Sonntag, 28. August 2022

Bilanztage - am Ufer des Araguaia

Für mich sind Bilanzen, wenn sie mich selbst betreffen, mehr als blosse Zahlen. Gestern erhielt ich die Zahlen des vergangenen Jahres für unseren Betrieb an einem der schönsten Flecken der Erde. Vor mir lag plötzlich die Geschichte der letzten 20 Jahre. Die langen Jahre des Aufbaus, die Menschen die mich begleiteten, die Enttäuschungen und Widerstände mit denen ich leben musste. Aber ich sah immer den gewaltigen Fluss an meiner Seite, der dort seit Millionen von Jahren durch Felsen und Katarakte schäumte, unbeeindruckt von allen Widerständen.  Für mich sind die Bilanzen mehr als Zahlen, sie erzählen Geschichten, sie legen Zeugnis ab vom Leben, von  Menschen, die in mein Leben traten und wieder gingen, von Menschen, die halfen und Menschen, die Schaden mit sich brachten. Und die Kraft, die alles bewegt  und alles zusammenhält, ist man selbst,  zusammen mit den Menschen, die ihre Lebenskraft mit einbrachten. Und wie der grosse Fluss an meiner Seite, bin ich unbeeindruckt von allen Widerständen,  meinem Ziel  entgegengegangen, um meinen Teil der   Geschichte dieses Ortes  zu erfüllen. - Die Bilanz vor mir erzählt den  Anfang, als wir begannen, sie erzählt von den Widerständen, die  unsere Entwicklung zurückwarfen und wie wir unbeirrt unseren Weg gingen.  Sie erzählt von den Menschen, die diesen Weg mitgingen oder die dem Fluss des Lebens Widerstand geleistet haben.  Sie berichtet aber auch, wie  wir heute in ruhigere Wasser gelangt sind und die Früchte  unseres Tuns vor uns liegen.  Als der Philosophenkaiser davon sprach – Sein Schicksal zu erfüllen -  da ging es darum, zu begreifen, dass wir unser Schicksal annehmen müssen, in welcher Form es auch immer auf uns zukommt.  -Mir hat das Schicksal wunderbare Jahre an diesem legendenreichen Fluss gegeben und ich habe begriffen, warum so viele andere Schicksale mit meinem verbunden waren. Wunderbar, was eine Bilanz so alles erzählen kann.

Donnerstag, 25. August 2022

Rollenspiele

Ich erinnere mich, dass ich einmal besorgt war, weil eines meiner Kinder mit Freunden  Rollenspiele veranstaltete. Es erinnerte mich an Theaterspielen, die eingenommene Rolle beschäftigte stark ihre Phantasie, und ich befürchtete, dass diese Phantasiegestalten von  einem noch nicht stark ausgebildeten Verstand  vielleicht als falsche Realitäten wahrgenommen werden könnten. – Ich beruhigte mich bei näherem Nachdenken, dass es vielleicht eine Imitation der Erwachsenen sein könnte, die doch auch nichts anderes taten, als Rollen zu spielen. Wohin ich auch schaute, Erwachsene die sich mit einer Rolle identifizierten, die sie  nur dem Namen nach, aber nur in den seltensten Fällen in der Realität auch waren.- Der gute Ehemann, die brave Hausfrau, der allwissende Arzt, der moralische Pfarrer, der rechtsprechende Richter, der kluge Advokat, - alle meistens nur Rollenspieler. Vielleicht hatten die Kinder das erkannt und spielten in ihrer Zauberwelt die Rollen der Erwachsenen als Märchengestalten nach.  -Heute sehen wir in den Social Media eine ähnliche  Entwicklung, Jugendliche die als glückliche, schöne Menschen wahrgenommen werden wollen, aber es in den seltensten Fällen sind. Und andere Jugendliche, die ständig an ihrem Handy hängen und diese Selbstdarsteller idealisieren. Trugbilder als Ideale. Denjenigen, denen es am Besten gelingt sich als glücklich und schön darzustellen, erhalten von der Werbeindustrie Aufträge und verdienen schon in jungen Jahren gutes Geld.  Eine Scheinwelt wird als reale Welt von ihren Followern wahrgenommen und idealisiert,  eine Welt, die keine negative Seite zu kennen scheint. Was aber, wenn  die Protagonisten  in dieser Scheinwelt scheitern, weil die Wirklichkeit eine andere ist?  Und was, wenn im späteren Leben die Rollenspiele der Erwachsenen an ihre Grenzen gelangen und die Rollen als die Aufführung schlechter Schauspieler entlarvt werden?  -  Wie können Jugendliche, die schon so früh an falsche Selbstdarstellungen herangeführt werden, zu selbständig denkenden, selbstkritischen Menschen werden?  Die Wahrscheinlichkeit ist grösser, dass aus ihnen  Zombies werden, die sich nicht mehr aus den Fängen der Werbeindustrie befreien können.  Für mich gilt, wo immer ich auf Rollenspiele stosse,  - ich senke meinen Daumen.


Sonntag, 21. August 2022

Im Fluss des Lebens - und was wir vergessen haben

Dem Fluss des Lebens können wir uns nicht entziehen. Von der Geburt an sind wir in eine Lebenssituation  hineingeboren, in eine Familie, ein Land, eine politische Situation. Wir schwimmen mit der Strömung, und unsere Kräfte reichen nicht, gegen die Strömung zu schwimmen. Was wir ändern können, sind unsere Lebensumstände,  das was sich durch Intelligenz, Anstrengung, Ausbildung und Energie ändern lässt. Man könnte dies die dynamische Dimension unseres Lebens nennen, das was wir beeinflussen können.   Was aber die Meisten von uns vergessen, ist die Dimension der Tiefe,  das was sich nicht bewegt, und doch ein Teil des Lebensflusses ist, das was von der Oberfläche des Wassers nicht sichtbar und doch da ist , und ohne das es den Lebensfluss nicht gäbe. Es ist die statische Dimension unseres Lebens,  das was uns ausmacht,  unsichtbar und doch da, für die Sinne nicht erfassbar und doch Ursprung aller Sinne und allen Denkens, Ursprung unseres Lebens. Wenn wir uns an diese Dimension der Tiefe,  in uns erinnern,  sind wir direkt mit der Kraft des Lebens verbunden, aus der Alles fliesst, und doch in uns ruht, unveränderlich und unergründlich. Wem es gelingt seine eigene Dimension der Tiefe zu entdecken, der gewinnt Zugang zu den Kräften des Lebens, und sein Weg wird anders verlaufen, als wenn er nur an der Oberfläche geblieben wäre.  Es ist der Zugang zu uns Selbst, den ein Einstein, Beethoven und Goethe wahrscheinlich gefunden haben, der Weg aus dem Zweifel, aus der Verzweiflung, zurück  in die Einheit, in die Einheit von Tiefe und  Oberfläche,  von Raum und Energie,  von Leere und Materie, von Dualität in Unität.  Das Einzige was es dazu braucht ist das Erinnern, an das was wir vergessen haben, unsere Dimension der Tiefe.

Mittwoch, 17. August 2022

Wenn ein Physiker heiratet

Die meisten Menschen besinnen sich bei einer Hochzeit auf alte kirchliche Bräuche zurück, selbst wenn sie den Kirchen bereits entglitten sind. Oft ist es nur der äussere Rahmen, der den Menschen etwas bedeutet, oft auch der Wunsch der Ehe  einen  tieferen Sinn zu geben. Bei Physikern gelten noch andere Gesetze, aus der tieferen Einsicht in die Funktionen des Kosmos.   .-  Mit den modernen Naturwissenschaften, entdeckten die Physiker, dass der Mensch im Wesentlichen  aus leerem Raum besteht und nur zu einem sehr kleinen Teil aus Materie  und begaben sich auf der Suche, welche Eigenschaften  der leere  Raum  wohl  enthalten könnten. -  So wäre es nicht verwunderlich, wenn ein Physiker sich fragt, was geschieht, wenn sich zwei Menschen, also zwei leere Räume verbinden? -  Derjenige der glaubt,  der leere Raum enthalte nichts als Leere, kommt zu dem Schluss, eine Verbindung von zwei leeren Räumen könne nicht stattfinden. Für ihn findet eine Verbindung nur auf der Ebene der Materie, der Polarität statt,  zwei unterschiedliche Pole werden voneinander angezogen.  Er denkt wie der überwiegender Teil der Menschheit und begreift die Verbindung von Mann und Frau nur auf der materiellen Ebene. -   Wer aber den Raum der Leere als das allumfassende Potential begreift,  als die übergeordnete Intelligenz,  die Allem innewohnt,  der ist in eine andere Dimension  gewechselt, er hat zu seiner eigentlichen geistigen  Identität gefunden. Er erkennt in der Leere das Eigentliche, das ihn ausmacht,   das Leben selbst, die Kraft, in der sich alle  Polarität  der Welt aufhebt .-  Ein Bild, um dies zu veranschaulichen:  Wir stehen vor einem See, was wir sehen ist die Oberfläche und wir sind die Welle, die sich im Wind des Schicksals bewegt. Aber unter der Welle, die geheimnisvolle Tiefe der Wasser, unbewegt und ewig,  und die Welle ohne die Tiefe der Wasser nicht denkbar. -  Der leere Raum  ist vergleichbar mit der Tiefe des Wassers, ohne die  Dimension der Tiefe ist die Welle nicht zu verstehen, ohne die Dimension der Leere ist das Menschsein unbegreifbar. -  Es ist das was die Schöpfung von Anbeginn  der Menschheit anstrebt, das Erwachen des Menschen, ein neues Sehen, das Begreifen der Dimension der Tiefe, das Erfassen der Leere als die eigentliche Kraft aus der wir entstehen und in die wir auf unserem Weg durch die Zeit zurückkehren.    Wenn zwei Menschen sich  für einen gemeinsamen Weg verbinden,  dann wird für wenige Momente die  Dualität des Menschseins aufgehoben. Wenn  sie auch die Dimension der Tiefe in ihrem Leben erkennen,  dann werden sie zur Einheit, dann kommt es  zu einer Fusion der Seelen, dann entsteht neues Leben. Es ist der heiligste Moment im Leben eines Menschen, das Erwachen und das Erkennen der Fülle des Seins  in sich  und im Anderen, die Leere als die allumfassende Fülle,  als die tiefste Wahrheit  unseres Lebens.  Wer könnte dies besser verstehen  als ein Physiker?  

