die als Wunder bezeichnet werden, meistens aber nur Irrtümer des menschlichen Verstandes sind:  Kranke werden gesund, Tote werden auferweckt, alles keine Wunder, denn die Rede ist von der Krankheit des menschlichen Geistes, der plötzlich erkennt, wer er wirklich ist und beim Erwecken der Toten handelt es sich um das Erwachen des Menschen aus einem todesähnlichen Schlaf, in dem er sich befindet solange er sich vom Göttlichen getrennt sieht.   Es ist eher ein Wunder,  wenn der Mensch vergisst woher er kommt, und welche übergeordnete Intelligenz ihn erschaffen hat.  Es ist ein Wunder, wenn der Mensch glaubt, glauben zu müssen, um seine wahre Natur im Göttlichen zu erkennen. Ein Wunder ist die Wahrnehmung des Menschen von sich selbst,  die  nur eine Täuschung seiner Sinne ist. Es ist ein Wunder, dass der Mensch glaubt, sein Verstand wäre das Mass aller Dinge, wobei jedes Ding schon in sich ein Wunder ist, geschaffen von einer Intelligenz, die jenseits unseres Verstandes liegt.  Ein Wunder ist es, dass der Mensch glaubt sterben zu müssen, obwohl er weiss, dass seine Energie, aus der er besteht, nicht verloren gehen kann, und erst recht nicht der leere Raum vergänglich ist, in dem sich seine Energie bewegt. Und  es ist  ein Wunder, dass der Mensch glaubt, die Intelligenz, die alles schafft und bewegt, könnte mit seinem physischen Ende verloren gehen. Es ist ein Wunder, dass der Mensch versucht, das Nichtfassbare fassbar zu machen, und die ihm innewohnende Intelligenz, die ihn erfüllt und ihn geschaffen hat, nicht wahrnehmen will. – Die Wunder, an die Menschen glauben, sind keine Wunder.  Aber die uns innewohnende Intelligenz wundert sich über den Menschen, der so wenig von ihrer Schöpfung  begreifen will, von der Schönheit und Ganzheit, in die er hineingeboren und deren Teil er ist.  Obwohl der Mensch es besser wissen könnte, zieht er es vor, sich eine Scheinwelt zu schaffen, an Dinge zu glauben, die nur eine Ausgeburt seines kleinen Gehirns sind, und  die tiefe Wahrheit und Intelligenz, die  Allem innewohnt zu ignorieren.  Das ist das grösste Wunder dieser Welt, dass sie Wesen geschaffen hat,  die Wunder sehen, wo keine sind und dabei die Wunder des Universums übersehen.


Donnerstag, 18. Mai 2023

Die Verwandlung

Heute an Himmelfahrt hat man mich aus dem Krankenhaus entlassen, ein Anlass, die besondere mythische Bedeutung dieses Tages zu feiern.  Eben noch gebunden an die ständigen Schmerzen, die Krankheit und die Erdgebundenheit, den Tod vor Augen, und dann die Verwandlung,  Schmerz und Tod werden durchbrochen, in die dunkle Kammer, in der ständig der Hammer der Zeit die Stunde kündete, wird das Licht des Lebens hineingelassen. Es ist die mythische Verwandlung von Endlichem zu Unendlichkeit. Die grossen Alchemisten der heutigen Zeit scheinen die Ärzte zu sein, sie vertreiben vorübergehend unsere Endlichkeit und verwandeln uns wieder in Wesen,  die die Schönheit der Welt in sich hineinlassen können, obwohl es noch vor kurzem so aussah, als ob die Zeit der Welt ihrem Ende zuginge. Natürlich ist uns klar, dass die Himmelfahrt weniger die physische Heilung ist, sondern die Verwandlung der Erdgebundenheit, in eine Lösung von der Welt,  einer -mythische Himmelfahrt.- So war für mich diese Himmelfahrt ein  ganz besonderes Fest der mythischen Verwandlung, die Erinnerung an den Himmel, der mir auf meiner Erdenfahrt so oft verloren ging.  Diesmal habe ich den Himmel in meinem Herzen entdeckt. Wenn es einen Sitz des Himmels in uns gibt, dann ist es das Herz, unsere Kraftquelle, unserer treuester Begleiter durch die Welt. Wenn das Herz aufhört zu schlagen, dann wird der Himmel  aus unserem Herzen  freigelassen. Wir kehren in unser Vaterhaus zurück. Wenn ich den Himmel auf Erden finden will, dann brauche ich nur in mein Herz  zu schauen, dort ist mein Zuhause, dort ist mein Himmel. Nicht im Feuerwagen des Elias fahren wir zum Himmel. Es sind vielmehr die Ströme des Lebens, die uns zum Herzen führen. Unsere Himmelfahrt hat schon begonnen, wenn wir mit beiden Füssen noch auf der Erde stehen. Himmelfahrt findet  statt, wenn wir den Himmel mitten unter uns wahrnehmen können, immer dann wenn wir uns in unserem Herzen befinden und Himmel und Erde sich vereinen.

