Freitag, 30. Dezember 2022

Die Macht des Schicksals

In der letzten Zeit stosse ich immer wieder auf Bücher, die sich mit der Geschichte des letzten Jahrhunderts beschäftigen. Ich bin in dieses Jahrhundert hineingeboren,  mitten in den Krieg, in das Jahr 1940. - Ich glaubte, immer mehr als die meisten meiner Zeitgenossen über diese Zeit zu wissen. Und plötzlich häufen sich Ereignisse, die mich an diese Zeit erinnern, so als ob ein Kapitel meines Lebens noch nicht abgeschlossen wäre. Ein inzwischen verstorbener Freund, schenkt mir ein Buch über seinen Vater Ribbentrop, in dem dessen Leben gerechtfertigt wird. Ich stiess auch auf ein Buch meiner Tante Ingeborg Breitenbuch, Das Gästehaus, in dem sie die Täter trifft, die sich dem Nürnberger Tribunal stellen mussten, unter anderen J.v. Ribbentrop, den Aussenminister des NS-Regimes.  Ein anderer Freund schenkte mir ein Buch von Jonathan Littel, Die Wohlgesinnten.  Ich konnte  dieses Buch nicht zu Ende lesen, so entsetzlich sind die Grauen, die darin geschildert werden. Meine Schwägerin schenkt mir ein Buch von Ulrich Becher, Murmeljagd, in dem es um Emigration geht, um das heimatlos werden,  und in meiner Bibliothek finde ich zufällig ein Buch, das ich immer zur Seite gelegt hatte, von Philippe Sands, Rückkehr nach Lemberg. Es ist, als ob das Schicksal an meine Tür klopft und mich an etwas erinnern will:  Du hast noch einen Teil Deines Lebens  nicht verarbeitet, es ist Zeit,  Dich auch mit Deiner Herkunft zu beschäftigen. -  Ich gehöre von meiner Geburt her mehreren Völkern an, dem deutschen und dem ukrainischen Volk, und über meine Urgrossmutter auch dem polnischen,  alles Täter- und Opfervölker. Meine Mutter hat nie über den Tod  ihrer Eltern gesprochen, die 1941 nachts vom KGB  abgeholt und ermordet wurden – ich war gerade ein Jahr alt, - das Verbrechen meiner Grosseltern, sie waren Akademiker und damit Staatsfeinde. Bis heute wissen wir nicht, wo sie begraben sind. - Meine Mutter  stammte aus Galizien, aus der Gegend von Lemberg, dem Ort, in dem die westlichen Kulturen und  die östlichen sich über Jahrhunderte friedlich trafen. Die Kirchen in Lemberg und die zerstörte jüdische Synagoge künden von der friedlichen Vergangenheit und dem Miteinander der Völker. Das Schicksal meiner Mutter zeigt den ständigen Wechsel der politischen Dominanzen, sie hatte erst eine österreichische Nationalität, dann eine polnische und zuletzt eine deutsche, niemals aber eine ukrainische.- Das Schicksal ist grausam mit diesem reichen Land Galizien umgegangen:  Die Ermordung der Intelligenz durch die Bolschewiken, die Ermordung der gesamten jüdischen Bevölkerung durch die Nazis, die Vertreibung und Umsiedlung der polnischen Bevölkerung durch Moskau, die Verschleppung und Ermordung der ukrainische Bevölkerung, - erst russische , dann deutsche Täter. Sechs Millionen Tote nur in Galizien, in Polen und der Ukraine. Und die Dämonen des Krieges waren damit nicht zufrieden. Die Täter wurden auch zu Opfern, Millionen von Toten in Russland, Millionen von Toten in Deutschland. - Und wieder ist der Krieg nach Lemberg zurückgekehrt, in die ganze Ukraine, als ob es nicht genug Tote im letzten Jahrhundert dort gegeben hätte. Und wieder werden wir erleben, wie Täter zu Opfern werden, denn der Krieg wird immer von beiden Seiten verloren,  und wieder wird es tausende von Opfern geben. Als ob die Menschen nie etwas dazu lernten, als ob die Dämonen des Krieges zu neuem Leben erwacht wären. – Ich bin vor drei Jahren nach Lemberg in das Land meiner Mutter gefahren, auch nach Kiew. Ich habe nach den Spuren meiner dortigen Identität gesucht. Ich werde auch die nicht gelesenen Bücher über die Ukraine zu Ende lesen. Denn ich werde daran erinnert, dass der Frieden, den ich 80 Jahre erleben durfte, ein Geschenk an mein Leben war. Wie können wir bloss verhindern, dass die Schrecken der Kriege in Vergessenheit geraten, und wieder Völker übereinander herfallen. Ich bin froh, dass ich die Ukraine noch im Frieden erleben durfte, und ich nehme tiefen Anteil an dem Schicksal dieses geplagten Landes  Ich fühle mich durch diesen Krieg in meiner Identität persönlich angegriffen und  betroffen, und ich muss erneut den Krieg in mein Leben lassen, den ich zuletzt in meiner Kindheit erlebte. Das Schicksal ist mächtig und voller Rätsel, und wir müssen bereit sein, uns seinen Herausforderungen zu stellen, seinen Schrecken, seinen Opfern und vielleicht ist es uns vergönnt, das Schicksal wieder zum Besseren zu wenden. 

Donnerstag, 29. Dezember 2022

Ein Frohes Neues Jahr

Die Nachrichten sind voll von Rückblicken auf das Alte Jahr und mit Analysen zur Zukunft, zum Neuen Jahr. Keinem scheint richtig klar zu sein, dass im Alten Jahr alles in der Vergangenheit liegt, nichts mehr geändert werden kann, wir allenfalls etwas für unser Leben hinzugelernt haben, und alle Spekulationen zum Neuen Jahr sinnlos, weil zukunftsgerichtet sind, und es noch niemals einen seriösen Blick  in die Zukunft gegeben hat. Die Zukunft ist als Gegenwart immer anders eingetreten, als wir sie uns vorstellen konnten. Wir brauchen auch keine Böller und Feuerwerke, um die bösen Geister zu vertreiben, die bösen Geister existieren nur in den Köpfen der Menschen, wir können sie nicht vertreiben, in dem wir noch mehr Lärm machen, als ohnehin in unseren Köpfen herrscht. Ich meine den Wirrwarr unserer Gedanken, die sich unablässig in unserem Kopf drehen, nutzlos, weil die gleichen Gedanken sich ständig wiederholen. – Wenn wir zu Besinnung kommen wollen, müssen wir die Zeit anhalten, die Gedanken in unserem Kopf zum Stillstand bringen, uns auf die Gegenwart konzentrieren und auf das, was wir gerade tun.  Dazu  brauchen wir Ruhe und Selbstbesinnung. In der Stille, die eintritt, blicken wir auf das vergangen Jahr und auf das Jahr, das vor uns liegt.  -   Was sollen wir uns zum Neuen Jahr wünschen – ein Frohes und Glückliches Neues Jahr?  Hat das Wort  froh nicht auch eine negative Seite,  unfroh und traurig, das Wort Glück auch Unglück im Gefolge? Das Eine ist nicht ohne das Andere zu haben.-  Aber da gibt aus auch andere Wünsche wie Freude,  Liebe und Frieden, die auch eine höhere Bedeutung haben, eine Bedeutung ohne eine negative Besetzung:  die Freude am Sein, am Leben, - die Liebe zur Schöpfung, zu den Menschen, zur Natur,- und den Frieden jenseits unserer Vernunft, wenn wir in den Raum der Stille eintreten, wenn wir das Rad unserer Gedanken zum Stillstand bringen . - Freude, Liebe und Frieden, das sind meine Wünsche zum Neuen Jahr, das wünsche ich allen Menschen, in Urbi et Orbi, wie man  in Rom sagt.

Montag, 26. Dezember 2022

Eine Geschichte um Weihnachten

Weihnachten habe ich meinen Enkeln die Geschichte von Christi Geburt erzählt, nicht mit den Worten der Lutherbibel, sondern eine Geschichte die für ihr kindliches Herz verständlich war. Für mich selbst war Weihnachten immer die Geburt des Lichtes, der Erkenntnis des Göttlichen im Herzen des Menschen, ein zutiefst seelisches Erlebnis. - Auf der Nachhause Fahrt las ich dann einen Artikel im Kulturteil der NZZ über den norwegischen Autor Jon Fosse über den Glauben. Er beschreibt in einem Interview, wie er zu einem gläubigen Mensch wurde, wie er über Heidegger und Meister Eckhart zum Glauben fand. Und von diesem Interview inspiriert, habe ich dann einen  Artikel gefunden, wieder bei der NZZ vom 24.12 2019 von Thomas Ribi, mit dem Titel «Gott will, dass der Mensch Gott wird», in dem der Autor,  anhand eines Bildes von Fra Angelico , eine Weihnachtspredigt aus dem Mittelalter von Meister Eckhart erläutert: In der Geburt Christi wird Gott zum Menschen und der Mensch zu Gott,  aber nicht als einmaliger Vorgang, den das Neue Testament schildert,  sondern in der Geburt eines jeden Kindes.  Ein wunderbarer Artikel, den ich mit Freude las. - Und es ist genau diese Weihnachtsgeschichte, die ich seit  vielen Jahren mir selbst erzähle, sie ist der Beginn einer neuen Zeit, in der jeder Mensch seinen göttlichen Ursprung erkennen kann, wenn er das Licht der Erkenntnis in sein Herz lässt, wenn er sich seines göttlichen Ursprungs bewusst wird.  - Weihnachten mit Kindern feiern ist  von so grosser Bedeutung, weil  wir alle Kinder Gottes sind,  Weihnachten werden wir daran erinnert. - So habe ich die Weihnachtsgeschichte gleich mehrfach erlebt, von meiner Geschichte für meine Enkel, bis zur Weihnachtspredigt von Meister Eckhart.  Weihnachten war wieder ein grosses Geschenk an mich.

