Dienstag, 2. Mai 2023

Erinnerungen 5 - Gedanken zu Erinnerungen

Während ich über Erinnerungen schreibe, muss ich mich immer daran erinnern, dass jede Erinnerung flüchtige Energie  im Raum der Gegenwart ist. Energie, die ständig ihre Form ändert, aus der Ewigkeit des Raums aufscheint und im nächsten Moment eine andere Form annimmt und zu einer geänderten Erinnerung wird. So entstehen Bilder aus der Gegenwart des Momentes, die möglicherweise nichts mit den tatsächlichen Begebenheiten zu tun haben. Geschichte ist von allen fragwürdigen Wissenschaften, die Allerfragwürdigste. Der Historiker beschäftigt sich mit längst vergangenen  Erscheinungsformen von Welt, die lange vorher in der Vergangenheit entstanden und vergangen sind. Meine Erinnerungen und alle Erinnerungen, die es in der Welt gibt, sind ein energetischer Gedanke, der nur in dem Moment existiert, in dem er entsteht. Das gilt nicht nur für das, was ich in diesem Moment niederschreibe, sondern für alles, was in den Bibliotheken dieser Welt verwahrt oder Teil  des kollektiven Gedächtnisses der Menschheit ist.  Alles entsteht und vergeht bereits im Moment seiner Erscheinung. Das gilt nicht nur für Worte und Gedanken, es gilt auch für alle anderen Erinnerungen und Formen, für die flüchtigsten und die festesten Erscheinungsformen, im nächsten Moment hat sich das Gegenständliche der Form bereits verändert, der Gedanke,   wie  auch das Haus, das wir scheinbar so fest errichtet haben – im nächsten Moment ist es  bereits dem Zerfall übereignet und in 100 Jahren wird es verschwunden sein. Wenn ich über Vergangenes schreibe, dann weiss ich, dass alles was ich schreibe längst verändert ist, und jede Überlieferung immer in neuer Erscheinungsform verkleidet wird.  Erinnerungen sind nicht mehr als die Bilder eines Romans, die im Leser entstehen und wieder verschwinden, wenn ich die nächste Seite umblättere. Daran erinnere ich mich, während ich dies schreibe, nichts überlebt den Moment ohne Veränderung, selbst das Wort auf dem Papier verblasst mit seiner Niederschrift. Und doch lohnt es sich das  Vergehen jedes Gedankens und jeden Gegenstandes zu erleben, denn im Vergehen scheint der Raum auf, aus dem Alles entsteht, der Raum des Ewigen, der Raum von Stille und Leere. - Und ich erinnere mich auch daran, dass ich selbst im gleichen Prozess des Vergehens  bin, und mit jedem Moment meines Lebens der Moment näher kommt, in dem mein existenzielles Sein beendet sein wird,  und ich zurückkehre, dorthin woher ich gekommen bin. Die Welt will nichts von diesen Vorgängen wissen,  der kleine menschliche Verstand wehrt sich mit allen Kräften gegen seinen Untergang. Der Verstand erkennt nicht das Wunderbare, das Heilige im ewigen Veränderungsprozess, die Tiefe die hinter dem Existenziellen liegt, die göttliche Gelassenheit und Ruhe in der alles stattfindet. Tod und Vergängliches sind nur Wandlung,  und in der Wandlung erkennen wir das Göttliche, das wir selber sind. Daran erinnere ich mich, wenn ich dies niederschreibe.

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