Mittwoch, 17. Mai 2023

Hingabe an das Leben

Das Leben in uns weiss immer besser was für uns gut ist, besser als es unserer Verstand je wissen könnte. Ich habe immer versucht, mich dem Leben hinzugeben, dem Leben keinen Widerstand entgegen zu setzen. So haben Krankheit und Tod noch nie einen Schrecken für mich gehabt, ich habe sie nur als Teil des Lebens gesehen, als Momentaufnahme. Wir werden ganzheitlich geboren, und in welcher Form sich das Leben und das Schicksal sich auch immer in uns äussern, es ist immer so, wie wir es gerade für diesen Moment des Lebens brauchen. Auch Störungen in unserem Lebensfluss sind noch nie für mich Anlass gewesen, die Weisheit des Lebens in Frage zu stellen. Ich habe mir immer versucht,  auf meine innere Stimme zu hören, das Leben so anzunehmen wie es auf mich zukommt und  dem keinen Widerstand zu leisten, was das Leben für mich beschlossen hat. So habe ich gerade wieder die Stimme des Lebens gehört und ich habe genau zugehört. Das Leben hat durch mein Herz zu mir gesprochen. Schon immer war das Herz für mich eines der grossen Wunder des Lebens, der Träger meines menschlichen Seins. Und ich weiss, dass eines Tages  das Herz aufhören wird zu schlagen und das was unsere Welt bedeutet, wird nicht mehr Welt sein.  Wer sich mit aller Kraft an die Welt klammert, der hat nicht verstanden, was Leben ist. Er leistet dem Leben Widerstand, das ganz anderes mit uns vorhat, als uns an die Welt zu ketten. Das Leben weiss immer besser, was uns gut tut. Aber manchmal bringt es sich in Erinnerung und spricht mit uns. Und  wir sollten genau zuhören, wenn es uns etwas zu sagen hat. Vielleicht will es uns auf unser Alter hinweisen und sagen:  Habe ich es nicht immer gut mit Dir gemeint, und  habe ich Dir nicht alles gegeben, was Du Dir je erträumen konntest?  Du hast nicht mehr alle Zeit der Welt, aber sei getrost, ich werde Dich nie verlassen, auch wenn Du die Grenzen der Welt hinter Dir lässt. - Und ich fühle voller Dankbarkeit, wie das Herz, dieser wunderbare Teil von mir, unermüdlich schlägt und mir noch Zeit auf der Welt zuteilt, begrenzte Zeit,  und jeder Herzschlag ist Leben, bedeutet noch einige Schritte durch die Schönheit der Schöpfung, durch dieses wunderbare Geschenk des Lebens. Nicht der Tod wartet auf uns, wenn unserer Aufenthalt in der Welt zu Ende geht, sondern das Leben,  das in jedem Moment mit uns war und uns so unendlich viel geschenkt hat.  Volle Dankbarkeit blicke ich auf diesen Begleiter auf meinem Weg und auf mein Herz, das mich noch nie im Stich gelassen hat, blicke auf mein Leben, das mich immer erfüllt hat und das mein Begleiter, auch jenseits allen menschlichen Denkens war und ist. So schenkt mir mein Leben noch einige Schläge meines Herzens und ich gehe  weiter,  voller Mut, auf meinem Weg durch die Welt.

Mir fällt eine Ode von Hölderlin ein - was könnte besser passen:

 An die Parzen

Nur einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!
Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,
Daß williger mein Herz, vom süßen
Spiele gesättiget, dann mir sterbe.
            

Samstag, 13. Mai 2023

Wo die Sprache versagt

Warum fällt es uns so schwer, über das zu sprechen, was wir in unserem Herzen bewegen? Mir hat immer gefehlt, dass unsere Mutter sich nicht über ihre seelischen Befindlichkeiten äussern mochte.  Nur an dem was sie las und an ihrem häufigen Besuch der Kirchen konnten wir erkennen, dass ihre Seele im Austausch mit dem Numinosen stand. Wir trauten uns nicht, sie  danach zu fragen. Wahrscheinlich hätte sie uns geantwortet, dass die menschlichen Worte nicht geeignet seien, um die Sprache der Seele wiederzugeben. - Mit der menschlichen Sprache tasten wir uns nur an die Grenze heran, was wir mit Worten sagen können. Die Sprache erfasst nur die Welt und die energetischen Erscheinungsformen.  Da wo die Welt für unseren Verstand endet, und wir hinter die Welt der Erscheinungen blicken möchten, da helfen die Wörter nicht weiter, sie geben uns höchstens Hinweise, besitzen aber nicht die Fähigkeit, das zu beschreiben, was wir das Leben der Seele nennen. So konnten wir nur ahnen, was in der Seele unserer  Mutter vor sich ging.  Mit ihrem Schweigen hat sie dennoch gesprochen.  Wir haben auf einer Ebene miteinander kommuniziert, die sich den Worten verschloss. Sie sprach mit ihrem Schweigen eine viel mächtigere Sprache, als Worte es zu sagen vermochten. Die Sprache der Seele ist das Schweigen, die Stille, mit der wir uns umgeben, die Innenschau, die wir nicht in Worte zu fassen vermögen. Die Stille ist für den Menschen der warme Mantel, in den wir uns hüllen, wenn wir auf den Grund  unserer Seele gehen. In der Stille erfahren wir, was uns als Menschen ausmacht: das Leben in seiner tiefsten Form, das uns und alles um uns erfüllt.  In der Stille erfahren wir die Liebe zum Leben, und zu den Menschen, die uns nahe stehen, eine Liebe, die auch nicht schwindet, wenn der Mensch vergeht, mit dem wir in Liebe verbunden sind. So wie die Liebe der Mutter uns ein ganzes Leben begleitet, so sind wir auch  mit denen verbunden, die sich in unserer Liebe befinden, auch wenn die Anderen es vielleicht nicht wahrnehmen können. Wir brauchen keine Worte, um die Sprache der Liebe zu sprechen. Wir bringen die Sprache der Liebe unseren Kindern bei, indem wir sie lieben. Liebe ist unvergänglich, sie ist das Leben. Worte können nicht ausdrücken, was Leben und Liebe sind, aber unsere Seele weiss es, wenn wir lieben. Ich schreibe dies, obwohl meine Sprache versagt, wenn ich das ausdrücke, was ich sagen möchte, und ich sage es auch, um uns  daran zu erinnern, auf unserem Weg durch die Welt,  nicht die Sprache der Seele zu verlernen.

Sonntag, 7. Mai 2023

Manipulationen

Wenn wir auf die verschiedenen Völker und  ihre Regierungen blicken, kann uns nur das Entsetzen packen, mit welcher Unverfrorenheit die Mächtigen ihre, ihnen vertrauenden Menschen, manipulieren.  Es gibt die alten Formen der Manipulation, wie in allen faschistischen Staaten, wo mit brutaler staatlicher Unterdrückung die Menschen in der Unterwerfung gehalten werden, Gefangene der Mächtigen, in staatlichen Gefängnissen. Es gibt die verfeinerten Methoden, wie in China, wo mit allen Möglichkeiten der digitalen Überwachung gearbeitet wird, wo erkennbare Gegner der herrschenden Eliten in staatlichen Gewahrsam genommen werden. Es gibt die noch versteckteren Systeme  der westlichen Welt,  in denen angeblich Demokratie herrscht und Gedankenfreiheit. Dort wird durch die Medien und die angeblich freiheitliche, öffentliche Meinung manipuliert. Demokratie kann man es wohl nicht nennen, wenn  den Menschen nur Parteien zur Wahl vorgesetzt werden, die   wiederum von Cliquen beherrscht werden, die  ihre eigenen Parteien manipulieren. Einmal an der Macht, wollen sie sich nur ungern von ihren lukrativen Posten trennen und erfinden immer neue Ablenkungsmanöver, um ihre gutgläubigen Wähler davon abzuhalten,  sich näher mit ihrer Regierung zu befassen. Es werden nicht nur Kriege erfunden, -  da wüssten noch die Menschen woran sie wären. Heute werden stattdessen Nebenkriegsschauplätze geschaffen, wie Klimawandel, Gendern, Seuchen, Immigration, die  Enteignung von Erfolgreichen und darüber wird vergessen, dass auch die herrschende Clique nichts anderes im Sinn hat, als auf Kosten der Allgemeinheit sich an den Futterkörben des Staates zu bedienen. Das Einzige  worin sich  die subtilere Manipulation der Demokratien von den brutalen Formen der faschistischen Staaten  unterscheidet, ist die Unsichtbarkeit der Manipulation für den normalen Bürger. – Die gefährlichste Manipulation aber findet in unseren eigenen Köpfen statt, es ist die Selbstmanipulation. Die Mehrheit der Menschen befindet sich im Tiefschlaf, was ihre geistigen Wahrnehmungsmöglichkeit anbelangt. Es waren gerade die jungen, naiven Menschen und die Intellektuellen, die begeistert die roten Bibeln schwangen und den Kommunismus verehrten, unter dessen Fahnen  das Paradies auf Erden entstehen sollte, aber mehr als hundert Millionen von Menschen ermordet wurden. Heute sind es die gleichen Manipulatoren, im Westen wie im Osten, die gerade die Jugend und die angeblich aufgeklärten Linken verführen. Die halbe Welt scheint am liebsten im Wahn zu leben,  Jugendliche kleben sich an Strassen fest, reden vom Weltuntergang, lauschen verzückt den Geschichten von Kindern,  und merken nicht, dass sie von den eigentlich Mächtigen wieder einmal manipuliert werden. Die unkritische Selbstmanipulation führt den Menschen wieder in die Irre. Es herrschen Irrsinn und Wahnsinn, wie zu allen Zeiten. Der Mensch  irrt buchstäblich im Wahn durch die Welt, schliesst sich  der Weltrettung an, und glaubt wieder einmal an die irren Gedanken von grünen Bibeln, die diesmal nicht das Paradies, sondern den Untergang der Welt voraussagen. - Die Welt wird sich nicht  durch die verrückten Ideen der Spezies Mensch ändern, sie zieht ungerührt ihre Bahn durch den Kosmos. Auch die Spezies Mensch scheint sich nicht zu ändern. Ein Wahnsinn wird durch den nächsten abgelöst.  Der Mensch lebt ohne zu denken, ist nur manipulierter Zombie, der nicht begreift, was er tut. Der Mensch geht blind durch eine fiktive Welt, die es nur in seinem Kopf gibt und verpasst dabei sein eigenes Leben. Denkende Menschen, die sich nicht manipulieren lassen, sind zu allen Zeiten seltene Exemplare gewesen. Die Masse Mensch geht wie eh und je ihren Beschäftigungen nach, glaubt das, was die Medien berichten,  denkt nicht einen Moment darüber nach, ob das was sie hört und sieht auch so ist, wie es scheint. So braucht es keiner grossen Manipulation von aussen, um die Massen zu manipulieren, es ist die  Selbstmanipulation des Einzelnen, die es den Machthabern so leicht macht,  ihre Macht zu erhalten. Heute sind es die grünen Bibeln von Kindern und Weltverbesserer, die uns manipulieren sollen ,gestern waren es die roten. Weder rote, noch grüne Bibeln haben jemals die Welt verbessert. Das einzige, was die Welt verbessern könnte, wäre das Erwachen des Menschen aus seiner Unmündigkeit und aus seiner Selbstmanipulation.

Samstag, 6. Mai 2023

Leben und Alter

Die Meisten von uns verstehen unter Leben,  die Geschichte ihres Lebens. Es ist die Geschichte des Menschen auf seinem Weg durch die Welt. Wenn die Geschichte zu Ende ist, dann werden sie ins Altersheim abgeschoben und es bleibt ihnen nur die Erinnerung an Vergangenes,  eine Geschichte, die sich in ihrem Kopf ständig wiederholt. Wir nennen sie dann alt und verkalkt. - Selbst die alten Religionen sind nicht mehr in der Lage, ihnen Hoffnung auf eine Zukunft nach dem Tod zu machen .-  Goethe hat für seinen Faust 60 Jahre gebraucht, um ihn zu vollenden. Im Faust I wird die Geschichte des Menschen hinaus in die Welt geschildert. Faust verliert sich an die Versuchungen der Welt. Die Welt in der Figur des Satans dargestellt.  -  Und dann Faust II, der von vielen nicht richtig verstanden wird:  Die Rettung des Menschen von der Welt, das Erwachen zum Leben. Faust wird gerettet, weil er sich dem wirklichen Leben öffnet, dem Leben hinter dem Leben. Leben wird zum Göttlichen, das in Allem ist. Die Welt der Sinne tritt zurück, es öffnet sich der Himmel, und Faust erkennt, dass der Himmel  sein wahres Leben ist, er kehrt in sein wahres Ich zurück. -  Wer nicht dieses faustische Erwachen in sich selbst erleben  kann,  bleibt in der Illusion von Welt,  wird im Alter starr und dement, ohne Verständnis für das was sein Leben war.   Demenz ist dann eine von ihm selbst verursachte Folge, er hat seinen Verstand verloren. - Dem nicht erwachten Menschen bleibt nur die Geschichte seines vergangenen Lebens, die Vergangenheit, die in ständiger Wiederholung in seinem Kopf kreist.  Dabei wäre gerade das Alter der Moment, in dem der trügerische Schein der Welt von ihm  abfällt und er sich dem eigentlichen Leben öffnen könnte.  Auf seinem Weg durch die Welt   hatte er sein Leben vergessen, aber ohne dass er es merkte, war sein Leben immer sein Begleiter. - Wenn wir Faust II begriffen haben, dann wird uns bewusst, was Leben ist: das Göttliche in Allem was uns umgibt, in den Menschen, in der Natur, im gesamten Kosmos,  und am Wichtigsten, auch in uns selbst. Immer wieder in der Geschichte der Menschheit treten die Mahner in unser Leben und weisen uns den Weg. Goethe war einer von ihnen. Aber wer kennt schon Faust II?  Unser Leben ist daher nicht nur ein Teil der  Geschichte der Welt,  unser Leben wartet in uns auf unser Erwachen, auf die Wende in unserem Leben, auf  den Moment, in dem wir zum Leben in uns zurück finden.  Welcher Zeitpunkt wäre dazu geeigneter als unser Alter, wenn der Ballast der Welt von uns langsam abgefallen ist?


Dienstag, 2. Mai 2023

Putin und der Wahnsinn

Wieder herrscht Krieg in Europa und in vielen Teilen der Welt. Wie  zu allen Zeiten reiten die apokalyptischen Reiter durch die Welt. Sie heissen Seuchen, Hunger, Völkerwanderung, Klimawandel, Wahnsinn, Krieg und Tod. Wie immer scheint der Untergang der Menschheit nahe.  Was uns so denken lässt ist nicht der Wahnsinn in den Köpfen der Herrschenden, sondern der Wahnsinn im Grossteil der Menschheit. Die meisten Menschen leben im Wahn, dass was ihre Sinne ihnen zeigten, das wäre die Welt. Die Sinne zeigen uns aber nur kleine Teile der Welt, die Welt wie sie wirklich ist, bleibt uns weitgehend verborgen. Die Wissenschaft hat es weit gebracht in kurzer Zeit,  kratzt aber nur an der Tür zur Schöpfung. Wenn die Sinne glauben, die Welt wäre das, was sie wahrnehmen können, dann  bezeichnet die Sprache das als Wahn. Die Welt unserer Sinne und unserer Wahn von Welt sind der Wahnsinn der menschlichen Wahrnehmung. So ist die Frage durchaus berechtigt, ob Putin wahnsinnig sei – er  ist genauso wahnsinnig, wie derjenige, der die Frage stellt. Solange wir unser Leben als Wahrnehmung unserer materiellen Existenz begreifen, sind wir im Wahn der Sinne befangen. Wir erkennen nicht, dass Leben in Allem ist, was existiert. Leben ist nicht nur im Menschen, in der Natur, in allen Materialien, in unserem Planeten, Leben ist auch in  Atomen und Molekülen und und in der Energie, die diese bewegt.  Alle Welten unterliegen den gleichen Gesetzen. Wenn der Mensch die Gesetze, die ihn ausmachen nicht mehr erkennen kann, hilft ihm ein Blick in andere Welten. - In der Welt der Energie herrscht Ordnung und Chaos. Beides scheint sich unabhängig voneinander zu bewegen. Das kreative dieses Prinzips scheint darin zu liegen, dass sie scheinbar unabhängig voneinander sind und doch wieder ins Gleichgewicht zurückfinden. In der Welt des Menschen gelten die gleichen Gesetze. Auf die Zeit der Unordnung und des Chaos wird wieder die Zeit des Gleichgewichts der Kräfte folgen. Es sind diese Kräfte, die die Schöpfung bewegen und weiterentwickeln. Die gleichen Kräfte bestimmen auch das Leben des Menschen.  Auf  Störung und Chaos folgt Gleichgewicht und Frieden. Unser Verstand nennt das eine gut, das andere schlecht. Beides bedingt sich und findet immer wieder zurück in das Gleichgewicht. Der Weg des Menschen ist so auch ein Weg in den Wahnsinn der Welt und zurück in die Einheit mit dem Leben. Wir nennen das Schicksal, dem wir nicht entrinnen können.  Selbst im grössten  Chaos der Welt, im Krieg und den Gefangenenlagern, die von den Mächtigen errichtet werden, können wir das Leben sehen lernen, das in Allem ist.  Das Leben, das alles erfüllt, vor allem auch uns selbst, das uns keiner nehmen kann, auch nicht der Tod und die Vernichtung. Wenn das Licht dieser Erkenntnis uns trifft, fällt der Wahnsinn der Sinne von uns ab und wir sehen uns und die Welt als das, was sie wirklich sind, als Teil der göttlichen Schöpfung, die sich in diesem Moment uns offenbart. Wahnsinn und Chaos sind Teil des Schöpfungsprozesses, und immer finden die ausgelösten Kräfte ihren Ausgleich und ihren Frieden. So ist der Wahnsinn der Welt auch gleichzeitig der Frieden der Schöpfung.


Erinnerungen 5 - Gedanken zu Erinnerungen

Während ich über Erinnerungen schreibe, muss ich mich immer daran erinnern, dass jede Erinnerung flüchtige Energie  im Raum der Gegenwart ist. Energie, die ständig ihre Form ändert, aus der Ewigkeit des Raums aufscheint und im nächsten Moment eine andere Form annimmt und zu einer geänderten Erinnerung wird. So entstehen Bilder aus der Gegenwart des Momentes, die möglicherweise nichts mit den tatsächlichen Begebenheiten zu tun haben. Geschichte ist von allen fragwürdigen Wissenschaften, die Allerfragwürdigste. Der Historiker beschäftigt sich mit längst vergangenen  Erscheinungsformen von Welt, die lange vorher in der Vergangenheit entstanden und vergangen sind. Meine Erinnerungen und alle Erinnerungen, die es in der Welt gibt, sind ein energetischer Gedanke, der nur in dem Moment existiert, in dem er entsteht. Das gilt nicht nur für das, was ich in diesem Moment niederschreibe, sondern für alles, was in den Bibliotheken dieser Welt verwahrt oder Teil  des kollektiven Gedächtnisses der Menschheit ist.  Alles entsteht und vergeht bereits im Moment seiner Erscheinung. Das gilt nicht nur für Worte und Gedanken, es gilt auch für alle anderen Erinnerungen und Formen, für die flüchtigsten und die festesten Erscheinungsformen, im nächsten Moment hat sich das Gegenständliche der Form bereits verändert, der Gedanke,   wie  auch das Haus, das wir scheinbar so fest errichtet haben – im nächsten Moment ist es  bereits dem Zerfall übereignet und in 100 Jahren wird es verschwunden sein. Wenn ich über Vergangenes schreibe, dann weiss ich, dass alles was ich schreibe längst verändert ist, und jede Überlieferung immer in neuer Erscheinungsform verkleidet wird.  Erinnerungen sind nicht mehr als die Bilder eines Romans, die im Leser entstehen und wieder verschwinden, wenn ich die nächste Seite umblättere. Daran erinnere ich mich, während ich dies schreibe, nichts überlebt den Moment ohne Veränderung, selbst das Wort auf dem Papier verblasst mit seiner Niederschrift. Und doch lohnt es sich das  Vergehen jedes Gedankens und jeden Gegenstandes zu erleben, denn im Vergehen scheint der Raum auf, aus dem Alles entsteht, der Raum des Ewigen, der Raum von Stille und Leere. - Und ich erinnere mich auch daran, dass ich selbst im gleichen Prozess des Vergehens  bin, und mit jedem Moment meines Lebens der Moment näher kommt, in dem mein existenzielles Sein beendet sein wird,  und ich zurückkehre, dorthin woher ich gekommen bin. Die Welt will nichts von diesen Vorgängen wissen,  der kleine menschliche Verstand wehrt sich mit allen Kräften gegen seinen Untergang. Der Verstand erkennt nicht das Wunderbare, das Heilige im ewigen Veränderungsprozess, die Tiefe die hinter dem Existenziellen liegt, die göttliche Gelassenheit und Ruhe in der alles stattfindet. Tod und Vergängliches sind nur Wandlung,  und in der Wandlung erkennen wir das Göttliche, das wir selber sind. Daran erinnere ich mich, wenn ich dies niederschreibe.