Freitag, 23. Dezember 2022

Zukunft planen

«Es kommt immer anders als man denkt» - sagt das Sprichwort. So geht es uns wenn wir versuchen, die Zukunft zu planen. Jeder braucht nur sein eigenes Leben anzuschauen, was er geplant hat, und was aus der Planung entstanden ist.  Zukunftsplanung bringt selten die gewünschten Resultate – oft das Gegenteil. Die grossen Utopien der Menschheit, Sozialismus, Kommunismus – Zukunftsplanungen die in der totalen Katastrophe endeten. Zukunft lässt sich nicht planen, wir können allenfalls die Gegenwart verwalten. Aber immer wieder kommen Utopisten, die glauben ihre Ideen verwirklichen zu müssen, das einzige was sie erreichen ist Chaos und bestenfalls Stillstand. Jetzt soll die Natur gerettet werden. Grosse Planungen für die Zukunft sollen das Klima und die Menschheit retten. Die Natur lässt sich nicht planen, sie plant sich selbst, sie ist im ewigen Wandel begriffen  und hält immer neue Überraschungen parat. So hat es schon immer Klimawandel gegeben, ganze Erdteile sind verödet oder verreist, andere Erdteile, haben sich  in blühende Landschaften verwandelt. – Das Artensterben soll bekämpft werden:  Schon immer haben die stärkeren Arten andere unterlegene Arten vernichtet. Uns sind nur die grösseren Arten bekannt, die ohne Einwirkung des Menschen zu Grunde gingen, Millionen Arten sind im Lauf der Erdgeschichte verschwunden und von anderen Arten ersetzt worden.  Artensterben ist von der Natur gewollt und  unterliegt dem Gesetz des Wandels. Es gibt nur ein Gesetz, das über Jahrmillionen im Kosmos und auf diesem Planeten gilt: Alles ist im Wandel. Alles entsteht und vergeht,  nichts bleibt so wie es ist.  So sind es nicht die Utopisten, die die Welt retten, es sind die Pragmatiker, die überleben, die den Wandel beobachten, sich anpassen und  aus dem was ist, Neues schaffen. Zukunftsplanung ist eine Utopie und wie alle Utopien zum Scheitern verurteilt. Das gilt im Grossen für die Welt, und es gilt auch im Kleinen, wenn der Mensch für seine Zukunft plant.

Donnerstag, 22. Dezember 2022

Weihnachten 2022

Es herrscht Krieg in Europa. Weihnachten steht vor der Tür. Ich denke an die Soldaten, die bei eisiger Kälte in den Schützengräben aushalten müssen, an die Gefangenen von verbrecherischen Regimes in Lagern und Gefängnissen, die unterdrückten Frauen in vielen Kulturen, aber auch an die Menschen, die in weltweiter Armut leben müssen -  alle sind unsere Brüder und Schwestern, unabhängig von Religion und Nationalität. Ich wünsche allen Menschen, gerade an Weihnachten, Wärme und Zuwendung und vor Allem, dass sie nicht vergessen werden. Weihnachten ist das Fest des Lichtes, das die Finsternis durchdringt. Weihnachten ist die Geburt des reinen Kindes, als Sinnbild für den Menschen, bevor er seine Unschuld verliert. Und wenn wir Weihnachten richtig verstehen, dann ist es auch unsere eigene Geburt, an die wir uns an diesem Tag erinnern. Jeder von uns wird als dieses Kind geboren, als das menschgewordene Göttliche.  Weihnachten besinnen wir uns zurück woher wir kommen und wohin wir gehen und wer wir wirklich sind.  - Wenn wir uns mit unseren Familien versammeln, die Lichter am Baum anzünden, dann tritt Stille ein, Frieden breitet sich in uns aus, es ist der weihnachtliche  Frieden, der jenseits unsere Vernunft liegt, der göttliche Frieden der aus der Stille fliesst, und uns ganz erfüllt. In der weihnachtlichen Stille werden wir wieder eins mit dem Leben, dessen Geburt wir jedes Jahr auf das Neue feiern. Ich wünsche Euch allen diesen weihnachtlichen Frieden und vor allem wünsche ich auch den Menschen, die kein Weihnachten feiern können, dass Frieden in ihre Herzen einkehrt.

Dienstag, 20. Dezember 2022

Ehrfurcht haben

Vor der Natur habe ich Ehrfurcht, vor dem Göttlichen. Ich ehre die Vollkommenheit der Schöpfung, aber woher kommt die Furcht? Dem Göttlichen nicht gerecht werden zu können? Kann ich auch vor Menschen Ehrfurcht haben?  Nur wenn Sie dem Göttlichen nahekommen, wenn ich in ihnen die gleichen schöpferischen Kräfte wie bei Gott erkennen kann. Ich habe Ehrfurcht vor den Frauen, die neues Leben aus sich selbst erschaffen, was käme Gott näher? Ich habe Ehrfurcht vor den Kindern, vor der gewaltigen Kraft des Lebens, das sich in ihnen äussert. Vor den Menschen, die göttliche Begabungen haben, in denen ich die gleichen Kräfte erkenne, die den Schöpfergeist ausmachen. Künstlern, Poeten, Schriftstellern, Erfindern, Naturwissenschaftlern, allen, die sich über den menschlichen Verstand erheben und den göttlichen Funken des Allumfassenden in sich haben. Woher dann aber die Furcht – vielleicht das Bewusstsein, dass jeder von uns. von dem gleichen göttlichen Geist beseelt, zu wenig aus sich gemacht hat, zu selten die eigenen göttlichen Gaben in sich wahrgenommen hat? Furcht vor den Zweifeln an sich selbst, ein Van Gogh, der sich ein Ohr abschnitt, weil er an sich zweifelte? Vielleicht könnten wir uns von dem Zweifel befreien, wenn  wir uns klar machten, dass jeder einzelne von uns, ein vollendetes Kunstwerk der Schöpfung ist, ein Gedanke Gottes, der sich in uns verwirklicht hat? Vielleicht wenn wir ein wenig mehr Ehrfurcht vor uns selbst hätten, vor dem vollendeten Göttlichen in uns?  Furcht könnte der Wegweiser aus dem Zweifel sein,  um das zu ehren was vollendet ist,  das was sich in allem zeigt und in uns selbst zu Hause ist, das Unnennbare, das Ewige.   Verzweiflung ist das Zurückfallen in die Dunkelheit unseres Unwissens, ein Fehlen von Ehrfurcht vor der gewaltigen Schöpfung, deren Teil wir sind. So hat das Wort Ehrfurcht eine Bedeutung, die den Weg des Menschen beschreibt, der Zugleich Ehrung der Schöpfung sein kann, aber auch Furcht vor der Dunkelheit unseres Nichtwissens.

