Samstag, 27. Mai 2023

Die Tyrannei der Zeit

Die Geschichte der Welt und des Kosmos  wurde nie in Zeit gemessen.  Erst mit dem Aufkommen des Menschen wurde eine Masseinheit für Zeit entwickelt. Anfangs wurden noch in Sommern oder Ernten gemessen, in Jahreszyklen oder Herrschaftsperioden. Vor der Geschichte des Planeten nimmt sich das wie eine Sekunde aus.  Zeit?  Was ist das?  Würden uns die Tiere und Pflanzen fragen. Und der Stein würde uns ratlos anblicken und könnte mit Zeit nichts anfangen. Nur dem Menschen blieb es vorbehalten, sich unter das Joch der Zeit zu zwängen. Alles wird in Zeitzyklen gemessen. Kindheit, Schule, Studium, Beruf. Fällt man aus dem vorgeschriebenen Zyklus, dann ist man im Leben gescheitert. - Da gefällt es mir schon besser das Leben in Kindheit, Ausbildung, Paarungszeit zu messen, das Berufsleben, das vielen so wichtig ist, kann man oft nur als verlorene Zeit sehen, es ist die Zeit einer aufgezwungenen Tyrannei unseres wirtschaftlichen Systems,  eigentlich eine Zeit von   Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft. Aber die falsche Einordung im Kopf  des Menschen, misst dieser Zeit eine Bedeutung zu, die sie meistens nicht hat.  Sie kann für die persönliche Entwicklung des Menschen von Bedeutung sein, aber spätestens bei unserer Pensionierung merken wir, ob wir die Zeit unseres Berufslebens auch wirklich als Berufung verstanden haben.  - Wenn wir die besten Jahre hinter uns haben, kommt das Alter. Gering geachtet von der Welt. Meistens beginnen die besten Jahre erst jetzt. Wir erkennen endlich, dass wir ein Opfer der Zeit waren, ausgebeutet vom System Zeit.  Wir können uns erst jetzt  auf uns selbst zurückbesinnen, uns daran erinnern, wer wir auch  sind, denn jetzt haben wir alle Zeit von der Welt. Das Alter ist nur dann die beste  Zeit in unserem Leben, wenn wir erkennen,  dass wir ein Opfer des Systems Zeit waren, wenn wir nicht zurückblicken auf die angeblich  so erfolgreichen Jahre, sondern  zu leben beginnen. Uns steht im Alter die  Zeit zur Verfügung,   zu begreifen, was Leben ist. Wenn wir noch bis vor kurzem in der Knechtschaft der Zeit standen,  können wir jetzt zum Leben erwachen.  -  Wenn wir aber den vergangenen Zeiten nachtrauern, dann haben wir nicht das Joch der Zeit abgeschüttelt. – Zum Leben erwachen heisst sich der inneren Zeit zuzuwenden,  uns aus den Fängen der täglichen Routinen zu befreien,   dorthin zu blicken, wo wir wirklich zu Hause sind , in unser eigentliches Sein. Unser Körper mag alt und unansehnlich geworden sein. Er bleibt aber ein Wunderwerk der  Schöpfung, er verdient es jeden Morgen von unserem Bewusstsein geflutet zu werden. Er dankt es uns auch in späten Jahren mit seiner Treue und trägt uns durch unsere Tage. Jetzt haben wir   auch die Zeit, unsere Gedanken zu disziplinieren und  Raum in unserem Kopf zu schaffen, die Schönheit der Natur und der gesamten Schöpfung in uns hereinzulassen. Wir haben uns aus der Tyrannei der Zeit befreit. Wir begreifen endlich was leben heisst.


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