Erinnerungen 4 - Die Geschwister

Es steht mir nicht zu, über lebende Personen zu schreiben. Daher beschränke ich diese Erinnerungen auf meine und die Generation vor uns.  Ich hatte das Glück, als Ältester von 3 Geschwistern, mit zwei besonderen Menschen aufzuwachsen. Wichtig war, dass uns kein grosser Altersunterschied trennte, meine Mutter war schon 37 als ich als Erster zur Welt kam und sie war 40  als Andreas 1943 geboren wurde. Was heute eher normal erscheint, war damals schon eine späte Geburt.

Mein Bruder Arnim war schon früh den Geisteswissenschaften zugewandt. Als wir in Mailand lebten gingen wir zusammen über einen antiquarischen Büchermarkt. Er sah ein Buch das ihn interessierte, bat mich, ihm 100 Lire zu leihen, um es zu kaufen.  Er war 10 Jahre alt – es war eine koptische Grammatik.  Er wolle sie in den Schulferien lernen sagte er – und er tat es.  Er war nie gross an Äusserlichkeiten interessiert. Zu seiner Antrittsvorlesung als Professor in Konstanz lieh er sich eine Anzugsjacke von mir, er besass keine eigene. Seit früher Jugend lebte schon sein Geist in anderen Welten und sein Studium dauerte länger als gewöhnlich. Er überraschte uns alle, als ich ihn eines Morgens anrief, ihn in einer Bibliothek in Münster erreichte, und er mir mitteilte er hätte geheiratet. Wir freuten uns für ihn, waren aber etwas traurig, wir hätten die Hochzeit gerne mit ihm gefeiert. Arnim wurde zum führenden Linguisten seiner Zeit. Er erhielt den Lehrstuhl  für Linguistik der Universität Tübingen. Seine schriftlichen Werke wurden wegweisend weit über Deutschland hinaus. Er schrieb entscheidende Lehrbücher, über Semantik, zur generativen Grammatik und Syntax, zu den Bausteinen syntaktischen Wissens. Seine Kollegen bestätigten mir, dass er zu den bedeutendsten Wissenschaftlern seines Bereichs gehörte. Von uns drei Brüdern, war er der gebildetste, sprach 16 Sprachen, war tief in die Philosophie und Mathematik eingestiegen – wir Brüder waren immer stolz auf ihn. Er fühlte sich nicht nur in  Bibliotheken  und Seminaren wohl,  sehr gerne fuhr er mit seiner Familie ins Tessin in sein Rustico, das man nur mit einem beschwerlichen Fussmarsch erreichen konnte. Wir haben dort schöne Tage miteinander verbracht. Heute hat ein Gehirnschlag diesen grossen Geist zum Schweigen gebracht.  Er verbringt seine Tage  mit seiner Frau Franzis, die seit seiner Zeit in Münster, immer an seiner Seite gewesen ist. Wenn ich  meinen Bruder heute treffe, fühle ich die gegenseitige tiefe Verbundenheit zwischen uns, ich bin immer sein grosser Bruder geblieben.