Sonntag, 18. Dezember 2022

Vornamen

Wenn ich auf Taufen über die Namen der Kinder nachdachte, dann sagten mir diese viel über die Eltern, waren das Modenamen oder waren die Eltern seelisch mit ihrem Kind so verbunden, dass sich das Kind selbst seinen Namen geben konnte. Oft habe ich bei den Vornamen ein Lebensprogramm der Kinder entdeckt, dass  intuitiv  von den Müttern erahnt wurde. Meine Mutter gab mir  zwei Namen, die der tief gläubigen  orthodoxen Tradition entstammten. Christian,  der Christliche oder Christos, der Reine, der Gesalbte. Ich habe diesen Namen auch als Lebensprogramm gesehen, als Identität für meinen Weg. Je länger ich über diesen Namen nachdachte, desto mehr verstand ich, dass der Name nicht eine Religionszugehörigkeit bedeutete oder ein Heilsversprechen, sondern dass der Mensch Jesus wollte, dass jeder Mensch sich seiner Christusnatur bewusst werden sollte, dass jeder Mensch Gottessohn ist, Teil des menschgewordenen Göttlichen. Meine Namensgebung war auch ein Lebensprogramm, der Weg durch eine  scheinbar gottlose Welt, als verlorener Sohn des göttlichen Alles, zurück in das allumfassende Sein.  Und auch mein zweiter Name Bohdan, der Gottgegebene, deutet in die gleiche Richtung, aus dem Göttlichen an die Welt gegeben, zwei Menschen in einem, ganz der Welt angehörend und ganz ewiges Sein. Der Name als  Lebensprogramm hat mich auf meinem Weg hinaus in die Welt begleitet, mich nie verlassen, auch in den dunklen Stunden des Vergessens nicht, als ich nur noch die Welt sehen wollte und das Leben in mir vergass. Die Zurückgewinnung des Seins, die Erkenntnis, dass wir mit unseren Sinnen nur die Welt erfassen, und unser kleiner Verstand nur einen winzigen Teil der Wirklichkeit zeigen kann, das ist der Durchbruch zum eigentlichen Ich, das grösste Geschenk, das mir das Leben machen konnte, mich wieder zurückzunehmen in das Allumfassende, der Verlorene Sohn ist zurückgekehrt. Ein ganzes Lebensprogramm in zwei Namen. Es lohnt sich seinen Namen genauer anzuschauen.

Donnerstag, 8. Dezember 2022

Die Rückkehr ins Paradies

In der Mythologie lebten die ersten Menschen im Paradies.  Erst als sie die Früchte vom Baum der Erkenntnis  assen, mussten sie das Paradies verlassen. Sie fielen aus der Einheit mit der Natur, der Einheit mit ihrem Schöpfergeist, und ihr Verstand erwachte.  Der Zweifel war geboren, sie hatten das Paradies verlassen.-  Wenn ich mich hier im Südbereich des Amazonasbecken von Natur umgeben sehe, glaube ich ins Paradies zurückgekehrt zu sein. Die Natur, die Tiere und Pflanzen, der gewaltige Urwald, die Sonne und der Regen, selbst die Berge und die Wolken, alles ist voller Leben, voller Schöpfergeist, ich scheine ins Paradies zurückgekehrt zu sein. Aber dann fällt ein Schatten auf das Paradies, mein Verstand, seine Zweifel : Gibt es das überhaupt, einen Schöpfergeist, eine Einheit mit der Ganzheit des Seins?  Warum versuche ich  Allem einen Namen zu geben, alles einer Wissenschaft zu unterwerfen, zu kategorisieren?  Warum mache ich es nicht wie die Tiere und Pflanzen, die der Kraft des Lebens folgen und einfach sind?  -  Als die Menschheit ihre ersten Schöpfungsmythen schufen, da war es dieser Zweifel, den sie entdeckt hatten. Die Ursünde Zweifel die sie erfüllte. Und sie sehnten sich zurück aus der Zweiheit des Zweifels, zurück in die  Einheit und die Unschuld der Natur. Seitdem ringen wir mit unserem Verstand, der sich zwischen uns  und die Natur gestellt hat, zwischen den Menschen und zwischen den Schöpfergeist.  Aber hier  mitten in einer Landschaft, die von der Schöpfung geschaffen wurde und  in der die Spuren der Menschen zu sehen sind, die in dieser Natur leben, werden wir immer wieder überwältigt von der Vollendung der Schöpfung. Jeden Morgen, wenn die Sonne aufgeht, die Natur erwacht, die Stimmen der Tiere zu hören sind, hört mein Verstand auf zu denken. Ich fühle mich eins mit dem was mich umgibt, als Teil dieser Schöpfung. Ich habe den Denker in meinem Kopf  zum Schweigen gebracht, ich bin in die Einheit zurückgekehrt, in das Paradies, das nicht in einer unerreichbaren Ferne liegt, sondern mitten um uns und in uns. Das ist das, was ich  hier gelernt habe, und warum mir dieser Platz  so lieb und teuer ist,  ein kleiner Ort, am Araguaia, wo ich das Paradies wieder entdeckte.


Mittwoch, 7. Dezember 2022

Leben mit der Natur

Immer wieder bin ich vom Reichtum der Natur überwältigt, die mich am Fluss Araguaia, im Süden des Amazonas Becken, empfängt. Ob ich will oder nicht, ich fühle mich hier reduziert auf einen Teil der Natur. Der gewaltige Fluss der seit Millionen von Jahren  an der Fazenda vorbeifliesst, die ursprünglichen Wälder, deren Bäume noch die Zeit des Mittelalters  kennen, Pflanzen und Tiere die uns umgeben. Hier fühle ich mich als Teil der Natur, nicht als Mensch, der von aussen auf die Natur blickt. Die Natur ist nicht nur das, was wir als Menschen sehen, hören und fühlen können, denn das hiesse, zu glauben, dass es nur eine Wahrnehmungsebene gäbe, die des Menschen auf die Natur.  Jedes Lebewesen hat eine andere Sicht auf die Natur, die Ameise oder der Vogel sehen eine andere Natur, als der Mensch sie sehen kann. Unser Blick auf die Natur vertieft sich, wenn uns bewusst wird, dass wir eins  mit allen Wesen gemeinsam haben, auch mit den scheinbar toten Dingen, - die Essenz des gemeinsamen Seins, das innere Leben, das alles erschafft, entstehen und vergehen lässt, alles erfüllt, bis hin zu unserem Planeten und den ganzen Kosmos. -  Wie die Indios, die hier noch vor 70 Jahren lebten, höre ich den Fluss mit mir sprechen. Es ist nicht das Rauschen das spricht, sondern es ist die Stille, die die hinter den Stimmen der Natur hörbar wird, die Bäume sprechen durch Stille, die Felsen und Katarakte singen ihr stilles Lied. Die Natur spricht nicht mit Worten, sie spricht mit der Stille, die sie erfüllt. Stille ist die Sprache Gottes, mit der er zu uns spricht, wir müssen nur wieder hören lernen.-  Es ist die Stille, die die Naturvölker empfunden haben, wenn sie am Ufer dieses Flusses standen und dem geheimnisvollen Raunen der Wasser lauschten. -Mein Freund Paulo Viheira hat diese Stille in einem Fries eingefangen, das das Leben der Urbewohner schildert. Paulo hat den früheren Menschen ein Denkmal gesetzt, als er ihr Leben und ihr Einssein mit der Natur, in seinen Bildern schilderte.   Ich hoffe die Bilder bleiben erhalten, als Erinnerung an Menschen, die noch in der Einheit mit der Natur lebten, und die in der Stille die Sprache Gottes verstanden.

Freitag, 2. Dezember 2022

Geschenke des Lebens

Wie vielfältig das Leben auf uns zukommt. Ich bin auf der Fazenda mitten in der Natur. Wohin ich auch blicke sehe ich Leben. Der Regen der uns hier täglich begleitet bringt Leben, die Tiere um uns,  die Weiden, die aus dem Regen neue Kraft schöpfen, die Brüllaffen, die den Regen begrüssen, alles atmet Leben.  Es ist unser Blick, der uns das Leben erkennen lässt, und es ist der gleiche Blick, der in Allem auch die Vergänglichkeit sieht. Wer in allem das Leben sehen kann, sieht das Göttliche, das Ewige, wer überall Vergänglichkeit und Ende sieht, der blickt auf die Welt in ihrer Endlichkeit.  – Ich habe immer versucht das Wunder des Lebens zu sehen, auch in den Zeiten,  in denen  ich noch als Kind an den Folgen des Krieges litt, an den Krankheiten, dem Mangel, den Entbehrungen. Immer hat das Schicksal,  mitten aus dem Chaos der Nachkriegszeit,  einen Weg in die Zukunft gezeigt, und immer wieder kam ich gestärkt aus jeder Krise.  Geholfen hat mir die Liebe meiner Eltern, die Verantwortung, die ich für meine Brüder fühlte und jeder Tag, der mich lehrte, dass oft der Weg durch die Not, auch ein Weg des Lebens ist. - Die wunderbaren Menschen, die mich auf meinem Weg durch das Leben begleiteten, alle ein Geschenk des Lebens an mich, und ich versuche dieser Geschenke würdig zu sein, den Kindern, die mich so viel gelehrt haben, die mich noch immer begleiten und an meiner Seite sind, die Frauen, die mir so viel von ihrer Liebe und Energie geschenkt haben,  die Freunde mit denen ich durch das Leben ging, und die immer weniger werden, und ich versuche allen, so viel wie ich kann, zurückzugeben. Es ist eine grosse Weisheit, dass wir nicht nur Geschenke erhalten, sondern auch Geschenke zurückzugeben haben. Alles was mir Menschen schenken, erfordert ein Gegengeschenk und wir müssen genau hinschauen, um das richtige Gegengeschenk zu  finden. Wenn mir ein Mensch sein Leben schenkt, dann schenke ich ihm mein Leben, meine Zuneigung und meine Hilfe. Alles was das Leben mir schenkt, gebe ich auf  meinem Weg zurück. Und wenn ich alles richtig mache, verlasse ich diese Welt im gleichen Zustand, in dem ich sie betreten habe und es ist dann, wann ich mein reichste Geschenk zurückgebe, mein Leben.

Dunkle Momente

Wie viele Menschen erreichen in ihrem Leben einen Moment, in dem sie nicht mehr weiter wissen. Vielleicht ist die gesamte Menschheit an einem  solchen Moment angelangt. So wie wir als einzelne Menschen, mit all unserem Wissen und Können oft an einen Punkt kommen, wo wir kein Licht mehr sehen, das unseren Weg erleuchtet, geht es der ganzen Menschheit, die nicht mehr wissen, wie es weiter geht mit dieser Welt, in der wir leben. Meine Erfahrung sagt mir,  immer wenn es am Dunkelsten ist, dann ist das Licht ganz nahe. Beim einzelnen Menschen der in Dunkelheit und Depression verfällt und nicht mehr weiss, wie es weitergeht, da ist die Lösung direkt vor ihm. Es sind nicht die Psychologen die ihm helfen können, es ist das Licht des Lebens, das ihm hilft, wenn er den Vorhang der dunklen Gedanken beiseite zieht und das Licht in sich hineinlässt. Wer nicht die Kraft hat, den Vorhang aufzureissen, dem wird das Leben zur Hilfe kommen. -  Wer in seinem Haus  die Läden schliesst und in der Dunkelheit nicht mehr weiss,  wie die Läden geöffnet werden,  verzweifelt und findet nicht mehr das grösste Geschenk des Lebens, das Licht. Wenn wir glauben, es geht nicht mehr, die Depression uns in die Dunkelheit reisst, dann sollten wir uns erinnern, dass hinter der Dunkelheit, das Licht wartet, und jeder Weg aus der Dunkelheit wieder ins Licht führt. Es ist das Licht des Lebens, das uns in diese Welt geschickt hat und uns wieder aufnimmt, wenn wir am Ende unseres Lebens angelangt sind.  Dunkelheit ist nur der Träger des Lichts, sie verschwindet, wenn wir die dunklen Gedanken in unserem Kopf anhalten und das Licht in unser Leben lassen. Dunkelheit ist die Unbewusstheit in uns, und auch in der Mehrheit der Menschheit. Es ist diese kollektive Unbewusstheit, die uns die Kriege bringt, die Krisen der Welt, die Krankheiten, den Tod. Es ist diese Unbewusstheit die Jesus ausrufen liess:  Vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun. – Das war vor 2000 Jahren und es scheint sich wenig geändert zu haben. Die Menschheit verharrt in ihrer Unbewusstheit und findet nicht zurück in das Licht.

Sonntag, 27. November 2022

Krankheitssymptome

Die jungen Menschen haben recht, wenn sie auf den Zustand der Welt hinweisen. Die Welt ist krank, vergiftet, zugemüllt und mit ihr auch der Mensch. Sie weisen auf die Symptome  hin,  weniger auf die Ursachen. Umweltkongresse finden statt und, wie in der Medizin, werden nur die Symptome besprochen, und wie bei Kranken ist der Wille, die Ursachen zu behandeln, gering. Die eigentliche Krankheit liegt im Kopf des Menschen.  In der Vermüllung des Verstandes durch  den Lärm der Welt, durch Fernsehen, Reklame,  dem ständigen Wunsch nach Mehr in allen Bereichen ,wie Konsum, Geld, Beruf, Position, Ansehen,  in  der Vergiftung  der Köpfe durch staatliche Propaganda, Medien, Falschinformationen.  Das alles  hat den  Menschen zu einem Zombie gemacht, der blind und schon  halbtot durch die Welt taumelt. -  Jede Gesundung der Menschheit muss im Kopf ansetzen, an der Heilung einer gefährlichen Geisteskrankheit, die die Menschheit  wieder einmal an einen Abgrund geführt hat. - Als ich geboren wurde, stand die Menschheit an einem solchen Abgrund, die halbe Menschheit war an Ideologien erkrankt, die Folge, Millionen von Toten. Und wieder  ist eine neue Krankheiten ausgebrochen, die entwickelten Nationen, in ihrem Streben nach Mehr, beuten  die Welt aus, vergiften sie durch ihre Industrien und gehen an ihrer hemmungslosen Fresssucht und Gier allmählich zu Grunde. Menschliche Werte, wie Verantwortung, Nachdenken,  Miteinander, Hilfe,  werden gering geachtet und in die unfähigen Hände des Staates gelegt. Kant würde sagen, die Menschheit ist wieder in eine selbstverschuldeten Unmündigkeit abgestiegen. – Heilung gibt es nur, wenn der einzelne Mensch erwacht, wieder die Verantwortung für sein Leben übernimmt und dabei nicht den Blick für den anderen verliert. Wenn er alle Lärmquellen um sich abstellt, wieder Stille in sich eintreten lässt und in  ein bescheidenes, selbstbestimmtes Leben eintritt. Ich habe nach dem letzten Weltkrieg eine solche Phase der Selbstbesinnung erlebt, als die verhungerten und tief verletzten Menschen wieder neue Kraft gewannen.  Die Menschen in der Ukraine wissen von was ich spreche, wenn sie Kälte, Hunger und Krieg erleben und für die Werte des Lebens kämpfen. Wenn wir zur Selbstreduzierung gezwungen werden, wenn wir um unser täglich Brot bitten müssen, wenn der Strom fehlt und es um das nackte Überleben geht,  dann fangen wir an, uns zu erinnern, wer wir auch sind,  Wesen von der Natur erschaffen und verpflichtet diese Welt zu erhalten und mit ihr alle Mitmenschen, die Natur mit ihren Lebewesen, und vor allem die Grundlagen, die Leben überhaupt ermöglichen.  – Aber wir brauchen anscheinend immer wieder den Absturz in die Krise, um zu gesunden. Es muss noch viel schlimmer kommen, bevor wir aufwachen und wieder unser Schicksal in eigene Hände nehmen, wieder anfangen verantwortlich zu denken . Die Krankheitssymptome mehren sich, aber nur die jungen Menschen scheinen zu ahnen, was ihnen bevorsteht. Es reicht nicht mehr die Symptome zu behandeln,  wir müssen zu den  Ursachen vorstossen, zu unserem Verstand,  der Segen und Fluch sein kann, und im Augenblick in einem tief kranken Zustand ist.

Mittwoch, 23. November 2022

Zurück zur Natur

Zu allen Zeiten wurde der Weltuntergang prophezeit. Wir sollten besser vom Untergang der Menschheit sprechen. Wenn wir heute von Klimakrise reden, vom hemmungslosen Ausbeuten der Natur, des Landes, der Meere, so ist das ein Erwachen der Menschheit aus der Vorstellung, die Natur wäre nur da, dem Menschen zu dienen. Der Mensch ist nur Teil der Natur, der Schöpfung, des Planeten und unterliegt deren Gesetzen. Aus menschlicher Sicht scheinen diese Gesetze grausam zu sein: Alle Lebewesen dienen sich gegenseitig als Nahrung, die stärkere Pflanze verdrängt die schwächere Pflanze - ohne den Eingriff des Menschen, wäre die Welt heute weitgehend von Wäldern bedeckt, es gäbe keine Wiesen, keine Blumen mehr. Nur der Mensch erklärt die Zustände der Natur als gut oder schlecht. Die Natur kennt nicht diese Unterscheidung, eine höhere Intelligenz ist in der Natur am Wirken und entscheidet auch über das Schicksal der Spezies Mensch. Wenn die Ressourcen der Welt nicht mehr reichen, die Menschheit zu ernähren, dann wird nur der Mensch untergehen, nicht aber die Welt oder die Natur. Auch das ist weder gut noch schlecht.  Der Mensch übersieht, dass die ganze Natur ein lebender Organismus ist, ausgestattet mit einer eigenen Intelligenz, die den kleinen Verstand des Menschen bei Weitem übertrifft. Wenn diese höhere Intelligenz den Menschen als Fehlentwicklung begreift, dann beschliesst sie seinen Untergang.- Es scheint aber ein Wandel im   Verständnis des Menschen einzutreten, was Natur bedeutet. Teile der Menschheit begreifen sich wieder als Teil der Natur, nicht als Einzellebewesen, die nur am eigenen Überleben interessiert sind. -- Welche Auswirkungen  wird es haben, wenn grosse Teile der Welt unbewohnbar werden, weil das Klima sich verändert?  Wenn es nicht mehr genügend Nahrung gibt, um 8 Milliarden Menschen zu ernähren? Wenn sich Menschenströme in Bewegung setzen, um in noch bewohnbare Gebiete des Planeten zu gelangen? Was wenn Land und Wasser  nicht mehr genug Nahrung bieten, die Luft zum Atem weniger wird,  welche Folgen wird das haben?  Die Natur stört es nicht, wenn die Nahrungsgrundlagen einer Spezies zu Ende gehen. Die Welt wird für den Menschen unwirtlich, die Folgen können wir noch nicht absehen. Die Welt wird sich weiter wandeln, und  es wird Neues entstehen, so wie in den Millionen Jahren vor dem Entstehen der Menschheit. Die jungen Menschen sprechen von einer letzten Generation. Soweit sind wir noch nicht,- aber zu glauben, wir könnten mit Demonstrationen das Klima und  die Welt retten, scheint utopisch. - Wir könnten  damit beginnen,  in den Schulen den Blick für die Natur zu öffnen,  ein neues Bewusstsein zu entwickeln, wenn wir etwas für die Erhaltung der Spezies Mensch tun wollen,  - die Erkenntnis vermitteln, dass Natur nicht uns dient, sondern wir, als Teil der Natur, uns so verhalten müssen, dass die Lebensgrundlagen auch für künftige Generationen erhalten bleiben.

Sonntag, 20. November 2022

Nur ein Stein

Meine Enkel haben mir vom Strand einen runden Kieselstein mitgebracht.  Er ist rund und abgeschliffen. Was für ein wunderbares Geschenk, sage ich. Und ich meine auch, was ich sage. Schon seit Beginn der Schöpfungsgeschichte existiert dieser Stein. Vielleicht noch nicht in dieser Form, die er erst nach Millionen Jahren durch die Bewegung des Meeres erhalten hat.  Welche Kostbarkeit, die eigentlich in ein Museum gehört, aber dort werden nur Gegenstände verwahrt, die viel jüngeren Datums sind. Und schon hat mich der Stein in seinen Bann gezogen. Ich fühle das, was mich mit dem Stein verbindet.   Aber etwas in mir öffnet den Stein, dieses seit ewigen Zeiten so feste und sichere Werk der Natur.  Ich fühle die gleiche Substanz im Stein, wie in mir, die Ewigkeit, den Raum, der diesen Stein erfüllt, die Energie, die Atome, die in ihm ihr Werk tun.  Die anscheinend tote Materie fängt an zu leben, es ist das gleiche Leben, das mich erfüllt, nicht mit meinen Sinnen erfahrbar,  nur mit meinem inneren Gehör. Es ist die Stille, die aus dem Stein zu mir spricht, das Ewige, das mich und den Stein erfüllt, das gleiche Leben, das den Stein und mich geschaffen hat. Die Natur ist in Form eines Steines zu mir gekommen und erinnert mich daran, wer ich bin. Welch wunderbares Geschenk, dieser Stein, welche Verbundenheit in mir entstanden ist. 

Freitag, 18. November 2022

Dem Gefängnis entkommen

Sobald wir anfangen zu denken, fangen wir an zu lernen, Wissen anzuhäufen, Ideen zu entwickeln und plötzlich hat unser Verstand die Regierung über unser Leben übernommen. Ich kenne nur wenige Menschen, die der Herrschaft ihres Verstandes entkommen können. Der Verstand entwickelt  Theorien, Dogmen, Wissen, er will immer mehr und mehr. Eine innere Stimme sagt uns, ich bin das einzige Wichtige in Deinem Leben, ich bestimme Dein Leben, ich bin Dein Herrscher. Wir merken gar nicht, dass der Verstand uns in ein Gefängnis steckt, das uns die Sicht auf die Freiheit versperrt, auf die Freiheit, mit der wir zur Welt gekommen sind, auf die Freiheit des  Lebens, die wir nur erfahren, wenn wir uns aus den Fesseln des Verstandes befreien.  Wir brauchen nicht in den Osten zu pilgern, um wieder zu lernen, mit der Stille zu leben,  auch kein Yoga zu betreiben, um uns  vom Diktat des Verstandes zu befreien.  Es genügt, wenn wir uns neben uns stellen, uns beobachten und zu sehen, dass das Rad im Kopf  langsamer wird, ganz zum Stillstand kommt, und wie aus der Leere plötzlich  das Leben  sichtbar wird, das uns erfüllt und alles erfüllt das um uns ist. Und es ist das,  was wir wieder lernen müssen,   zu sehen, wie Alles mit Allem verbunden ist, das nichts so ist wie es erscheint, wir ein Teil eines  nicht mit menschlicher Intelligenz erfassbaren Ganzen sind, ein Teil  der göttlichen Energie, die alles erfüllt. Wenn wir innehalten, uns ganz auf uns selbst konzentrieren, oder auf das was wir gerade tun,  fallen alle Gedanken von uns ab,  der Verstand kommt zum Stillstand,   wir sind dem Gefängnis unserer Gedanken, den engen Mauern unserer Gedankenwelt entkommen.   Es tritt Stille ein und Weite, und wir öffnen uns dem Leben.

Sonntag, 13. November 2022

Ein Sonntagmorgen

Wenn wir älter werden, brauchen wir weniger Schlaf. Oft wache ich  früh auf. Es ist die Stunde der Meditation. Es ist still draussen und es ist still im Inneren.  Es ist die Stille, aus der Gedanken fliessen, die nicht vom Verstand entwickelt werden. Erst wenn sich ein Fenster öffnet kommt ein Gedanke, der es wert ist, weiter verfolgt zu werden. –  Wenn wir uns die Weisheitslehren ansehen, dann bestehen diese Lehren aus wenigen Gedanken und  doch werden dicke Bücher über das Wenige geschrieben. Nicht umsonst sind die Worte Leere und Lehre so ähnlich - Das gilt auch für alle Buchreligionen, sie bestehen aus nur wenigen ewigen Weisheiten, in wenigen Sätzen zusammenfassbar. Aber Weisheiten die nicht in immer neue Gleichnisse verpackt werden, sind für die meisten Menschen kaum verständlich, und so wird das Wenige in viele Worte verpackt. - Ich stelle mir manchmal vor, ich wäre ein Pfarrer und müsste meine Sonntagspredigt schreiben. Es stehen mir nur wenige Wahrheiten zur Verfügung. Jeden Sonntag müsste ich diese Wahrheiten in andere Worte kleiden. Und manche dieser Wahrheiten lassen sich kaum in Worte fassen. Wer kann schon über das Nichts und über die Stille schreiben?  Aber wenn die Worte aus der Stille fliessen, werden sie Welt, und  wenn die Welt aus dem Nichts entsteht,  erhält die Welt und die Worte für den Menschen einen Sinn. Wir vergessen nur oft woher die Welt und wir selbst und die Worte, die wir sprechen ihren Ursprung haben, woher sie kommen und wohin sie gehen. – Als ich heute morgen meine tibetische Meditationsübung machte, meine  Chakren in Bewegung zu setzen, fiel mir auf, dass ich immer bei der Erde, meinem Wurzelchakra beginne und dann aufsteige, bis ich im Kronenchakra im Himmel ende, - jeden Morgen, mit wenigen Drehungen meines Körpers das ganze Leben darstellen. Ein schöner Sonntagsbeginn und eine Predigt, die aus den Bewegungen meines Körpers um sich selbst besteht. Die Bewegung, ganz aus dieser Welt und der Geist mit dem Himmel verbunden. Welch tiefe Einsicht in das Geheimnis des Lebens.

Sonntag, 6. November 2022

Horchen und Hören

In der benediktinischen Ordensregel ist das Horchen eine der wichtigsten Vorschriften. Das Horchen ist die Vorstufe zum Hören, ich versuche etwas zu hören, was ich noch nicht hören kann. Gemeint ist nicht, das was die Welt unter hören versteht, es ist nicht die Musik, die ohne Unterlass aus den Ohrstöpseln dröhnt, die so viele Menschen heute tragen, nicht die Geräusche der Fernseher, die Tag und Nacht laufen. Es sind auch nicht die Gedanken im Kopf, die, ohne Laute, sich von früh bis spät in unserem Kopf bewegen. Dieses Hören, ist nicht gemeint. - Wir müssen nicht in ein Kloster eintreten, um das Horchen zu erlernen. Es reicht, wenn wir in die Natur gehen und  den Tönen der Natur lauschen, dem Rauschen des Windes in den Blättern, dem Zwitschern der Vögel, und wenn es gelingt, die Stimme in unserem Kopf zum Schweigen zu bringen, die, mit ihren unablässigen Gedankenströmen, das wirkliche Hören verstellt,  fangen  wir an, die leisen Töne zu hören. Wir müssen das Horchen wieder erlernen, erst die sanften feinen Töne der Natur und am Ende, das Horchen auf die Stille.-  Die Mönche in früheren Jahrhunderten haben die Litanei benutzt, die ewige Wiederholung von Worten und Gesängen, um die Welt der Gedanken zum Stillstand zu bringen. Ob das der richtige Weg war, wissen wir nicht – eins wissen wir, am Ende sollte die Stille stehen, die Stille in der Klosterzelle, in die sich der Mönch zurückzog, die Stille im Kopf, wenn die Töne verklungen waren. - Heute suchen wir die Stille in der Natur, in der Meditation, in Yogaübungen, in denen wir die Gedanken abschalten und uns auf unser Tun konzentrieren. Der Mensch scheint intuitiv zu wissen, dass die Stille zum Wertvollsten gehört, das wir besitzen. Und wir horchen, nicht um Töne zu hören, sondern um Stille zu hören. Wieder eine dieser paradoxen Wahrheiten, die unser Leben begleiten.  -Stille enthält  jeden Ton, jedes Wort, jede Weisheit, -  alles kommt aus der Stille, wird zu Energie und Leben und kehrt in die Stille zurück. - Die Buddhisten  verwenden die Klangschale, der Ton erklingt und kehrt in die Stille zurück. Ein wunderbares Symbol für das Leben, das aus dem Raum und der Stille entsteht, anschwillt und  vom ewigen Raum wieder zurückgenommen wird. Wenn wir lernen wollen zu hören, dann sollten wir uns vielleicht eine Klangschale besorgen. Sie zeigt uns im Klang,  wie  Leben entsteht und vergeht. Sie zeigt uns das Ziel des Horchens,  das Horchen auf die Stille - und wenn die Stille eintritt, dann hören wir die ewigen Wahrheiten  des Lebens: -   Es ist die Stille, aus  der Gott spricht und der ewige Raum aus dem Leben entsteht.

Ich schreibe dies in ersten Stunden des Tages, die Morgenröte kündet den Tag,  vor mir liegt das Meer und ich höre das sanfte Rauschen der Wellen. Ich kann mir keinen besseren Platz vorstellen, für meine morgendliche Meditation. Die Stille ist hier ganz nahe – ich kann sie hören.


Donnerstag, 3. November 2022

Ein Blick in die Vergangenheit

Wenn wir älter werden, richtet sich unser Blick häufiger in die Vergangenheit. Dabei ist es durchaus zweifelhaft, ob es  eine objektive Vergangenheit gibt. Es gibt den Blick auf die eigene Vergangenheit und es gibt den Blick des Umfeldes, auf meine Vergangenheit,  von  Kindern, Freunden und Bekannten. Jeder verfügt nur über Bruchstücke meiner Vergangenheit, die er in seinem Gedächtnis festgehalten hat – eine objektive Gesamtschau einer Vergangenheit wird es daher niemals geben, auch nicht der eigenen Vergangenheit. So erscheint die Vergangenheit  nur  als ein Gedankenkonstrukt, das mit den tatsächlichen Gegebenheiten zu einer vergangenen  Zeit wenig zu tun hat. - Auch über die Zukunft brauchen wir nicht zu sprechen, es ist nicht nur  der ältere Mensch der keine Zukunft mehr hat. Es hat noch nie eine Zukunft gegeben hat, es gab immer nur die Gegenwart, das Jetzt  und die Vergangenheit, die   vielleicht länger zurückzuliegen scheint, war auch  nur das Jetzt  in der damaligen Gegenwart, das  sich in jeder Sekunde nur durch ein neues Jetzt fortsetzte. So ist der  Blick in die Vergangenheit trügerisch und bringt uns kaum eine Erkenntnis, was Vergangenheit früher war. -  Natürlich gilt das gleiche auch für die Geschichtsschreibung, - selbst wenn wir die Summe aller Geschichtsschreibungen addieren, wird kaum etwas zustande kommen, was der damaligen Wirklichkeit entsprechen würde und nichts, was wir als Geschichte bezeichnen könnten. -  Natürlich glaube ich, über mich selbst etwas aussagen zu können. Aber kann ich da von Objektivität sprechen, vielleicht blickt mein Umfeld mit ganz anderen Augen auf mein Leben, und muss ich nicht auch das berücksichtigen, was die Anderen über mich denken, und wie sie mein Leben sehen? Könnte die Summe aus meiner Sichtweise und  der Sichtweise meiner Umgebung sich zu einem objektiven Bild meines Lebens zusammenfügen lassen? – Aber wie soll ein Anderer meine Motivation kennen, wie soll er deuten, warum ich mich so und nicht anderes verhalten habe? – Zweifel über Zweifel. - Die Geschichte meines Lebens scheint eher einem Märchen als der Wahrheit zu entsprechen. So scheint es allen reflektierenden Menschen zu allen Zeiten gegangen zu sein. - Wenn ich an den Sinnspruch des Orakels von Delphi denke: «Mensch erkenne Dich selbst!» dann scheint es mir um eine Aufforderung zu gehen, die der Mensch nicht erfüllen kann:  Er kann sich nicht erkennen oder als Paradoxon: Er erkennt, dass er sich nicht erkennen kann. -  Und so wie dieser Spruch über dem Eingang zur Wahrheit stand, so sah auch ein Orakelspruch aus, den ein Besucher erhielt:  Es wurde keine eindeutige Wahrheit verkündet -  Die Wahrheit lag in der Vieldeutigkeit des Orakels. – Natürlich ist die nächste Frage, die ich mir zu meiner Vergangenheit stelle, welches waren wichtige Momente in meinem Leben?  - Vielleicht der Moment, als sich mein Blick nicht mehr so sehr auf  die Welt ausserhalb von mir richtete, sondern in die Welt in mir?  Das wäre dann der Blick auf meine physische Existenz, auf die Welt der Energie, die Welt des ewigen Wandels, der Bereich in mir,  den meine Sinne erfassen können. - Aber dann auch der notwendige Schritt in die Wahrnehmung dessen,  was nicht von den Sinnen erfasst werden kann, die Stille in mir, der Raum in mir. Und dann die Erkenntnis, dass ich das Nichtexistierende in mir nur wahrnehmen kann, weil ich existiere, dass ich vielleicht nur geschaffen bin, weil das  ewige  Nichtwahrnehmbare durch mich wahrnehmbar wird – dass das Nichtexistierende, das was wir Gott  nennen  und der Mensch ineinander fliessen, das Eine ohne das Andere nicht sein kann. -  Wahrscheinlich ist der Moment dieser Erkenntnis der wichtigste in meinem Leben gewesen.  Vielleicht ist das der Moment der Erleuchtung, der Moment in dem wir die Bedeutung des Satzes verstehen  - Erlöse uns von dem Übel -  von der Vorstellung, wir wären nur Welt und nicht das grenzenlos Ewige, und die Vorstellung, es wäre da noch ein Gegenüber,  an den wir diese Bitte richten könnten. -  So ist wahrscheinlich der grösste Moment in meinem Leben,  als ich begriffen habe, dass Leben oder Gott in allem enthalten ist, was existiert, und dass  meine Existenz mit dem  Göttlichen Sein  identisch ist,  dass Welt und Gott in mir und in Allem um mich, eins sind, das eine ohne das andere nicht denkbar. – Ich sollte häufiger einen Blick in die Vergangenheit werfen, das Leben erhält dann eine ganz andere Dimension.

Freitag, 21. Oktober 2022

Zeit und Ewigkeit

Wenn ich in meinen Blog das Suchwort Zeit eingebe, dann sehe ich wie oft mich schon die Zeit beschäftigt hat. Ständig denken wir an die Zeit, wir tragen unsere Termine ein, wir haben nie Zeit, Zeit verfliegt – alle beschäftigen sich mit der Zeit, und fast niemand beschäftigt sich mit der Ewigkeit. Shakespeare nennt die Zeit einen elenden Tyrannen. Als Menschen  berechnen wir die Zeit und versuchen die Zeit als Begriff zu bestimmen. – Es lohnt sich aber einen genaueren Blick auf die Zeit zu werfen. Ist die Zeit wirklich das Gegenteil von Ewigkeit?  Könnte es auch sein, dass Zeit nur ein menschliches Gedankenkonstrukt ist,  das uns den Blick auf die Ewigkeit verstellt? Gehen wir einmal zur kleinsten vorstellbaren Zeiteinheit,  ich meine nicht die Bruchteile  einer Sekunde, sondern zum jetzigen Moment. Plötzlich stellen wir fest, dass unser ganzes Leben aus jetzigen Momenten besteht, ein jetziger Moment reiht sich an den anderen – wir betreten die Welt und es ist jetzt, und wir verlassen die Welt , und es ist immer noch jetzt. Und alles spielt sich in der Ewigkeit ab. Trotzdem will der Mensch die Ewigkeit nicht wahrnehmen. Sein Verstand sagt ihm, nur solange du  denken kannst, bist auch Du da.  Der menschliche Zeitbegriff  verstellt die Ewigkeit, deren Teil die Zeit ist. So hat die menschliche Sprache den Begriff  Lebenszeit entwickelt, die Geschichte von Anfang und Ende des Lebens in der Zeit, und verweist  alle Hinweise auf die Ewigkeit des Lebens in den Bereich der frommen Legenden. Dabei übersehen wir, dass Leben etwas ganz anderes als Energie und Materie ist.  Wenn Energie und Materie von einer  übergeordneten Intelligenz zu Körpern gefügt und existent werden, ist deren Lebensdauer beschränkt. Wir sprechen dann von Geburt und Tod,  von der Geburt eines Planeten und dem Tod eines Lebewesens. Körper haben ihre Zeit.  Das Leben selbst, das die materielle Existenz beseelt, kennt keine Zeit, es war schon immer da und wird immer da bleiben, auch wenn unsere materiellen Sinne  das Leben und die Ewigkeit nicht wahrnehmen können. Die Ewigkeit ist das Allumfassende unseres und allen Lebens auf diesem Planeten und im gesamten Kosmos, die Zeit nur der kleinste Teil der Ewigkeit.

Sonntag, 16. Oktober 2022

Schwierige Zeiten

Es herrscht Krieg, Pandemie, Klimakrise, Rezession, Inflation, die schlechten Nachrichten häufen sich. Die öffentliche Meinung ist sich einig, schwierige Zeiten sind schlechte Zeiten. Vor zwei Jahren, war die Meinung anders, alles war gut, die  sich ankündigende Krise  wurde noch nicht bemerkt, das was als gut erschien, enthielt bereits die sich ankündigende Krise. Dabei sollte es jedem denkenden Menschen klar sein, dass nichts eindeutig ist, dass alles schon den Keim des Gegenteils in sich hat, alles dem ewigen Wandel unterworfen ist. So wie es Krieg nicht ohne Frieden gibt, Krankheit nicht ohne Gesundheit,  Abschwung nicht ohne  Aufschwung,  so enthält jede Krise bereits das Gegenteil in sich. - Die öffentliche Meinung ist aber in ihrem Urteil immer eindeutig, das Etikett mit dem eine Entwicklung versehen wird, enthält niemals die Mehrdeutigkeit. Dabei sind   Prädikate  wie gut und schlecht, nur Momentaufnahmen, sie entziehen sich der Eindeutigkeit, sie enthalten bereits alle Möglichkeiten der weiteren Entwicklung.  Eine schlechte Börse enthält bereits den Aufschwung. Krankheit ist der Weg zur Gesundheit, Krieg verlangt nach Frieden.  Wir müssen uns frei davon machen, alles mit eindeutigen Etiketten zu versehen, wir müssen uns dem ewigen Wandel öffnen und das was andere als negativ sehen,  als einen Schritt in eine positive Richtung wahrnehmen.  Die Welt ist nicht eindeutig, sie enthält alle Möglichkeiten,  und so wie wir die Welt sehen wollen, so wird sie sich uns zeigen. So sind schwierige Zeiten auch  Zeiten der Wandlung, der Veränderung, nicht nur der Welt, sondern von uns selbst und je schwieriger die Zeiten sind, umso grösser sind die Möglichkeiten für uns, die Welt zum Besseren zu verändern.

Samstag, 15. Oktober 2022

Mit Kindern leben

Den höchsten Anspruch, den das Leben an uns stellt,  ist das Leben mit Kindern.  Vielleicht denken viele von uns:  Mit Kindern leben, das kann doch jeder. Wir sind doch von der Natur auf Fortpflanzung programmiert, das Leben mit Kindern ist das Natürlichste von der Welt . - So einfach ist es nicht.  Kinder verlangen von uns eine  vollständige Überdenkung unseres Lebens. Wenn unser Blick vorher nach aussen gerichtet war, auf die Welt, auf unsere Stellung in der Welt, wird er nach innen gezwungen, auf das neu entstehende  Leben,  weg von unserem Ich,  auf etwas schon lange -Vergessenes, auf unser tiefstes Wesen,  was sich mit Macht in Erinnerung ruft.  Unsere ganze Existenz wird mit der Geburt eines Kindes auf den 1. Tag unseres Lebens zurück versetzt. Es ist so, als ob unser eigenes Leben neu beginnt. - Mütter wissen, von was ich spreche.  Schon in der Schwangerschaft erwacht in ihnen die Ahnung, dass sich alles ändert, wenn neues Leben entsteht, nicht nur im Alltagsleben,  sondern auch in ihrem Seelenleben, - die Seele des entstehenden neuen Menschen verbindet sich mit ihrer Seele, Mutter und Kind werden eins.  Und die Geburt, das schmerzliche Ereignis der Trennung, wenn nicht nur das Kind  ihren Leib verlässt, sondern auch die andere Seele, die bisher eins war mit ihrer eigenen Seele, verursacht ein tiefes Verlustgefühl. Dieser Moment der Trennung in der Geburt, kann ein Moment des Erwachens sein, wenn die Mutter erkennt, dass die Seele, unser formloses Leben, die eigentliche Kraft ist, die sie durch die Schwangerschaft getragen hat, und dass sie niemals von der Seele ihres Kindes getrennt sein wird.    -  Zwischen Mutter und Kind besteht diese besondere Verbindung, die es ihnen ermöglicht schon in der Schwangerschaft miteinander zu sprechen .  Es ist eine Sprache  ohne Worte,  aus der Tiefe des Seins, die Sprache der Liebe,  die direkt Ausfluss unseres Lebens ist  Wenn Kinder unruhig sind, weinen, dann sind es nicht immer die Windeln, oder der Hunger, der sich meldet. Oft sehnt sich das Kind nur nach Zuwendung, nach Liebe. Wenn sich dann die Augen der Mutter mit den Augen des Kindes verbinden, dann verschmelzen die Seelen, wie vorher im Mutterleib, das Kind wird in der Liebe der Mutter geborgen, es wird vom Leben umfangen, es wird ruhig, es fühlt sich geborgen.   Da sind die Eltern nicht mehr genervt, denn das Kind wird ruhig, es ist das was es verlangt und das was nur Eltern ihm  geben können, die sich dem neuen Leben öffnen.  Mit Kindern leben, ist der höchste Anspruch, den das Leben an uns stellt und zugleich der tiefste, er geht tief in uns selbst hinein,  er lehrt uns ein neues Leben, ein Erwachen von uns selbst.

Freitag, 7. Oktober 2022

Herrschaft und Tod des Ego

Wenn ich die  Welt der Egos betrachte, die vielfältigen Formen die das Ego annehmen kann, und wieviel Leid und Spannung das Ego in das menschliche Leben bringt, wundere ich mich, das  der Mensch sein Ego nicht erkennt und nicht damit umgehen kann. - Wir haben die Menschen, die ihr Ego an ihrem Äusseren festmachen, an ihrem Körper, an ihrem Aussehen. Andere machen ihr Ego an ihrem Beruf, ihrem Ansehen, ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihrem Einkommen fest. Dann treffen wir auf Egomanen, die krankhaften Egos, die Leid und Tod über ihre Mitmenschen bringen.  Am Deutlichsten wird die Entstehung des Egos an den Kopfmenschen,  den brillanten Denkern, Philosophen und Wissenschaftler, die sich als Krone der Schöpfung sehen.  Sie alle glauben an die Signale ihrer Kopfintelligenz, an ihr Gehirn, als das Zentrum ihres Lebens, aus dem ihre Bedeutung erwächst. – Dann gibt es aber auch die Menschen, die ihren Körper als ein Geschenk sehen, für das sie nichts können,  ihren Kopf als eine Gabe der Natur und schliesslich diejenigen, die die wahre Natur ihrer physischen Eigenschaften  einordnen können,  als weitgehende Sinnestäuschung.  Wenn  wir diesen Punkt erreicht haben und erkennen, dass wir nur eine kleine Regung der übergeordneten Intelligenz darstellen,  ein Sandkorn in der materiellen Schöpfung, ein Gedankenhauch der allumfassenden Intelligenz, dann ist plötzlich kein Platz mehr für ein Ego, das Ego stirbt und macht Raum für unser eigentliches Sein. Der vorher so wichtige Verstand verliert seine Position und wird ein kleiner Teil unser übergeordneten Intelligenz, die sich auch in ihm geäussert hat.  Wir begreifen plötzlich, das wir Teil von etwas viel Grösserem sind, von Etwas, das weit über das menschliche Verständnis hinaus geht.  Wenn wir an diesem Punkt angelangt sind, dann ist unser Ego schon lange tot, denn in der Schöpfung ist kein Platz für den kleinen, auf sich selbst bezogenen menschlichen Verstand. Etwas anderes tritt an seine Stelle, das Bewusstsein, Teil der allumfassenden Intelligenz , Teil der Schöpfung, die Himmel und Erde umfasst. Wenn wir den Schritt schaffen aus unserer Selbsttäuschung, und eintreten in  das Zentrum der Welt, in das  umfassende Alles, werden wir uns unserer bescheidenen Position in der Schöpfung bewusst, wir werden ganz klein und gleichzeitig ganz gross, weil wir Teil des allumfassenden Alles werden. Für ein Ego ist dort kein Platz mehr.