Sonntag, 7. August 2022

Kann ich an Gott glauben?

Eine der grundlegenden Fragen unseres Lebens.  Weise und Philosophen haben nach Antworten gesucht. Und wahrscheinlich gibt es kein Richtig oder Falsch als Antwort. -  Als es noch keine Welt, keine Lebewesen, kein All,  und keine Zeit gab, da war schon das Ewige da, das Allumfassende. Und als die Welt und  die Lebewesen entstanden,  da entstanden sie ganz aus dem Allumfassenden. Und das ewige Nichtbenennbare wurde  zum Gegenständlichen, zum Fassbaren, blieb aber gleichzeitig das Nichtgegenständliche, das Unfassbare.  Das Ewige wurde zum Zeitlichen und blieb dennoch das Ewige.  Und als der Mensch mit seinem Verstand geschaffen wurde,  da fiel er aus der Ewigkeit in die Zeitlichkeit und der Verstand senkte sich wie ein Schleier zwischen ihn und das ewige Leben.  Und obwohl die ganze Schöpfung und der Mensch ganz aus dem ewigen Göttlichen  entstand, blieb es dem Menschen überlassen,  den Schleier der Trennung zwischen sich und Gott  zu heben und sich des Göttlichen bewusst zu werden,  oder aber  den Schleier der Illusion zwischen sich und dem Göttlichen zu belassen.    -  So ist es geblieben, seit der Mensch denken kann:  Das ewige Leben, das was wir Gott nennen,  ist in Allem, ob wir es erkennen können oder ob wir in Unwissenheit verbleiben.  Die ganze übrige Schöpfung lebt in Unwissenheit  und ebenso der grösste Teil der Menschheit, und sie wird dennoch von der schöpfenden Kraft geliebt. Und es kommt nicht darauf an, ob der einzelne Mensch sich  aus dieser Unwissenheit befreit,  zu einem erwachten Wesen wird,  er wird von der allumfassenden Kraft in gleicher Weise geliebt, wie die unbewusste Schöpfung. Aber wenn der Schleier des Verstande sich für den erwachenden Menschen hebt und er erkennt, dass er  Teil dieser schöpferischen Kraft ist, die Alles seit ewigen Zeiten schafft, dann offenbart sich das Ewige im Menschen, und es ist das, auf was die Schöpfung seit Anbeginn wartet, sich im erwachenden Bewusstsein des Menschen selbst zu erkennen.- Und ja, wir können nicht an Gott glauben, nicht an die zeitlose Ewigkeit, nicht an das ewige Leben in uns,  - und wir werden dennoch aus der Ewigkeit in die Endlichkeit geboren,  so wie  die ganze Schöpfung. - Und der schöpferische Geist  liebt mich in gleicher Weise, unabhängig  davon, ob ich mir dessen bewusst bin.  Denn wenn  der Mensch erwacht, dann braucht er nicht mehr zu glauben, dann weiss er, wer er wirklich ist, -  ein Wesen, aus der Ewigkeit in die Endlichkeit geboren, ganz aus dem Allumfassenden entstehend, Teil der göttlichen Wirklichkeit. Dann hat sich Glaube in Wissen verwandelt.