Mein Bruder Andreas kam als Jüngster am Ende des Krieges zur Welt. Er litt vor allem unter dem Nahrungsmangel der Nachkriegszeit. Er brauchte besonders seine Mutter und vertrug es nicht von zuhause getrennt zu sein.  Er ging auch mit meinen Eltern nach Kopenhagen, als wir anderen Brüder auf ein Internat kamen, um uns auf das Abitur vorzubereiten. Zu meinem Vater hatte er ein besonderes Verhältnis, er war ihm am ähnlichsten.  Andreas schlug dann auch den gleichen Berufsweg des Vaters ein. Andreas war dreimal verheiratet. Aus seiner ersten Ehe stammt sein Sohn Konstantin.  Seine zweite Frau, eine französische Physikerin,  starb früh und ich erinnere mich, wie ich bei ihrem Begräbnis in den französischen Alpen, ihren kleinen Sohn Adrian  in den  Armen  hielt und  wir den Psalm hörten,  der von der Hilfe spricht, die von den Bergen kommt. Andreas fand in Junko, einer japanischen Sängerin, noch einmal eine  späte Liebe. Junko wurde für Adrian eine wunderbare Mutter. Die neue Familie war noch gemeinsam auf den letzten Botschafterposten in Thailand und der Schweiz. Andreas starb viel zu früh an einem zu spät entdeckten Darmleiden. Auch hierin hatte er das gleiche Schicksal unseres Vaters, der früh an seinem Lungenleiden starb. Bis zuletzt hatte ich ein tiefes Vertrauensverhältnis zu Andreas. Er war unser jüngster Bruder und stand mir immer besonders nah. Er liegt  in Stechow in unserem Familienbegräbnis. Auf dem Grabstein steht auch der Name von Junko,  sie möchte mit ihm gemeinsam begraben werden.


Die Mutter 2

Die  Nachkriegszeit  ist schon Teil meiner bewussten Erinnerungen.  Die davorliegende Zeit kenne ich nur aus den Erzählungen der Eltern. Die Eltern trafen sich, auf getrennten Wegen,  1945 wieder in Reinbek bei Hamburg, der westlichen Besatzungszone. Sie wurden dort in einer Flüchtlingswohnung untergebracht. Meiner Mutter gelang es bald wieder als Journalisten zu arbeiten, beim Hamburger Abendblatt. Zwei Kindermädchen machten das möglich.  Unser Vater arbeitete bis 1950 bei der Deutschen Presseagentur. Die Nachkriegsjahre waren die schwierigsten Jahre, weil die Lebensmittelkarten nicht reichten und  nicht ausreichend Nahrung zur Verfügung stand. Immerhin gelang es, vor allem meiner Mutter, so viel Nahrung zu beschaffen, dass wir nicht verhungerten. Ein kleiner Gemüsegarten, den sie angepachtet hatten, half dabei sehr.  Ihre beiden, in der Ostzone, zurückgelassenen Kinder, meinen Bruder Arnim und mich, holte sie einzeln, unter Lebensgefahr, schwarz über die Zonengrenze, auch in den Westen. - Erst 1950 änderte sich unser Leben, mit der Berufung des Vaters als Konsul nach Mailand. Es war wahrscheinlich ein neuer Lebensabschnitt für unsere Mutter, jetzt nur noch als Ehefrau für die Familie da zu sein. Die Zeit in Mailand brachten Ruhe in unser Leben, die Schrecken des Krieges und der Mangel der Nachkriegszeit fielen von uns ab. Auch in unserer Mutter konnte man den  neuen Frieden merken, sie war zum ersten Mal nicht mehr für das Überleben der Familie verantwortlich, sondern konnte sich ganz der Familie widmen. Sie vermisste noch ihren Beruf,  aber die Hinwendung zu ihrer Familie tat nicht nur ihr gut, sondern uns allen. Ihr Leben war in ruhiges Fahrwasser geraten, das bis zum Tod  ihres Mannes nach der Pensionierung andauerte. Ab 1950 hatte sie sich entschlossen ihr Leben ganz der Familie zu widmen, auch wenn ihr immer eine leichte Trauer  in den Gedanken an ihre Berufszeit anhaftete. Sie kümmerte sich um uns alle, um die Familien ihrer Kinder, die Enkelkinder.  Den zunehmenden Verlust ihrer Hörfähigkeit nahm sie gelassen hin. Sie hörte nur noch, was sie hören wollte. Nach dem Tod ihres Mannes lebte sie noch mehr als 10 Jahre allein, sehr belesen, sehr interessiert an den Dingen der Welt, aber auch immer mehr der transzenten Seite unseres Menschseins zugewandt. Sie konnte auf ein reiches und erfülltes Leben zurückblicken.  Ich hatte das Privileg die letzten Tage in Teneriffa mit ihr und meiner Familie zusammen zu sein. Als wir merkten, dass eine Magenverstimmung  sie immer mehr schwächte, brachte ich sie in das Krankenhaus nach Sta Cruz. Ich sehe sie noch heute, wie sie am Tropf in ihrem Bett mich bei unserem Abschied ansah. Sie wusste, dass sie sterben würde, ich wusste es nicht. Sie starb noch in der gleichen Nacht an Herzversagen. Ich habe ihren letzten Blick nie vergessen.


