Samstag, 6. Mai 2023

Leben und Alter

Die Meisten von uns verstehen unter Leben,  die Geschichte ihres Lebens. Es ist die Geschichte des Menschen auf seinem Weg durch die Welt. Wenn die Geschichte zu Ende ist, dann werden sie ins Altersheim abgeschoben und es bleibt ihnen nur die Erinnerung an Vergangenes,  eine Geschichte, die sich in ihrem Kopf ständig wiederholt. Wir nennen sie dann alt und verkalkt. - Selbst die alten Religionen sind nicht mehr in der Lage, ihnen Hoffnung auf eine Zukunft nach dem Tod zu machen .-  Goethe hat für seinen Faust 60 Jahre gebraucht, um ihn zu vollenden. Im Faust I wird die Geschichte des Menschen hinaus in die Welt geschildert. Faust verliert sich an die Versuchungen der Welt. Die Welt in der Figur des Satans dargestellt.  -  Und dann Faust II, der von vielen nicht richtig verstanden wird:  Die Rettung des Menschen von der Welt, das Erwachen zum Leben. Faust wird gerettet, weil er sich dem wirklichen Leben öffnet, dem Leben hinter dem Leben. Leben wird zum Göttlichen, das in Allem ist. Die Welt der Sinne tritt zurück, es öffnet sich der Himmel, und Faust erkennt, dass der Himmel  sein wahres Leben ist, er kehrt in sein wahres Ich zurück. -  Wer nicht dieses faustische Erwachen in sich selbst erleben  kann,  bleibt in der Illusion von Welt,  wird im Alter starr und dement, ohne Verständnis für das was sein Leben war.   Demenz ist dann eine von ihm selbst verursachte Folge, er hat seinen Verstand verloren. - Dem nicht erwachten Menschen bleibt nur die Geschichte seines vergangenen Lebens, die Vergangenheit, die in ständiger Wiederholung in seinem Kopf kreist.  Dabei wäre gerade das Alter der Moment, in dem der trügerische Schein der Welt von ihm  abfällt und er sich dem eigentlichen Leben öffnen könnte.  Auf seinem Weg durch die Welt   hatte er sein Leben vergessen, aber ohne dass er es merkte, war sein Leben immer sein Begleiter. - Wenn wir Faust II begriffen haben, dann wird uns bewusst, was Leben ist: das Göttliche in Allem was uns umgibt, in den Menschen, in der Natur, im gesamten Kosmos,  und am Wichtigsten, auch in uns selbst. Immer wieder in der Geschichte der Menschheit treten die Mahner in unser Leben und weisen uns den Weg. Goethe war einer von ihnen. Aber wer kennt schon Faust II?  Unser Leben ist daher nicht nur ein Teil der  Geschichte der Welt,  unser Leben wartet in uns auf unser Erwachen, auf die Wende in unserem Leben, auf  den Moment, in dem wir zum Leben in uns zurück finden.  Welcher Zeitpunkt wäre dazu geeigneter als unser Alter, wenn der Ballast der Welt von uns langsam abgefallen ist?


Keine Kommentare: