Montag, 27. Mai 2019

Erwartungen


In -Ein Kurs in Wundern- las ich den Satz  -Es habe uns viel Zeit gekostet zu vergessen wer wir sind. Es koste uns keine Zeit, der zu sein der wir sind.-  

Viel zu viel Zeit habe ich aufgewendet um die Erwartungen anderer zu erfüllen. Die Erwartungen von Eltern und Lehrern, Erwartungen meines Umfeldes, die Erwartungen von  Deiner nächsten Familie, von Freunden und von  den Menschen, die sich mit Dir verbinden und Erwartungen in diese Verbindung haben. Und vielleicht habe ich schon ganze Menschenleben damit verbracht die Erwartungen von anderen und von mir selbst zu erfüllen.

Dabei ist es sehr einfach zu begreifen, dass eine Erwartung nicht erfüllt werden kann. Eine Erwartung ist immer auf die Zukunft gerichtet. Zukunft ist aber etwas, was es nicht gibt. Noch niemand hat die Zukunft erlebt,  Zukunft ist ein reines Gedankenkonstrukt, es gibt nur die Gegenwart. Wenn ich auf etwas warte, was es nicht gibt, dann kann es auch nicht eintreten.  Erwartungen führen uns in die Irre, nur in der Gegenwart können wir der sein, der wir sind. Vor allem können keine Erwartungen eintreten, die ich an Andere habe, auch nicht die Erwartungen die ich für mich selbst hege.

Heute habe ich die Erwartungen als Balast der Vergangenheit weitgehend hinter mir gelassen. Ich versuche jeden Augenblick  so wahrzunehmen wie er ist. Ich nehme die Natur und meine Umgebung um mich wahr, ich nehme die Menschen wahr, die um mich sind. Vor allem aber nehme ich mich selbst wahr, mein Körper, der mir anvertraut wurde, meinen Verstand, der mich schon auf so viele Seitenwege geführt hat, aber vor allem mein Leben, das ich in mir fühle, aber auch in allem sehe was mich umgibt. Ich erfülle keine Erwartungen mehr, ich lebe nur für den Augenblick, ich bin in der Gegenwart angekommen.  Wenn ich durch mein Handeln in der Gegenwart,   auch Erwartungen anderer erfülle,  dann ist das nur eine Seitenerscheinung meines Lebens.  Wenn ich in der Gegenwart lebe, dann lebe ich in der Fülle des Lebens.  Wer in der Fülle lebt, der teilt gerne mit denen, die um ihn sind.  Das ist dann aber kein Erfüllen von Erwartungen mehr, sondern ein Teilhaben am Leben und am jetzigen Moment.

Freitag, 24. Mai 2019

Loslassen lernen


Das Alter lehrt uns das Loslassen.   Was loslassen: die Welt.  Warum sollte ich die Welt loslassen? Weil die Welt, wie sie sich in meinem Kopf darstellt, eine Illusion meiner Gedanken ist. Ein Jeder und ein  Jedes schafft sich seine eigene Welt, jeder Mensch, jedes Tier, jede Pflanze, jede stoffliche Erscheinung.  Die meisten unserer Mitmenschen werden jetzt entgegnen, der menschliche Verstand habe mit seiner Wissenschaft immer neue Dimensionen erforscht und unser Wissen sei heute in die grössten und kleinsten Dimensionen vorgedrungen.  Max Planck hat dazu einmal gesagt, all seine Forschungen und sein Wissen bauen auf dem Nichts auf und enden im Nichts.  Dem kann man nichts hinzufügen. Wenn ich loslasse, dann lasse ich die Welt meiner Gedanken los,  die Welt die nur in meinem Kopf existiert.  Loslassen heisst alles was anscheinend für mein Leben so wichtig ist, mein Name, meine Position, meine Güter, alles als das zu erkennen was sie wirklich sind, kurzfristige vergängliche Erscheinungen dieser Welt,  alle  nur in meinem Kopf geboren und der Vergänglichkeit unterworfen.  Loslassen heisst die Welt der Gedanken hinter mir zu lassen und in die Ebene der Nichtgedanken vorzustossen, in die Ebene des Nichts.  Die Ebene des Nichts ist die Ebene des Alles, aus der alles was ist fliesst.  Aus dieser Ebene entsteht diese Welt, diese Gedanken, der Kosmos, der uns umgibt. Das Nichts durchdringt diesen Kosmos,  Alles wäre nicht ohne das Nichts. 

Sonntag, 12. Mai 2019

Reichtum oder Mangel


So oft höre ich von Menschen, die mich umgeben: Ich habe nicht das erreicht, was ich mir vorgenommen habe, - mein Beruf macht mit keine Freude, ich  könnte viel mehr erreichen, - mein Leben macht keinen Sinn, nichts gelingt mir. - Menschen, die auf ihr Leben zurückblicken heben ihre Leistungen hervor, oder erklären, warum ihnen nichts gelungen ist, dass ihre Eltern schuld daran sind, wenn ihr Leben nicht so geworden ist, wie sie sich das einmal vorgestellt haben.  – Das einzige, was ich dazu sagen kann ist,  diese Überlegungen führen zu nichts. Es gibt nichts was ich falsch gemacht habe und es gibt auch nichts, was ich in der Zukunft richtig machen könnte.  Es gibt nur das was ich in diesem Augenblick mache. Ich schreibe diese Sätze und mein Leben fliesst in diese Sätze, ich bin ganz gegenwärtig. Meine Gedanken kommen aus der Stille und formen sich zu Worten.  Nur das was ich gerade mache zählt  – Wir lesen so oft vom hier und jetzt – sind das nur leere Phrasen  oder liegt in diesen Worten nicht die einzige wirkliche Wahrheit die zählt. Wir neigen dazu die Jugend zu verherrlichen,  da liegt noch das ganze Leben vor den jungen Mensche, das ganze Universum der Möglichkeiten, die das Leben bietet. Haben wir denn selbst diese Möglichkeiten genutzt?  Haben wir nicht im Alter die gleichen Möglichkeiten, wenn wir mehr über das Leben wissen und nicht unsere Zeit ohne Sinn und Verstand vergeuden?  In jeder noch so kleinsten Handlung kann ich das Leben in seiner Fülle erfahren. – Ich steige eine Treppe hinauf, ich fühle wie das Leben in meinen Beinen alles bewegt, wie dieser Mikrokosmos, der mich trägt mit mir nach oben geht, ein Wunder wenn man Wunder wahrnehmen kann.  Ich mache einen Tee,  ich fühle, wie andere Menschen die Teeblätter in den grossen Plantagen gesammelt und bis hierher geschickt haben, damit ich sie geniessen kann. Wieviel Energie in einem so kleinen Teebeutel steckt.  Ich sitze an einem Strand und esse einen Fisch. Welche gewaltigen Geschenke macht das Leben an mich, dieser Sonnentag, der Wind der über das Meer kommt,  der Mensch  an meiner Seite, der Einblicke in sein Leben gibt.  -  Wohin ich auch blicke, überall die Fülle des Lebens.   Wenn ich den Reichtum des Lebens in jedem Moment wahrnehmen kann, dann schenkt mir das Leben Reichtum ohne Ende. Dann erfüllt sich die kleinste Handlung mit Leben, kein  Beruf ist ohne Sinn, sondern reiht sich ein in das grosse Miteinander, das das Leben uns bietet.  Statt Mangel erlebe ich den Reichtum den das Leben für mich aus seinem Füllhorn über mich ausschüttet.

Samstag, 4. Mai 2019

Unsere Mütter


Ich wurde gebeten über die Frauen in unserer Familie zu sprechen. Ich blicke auf meine Mutter, was weiss ich über sie?  Aus ihrem Tagebuch erlebe ich eine junge Frau, die voller Mut und nur mit dem Nötigsten ausgestattet zum Studium  nach Berlin ging. Was weiss ich von ihren Ängsten und Nöten, was weiss ich von ihren Träumen und ihren Glücksgefühlen?   Meine Mutter gehörte einer Generation an, die den 1. und den 2. Weltkrieg erlebten. Wahrscheinlich die schlimmsten und menschenverachtenden Zeiten unseres Planeten.  Wie hat sie diese Zeiten erlebt?  Was hat ihr die Kraft gegeben zu überleben?  Im 1. Weltkrieg vielleicht die Kraft und Verbundenheit mit ihren Eltern,  im 2. Weltkrieg  die Verbundenheit und Liebe zu ihren Kindern?  Es sind unsere Mütter, die eigentlichen Kraftträger der Familien. Es sind sie, die das Überleben sichern  Haben wir ihnen die Stellung in der Gesellschaft eingeräumt, die ihnen zusteht?  Warum sind nicht sie es, die den Namen ihren Familien geben?   Ich schaue auf meine Mutter, die Grossmütter, deren Mütter, die ganze Reihe meiner weiblichen Vorfahren, wie viel von ihnen ist in mir? Welche Schicksale haben sie an mich weitergegeben, welche Liebe, welche Freude und welchen Frieden haben sie in sich gefunden?  Alles Fragen die ich im Spiegel meines Lebens wiedererkennen kann,  denn ich bin der,  der ihr Leben weiterträgt und der die Evolution des Lebens  in der kurzen Zeitspanne meines Hierseins fortführt. Ich würdige das Leben meiner weiblichen Vorfahren in dem Versuch das, was sie mir als ihren Erbteil übergeben haben  in Würde, Dankbarkeit und Liebe meinen  Nachkommen weiterzureichen.

Donnerstag, 2. Mai 2019

Die Zeit anhalten


Kann ich auf ein reiches und erfülltes Leben zurückblicken? Wann ist ein Leben reich und erfüllt?  Reich ist es wenn es voll von Momenten der Tiefe war. Tief waren die Momente, wenn ich wie eben den Schwan wahrnehme, der in der Morgenröte auf Futtersuche geht, und seine Gefährtin , die in ihrem Nest unter sich das beginnende Leben in ihren Eiern wahrnimmt. Reich ist mein Leben, wenn ich das Leben in allem wahrnehmen kann.  Erfüllt ist mein Leben, wenn ich mit wachen Augen durch das Leben gegangen bin und  das Leben so genommen habe, wie es in dem jeweiligen Moment auf mich zugekommen ist.  Wir können nicht unser Leben in Geschichten oder Bildern festhalten. Das Leben lässt sich nicht festhalten. Es ist ständig in Bewegung.  Wir können es aber wahrnehmen, weil wir es sind. Bewusst leben heisst,  immer den jetzigen Moment wahrnehmen, nicht nur die Oberfläche der Dinge sehen, nicht  sich an Dingen festhalten,  sondern loslassen lernen,  die Vergangenheit, alles was wir an Dingen geschaffen haben, alle Namen, Positionen und Titel. Alles nur eine Illusion. Was zählt ist dieser Sonnenaufgang,  das blühende Rapsfeld,  der Blick  in den Dunst über dem See.  Die Zeit verliert ihre Bedeutung als mächtiger Tyrann, wenn ich sie anhalte und das was ich wahrnehme bewusst wahrnehme, das Leben in allem erkenne, was ich sehe.  Reich und erfüllt ist mein Leben, wenn ich erwache und diesen Moment als den einzig wirklich wichtigen Moment in meinem Leben erkenne.