Erinnerungen 3 - Die Mutter 1

Unsere Mutter wurde 1903  in Tysmenicza  bei Ivano Frankivsk  in Galizien als Österreicherin geboren und auf den Namen Olga Maria getauft. Galizien war die östliche Provinz von Österreich, in dem sich die Kulturen der Völker aus Polen, Ukrainern, Juden und Armeniern und Deutschen  gegenseitig befruchteten. Ihre Eltern waren eine Lehrerfamilie, und sie wuchs  mit dem Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben als Frau zu führen.  Ihre Mutter, meine Grossmutter, starb schon in jungen Jahren an Tuberkulose.  Der Vater heiratete neu , und die neue Frau war eine gute Ersatzmutter. Es gab noch einen Bruder Wlodko aus  der 1. Ehe und eine Stiefschwester Slawca.  Beide emigrierten in die USA.  Als 1918 die Polen Galizien annektierten stand für ihre Familie fest, dass sie nach Deutschland gehen sollte, um  dort zu studieren. 1921 kam sie nach Berlin und studierte Volkswirtschaft. Dort lernte sie unseren Vater kennen, der sie fast das ganze Studium in  jeder Hinsicht unterstützte. Sie musste sich ihr Studium selber verdienen, das Lehrergehalt ihrer Eltern reichte dazu nicht aus. In ihrem Tagebuch steht, sie kam nur mit einem Koffer nach Berlin und einem Goldstück, das ihr Vater ihr mitgab. Sie kam aber voller Mut und Zuversicht, und dieser Mut verliess sie ihr ganzes Leben nicht. Nach dem Studium ging sie als Journalistin  in den Moshe Verlag, später Ullstein, in Berlin. Sie  arbeitete für die Zeitschrift «Die Dame», die grösste  europäische Frauenzeitschrift ihrer Zeit. Das Verzeichnis der Mitarbeiter liest sich wie eine Liste der Geistesgrössen der zwanziger Jahre. Auf alten Fotos trägt sie einen Pagenkopf, sie war zu einem Kind ihrer Zeit und der Berliner  Welt geworden.  Zu ihren intellektuellen Freunden gehörte Rowohlt, Walther Kiaulehn, Albert Schäfer- Ast, mit ihnen traf sie sich zum wöchentlichen Stammtisch bei Witwe Bolte. Sie war eine der ersten Frauen, die ein eigenes Auto hatten, den berühmte Opel 4 PS Laubfrosch.  Es waren die ereignisreichsten Jahre ihres Lebens. Mit unserem Vater war sie die ganzen Jahre befreundet, sie wollte aber lange ihre Unabhängigkeit erhalten. Erst mit der Machtergreifung 1933  beschlossen beide zu heiraten, um den Benachteiligungen von Ausländern zu entgehen. Als Angehöriger des Auswärtigen Amtes brauchte unser Vater die Genehmigung, eine Frau mit polnischer Staatsangehörigkeit zu heiraten. Die Genehmigung wurde verweigert, die Rassenpolitik hatte ihren Einzug in Deutschland gehalten. Unser Vater wurde umgehend nach Australien versetzt, wo er vier Jahre blieb, damit er sich die Gedanken an Heirat aus dem Kopf schlagen sollte. Besuche waren praktisch nicht möglich, da nur der kostspielige Seeweg zur Verfügung stand, der 2 Wochen dauerte. Nach seiner Rückkehr war mein Vater mehr denn je  zur Ehe entschlossen. 1938 heirateten die Beiden.  Das war ein klarer Verstoss gegen das Heiratsverbot des AA und der Einbruch in die Karriere des Vaters. - Wenn unser Vater schon ein entschlossener Mensch war, dann unsere Mutter nicht minder. Sie liessen sich von den neuen Machthabern nichts vorschreiben. -  Auf der Hochzeitsreise nach Sizilien im Zug stritten die beiden wie ein altes Ehepaar. Als der Zug vor einem Signal  stehenblieb stieg unsere Mutter kurz entschlossen aus und lief auf den Gleisen zurück, sie wollte die Reise nicht fortsetzen. Ihr Mann lief hinterher und versuchte sie zur Vernunft zu bringen. Es gelang ihm schliesslich und nur knapp erreichten sie wieder den Zug, der sich kurze Zeit später wieder in Bewegung setzte. Beide hatten eine starken Charakter. -  1940 kam ich als erstes Kind zur Welt.  Deutschland befand sich bereits im Krieg mit Halbeuropa. In den von  Hitler an Stalin abgetretenen Ostgebieten haten sich die Russen festgesetzt. 1940 wurden auch die Eltern unserer Mutter nachts vom KGB abgeholt und erschossen, sie gehörten zur Intelligenz und waren daher Gegner des Kommunismus. 1941 kam mein Bruder Arnim und 1943 mein Bruder Andreas zur Welt. Die Frauen mussten ihr Leben auf Kriegswirtschaft umstellen. Unsere Mutter arbeitete im Verlag weiter, jetzt aber für die Propagandazeitschrift  «Signal»  für die besetzten Ostgebiete. Für uns Kinder hatte sie 2 Hilfen aus ihrer ukrainischen Heimat anstellen können, die damit dem Zwangsarbeitsdienst entkommen konnten. Erst 1943 gingen wir aus Berlin fort nach Ranis in Thüringen zu ihren Schwiegereltern, wo unser Bruder Andreas zur Welt kam. 1945 bei Kriegsende waren wir auf der Burg  Ranis, und bei Übergabe von Thüringen an die Russen musste  unsere Mutter mit dem jüngsten Bruder fliehen, ihre Tätigkeit beim Signal hätte sie sofort zum Tode verurteilt.