Sonntag, 2. Oktober 2022

Ein langes Leben

Wenn man die 80 Jahre überschritten hat, schauen einen andere Menschen oft mit dem Blick an,  - der Arme, er wird sicher nicht mehr lange zu leben haben. Leider entgeht ihnen mein freundlicher Gegenblick, - Du Armer, du weisst nichts vom Leben und traust Dich ein solches Urteil abzugeben?  - Es gehört  nicht zum Lehrstoff der Schulen zu erklären, was Leben  ist. Bei Naturwissenschaftlern wie Schroedinger und Paul Nurse wird das Leben als Biologie  der Zelle, das Gen, die Evolution, die Chemie und die Information erklärt. Ich verstehe alle diese Erklärungen allenfalls als Äusserungen des Lebens,  das Leben selber erfassen sie nicht. Eine sinnvolle Erklärung - Was das Leben denn nun sei?- konnte ich bei keinem der Wissenschaftler  entdecken. – Für mich stellt sich die Frage, ob ich ein Leben habe, oder ob ich das Leben bin? - Wenn ich ein Leben habe, dann bin ich die Person, und das Leben ist etwas was diese Person besitzt, das könnte das Leben sein, dass meine inneren Organe und meinen Körper am Leben hält,  aber niemand weiss, welche geheimnisvolle Kraft  das ist.- Oder verstehe ich das Wort Leben als historische Betrachtung der Ereignisse, die das Leben eines Menschen bestimmt haben, wie es bei den runden Geburtstagen geschieht, wenn wir die 80 überschreiten?   – Wie aber wenn ich selbst das Leben bin, wenn das Leben  Allem innewohnt, sowohl dem Gegenständlichen als auch dem Nichtgegenständlichen,   jedem Lebewesen und  der gesamten Natur,   jedem Stein und jedem Meer, dem All und den  Sternen, und wenn dieser Planet und wir  selbst  reines Leben wären? -  Wir wissen, dass alles Gegenständliche eine Sinnestäuschung ist, dass alles was als Festkörper erscheint, aus Energie und zu fast 100 % aus leerem Raum besteht. Was der menschliche Verstand erforschen kann, ist der energetische Bereich unseres Lebens. Der nichtgegenständliche Bereich, der nicht fassbare leere Raum in uns und um uns, ist für unseren Verstand und unsere Sinne nicht begreifbar, weil die Leere und das Nichts nicht begriffen werden können. Es ist aber dieser Bereich der Leere, der alles erfüllt, alles umfasst, vielleicht sogar die  übergeordnete Intelligenz enthält, die alles entstehen lässt. Was wenn  das NICHTS  das ALLES wäre und das ALLES das NICHTS ist?  Ein  Paradox, wie alle grossen Wahrheiten. - Vielleicht wird der Bereich des NICHTS verständlicher, wenn wir die Stille wahrnehmen, die auch ein  NICHTS ist :  alle Töne kommen aus der Stille und kehren in die Stille zurück. Töne sind Energie,  die Stille, die scheinbare Leere schafft diese Energie und nimmt die Energie zurück, wenn die Töne verklingen.  - Und die Analogie dazu wäre: Die  Leere schafft  die Energie des  Lebens und nimmt das Leben zurück, sie schafft Materie und nimmt Materie zurück. - Nichts geht jemals verloren, die Stille  und die Leere sind das Absolute , der Bereich der unbeschränkten Möglichkeiten, das Reich des Nichtbegreifbaren, die Heimat allen Lebens. - Und wie wäre es, wenn Geburt und Tod nur energetische Vorgänge wären, Wandlungen von Materie, mit der sich das Leben als ewige schaffende Intelligenz für eine beschränkte Zeit verbindet  und der Materie seine Intelligenz einhaucht?  -  Energie wandelt  ihre Struktur, bleibt aber immer erhalten, und  Raum als die ewige übergeordnete Intelligenz in uns,  bleibt immer mit dem ewigen Raum  um uns  verbunden. So gibt es Nichts, was jemals vergeht, weder Leben noch Materie,  alles ändert nur seine Struktur und seine Inhalte.  – Der Tod wird dann nur zur Wandlung,  die Leere als das Ewige bleibt, die in uns gebundene Energie sucht neue Horizonte – alles  eine Schwingung des Lebens.  Wir nennen das, was nicht benannt werden kann:  Ewiges Leben. – Goethe hat vor seinem Tod gesagt:  Ich bin gespannt, was jetzt kommt. – Ich hoffe in Kürze mehr zu wissen.

Samstag, 24. September 2022

Mein bester Freund

Schon früh in meinem Leben lernte ich meinen besten Freund kennen. Eigentlich war es ein Fuchs, der uns bekannt machte. Da las ich, dass der Fuchs  den «Kleinen Prinzen»   das Sehen mit dem Herzen  lehrte  und erkannte, dass unser Herz unser bester Freund ist. Das Herz spricht zu uns, ist immer für uns da, wir hören mit  dem Herzen, wir sehen mit dem Herzen, wir fühlen und lieben mit dem Herzen. Es ist auch das Herz, das  uns mit unserer Seele verbindet,  mit dem Leben, das uns erfüllt,  mit dem Teil unseres Wesens, den unser Verstand nicht verstehen kann. - Viele Menschen gehen durch ihr Leben und sehen in ihren Herzen nur ein Organ, das einen physischen Dienst zu erfüllen hat. Bei ihnen verkümmert das Herz, leidet und friert, oft wird es zu einem Eisblock. Es sind die Menschen mit toten Herzen, die das Leben nicht wahrnehmen, denen das Leben ihrer Mitmenschen nichts bedeutet, die diesen Planeten fast unbewohnbar gemacht haben. - Wer aber ständig mit seinem Herzen in Berührung ist, mit ihm spricht,  es bewusst wahrnimmt, sieht die Welt mit anderen Augen.  Er hat einen Freund an seiner Seite, der ihn nie verlässt, immer für ihn da ist.  Das Herz ist auch der Wegweiser zu unserem tieferen Sein, wenn wir, auf unserem Weg durch die Zeit,  nach der Tür zu unserem eigentlichen Ich suchen, - es ist das Herz, das diese Tür öffnen kann. Was für ein wunderbares Geschenk haben wir mit unserem Herzen erhalten, wir haben einen Freund für unser Leben. -  Und so gehe ich durch die Zeit, schaue mit meinem Herzen auf die Menschen, die mich begleiten, meine Familie, meine Freunde, und mein Herz lässt mich tief schauen, denn ich sehe die Welt mit den Augen meines Herzens, es ist eine andere Welt als die Welt der Sinne, die Welt des Verstandes.  Wenn du einen echten Freund für dein Leben brauchst, musst du nur in dich hineinschauen, der Freund,  den Du dort findest,  wird immer für Dich da sein.

 

 

Sonntag, 18. September 2022

Mit Kindern beten

Eine der stärksten Erinnerungen meiner Kindheit ist immer noch das abendliche Gebet mit meiner Mutter. Vielleicht verstand ich nicht viel von den Worten, die ich sprach, aber immer breitete sich ein tiefer Frieden in mir aus und am Ende des Gebetes schlief ich ein. Ich wusste, ich war geborgen in der Liebe meiner Mutter und in der Liebe dessen an den sich mein Gebet richtete. Wenn ich heute bei meinen Enkeln bin und die Mutter ihre Kinder ins Bett legt und mit ihnen betet, weiss ich, was in den kleinen Herzen vor sich geht. –  Kinder begreifen noch, dass sie nicht nur in der Liebe ihrer Eltern geborgen sind, sie haben noch dieses Wissen, dass sie auch Teil eines höheren Wesens sind, dass sie liebt, so wie die Eltern sie lieben.  Es ist ein tiefes Wissen, das uns bleibt, auch wenn wir auf unserem Weg durch die Zeit das Elternhaus verlassen, auch wenn wir vergessen, woher wir kommen und wohin wir gehen, es kommen die Momente, an denen wir uns erinnern, an dieses Gefühl der Geborgenheit und des Einsseins, und an denen wir vielleicht die Kinderworte in unserem Herzen bewegen, die plötzlich wieder da sind. -  Gute Gebete sind nicht Worte,  sind nicht Bitten, um Etwas,  es sind das Gefühl, mit unserem tiefsten Sein  in Verbindung zu stehen, es ist das nach innen schauen, das Eins werden mit unserem Leben, es ist die Zwiesprache mit unserer Seele. -  Wenn wir im Gebet unseren inneren Raum betreten, dann begreifen wir, dass nichts was aussen ist, uns je nehmen kann was innen ist. Wir treten in das Haus des Friedens, in dem sich Welt und  Ewigkeit vereinen. Wenn Meister Eckhart vom Gebet sagte, das Wichtigste am Beten sei das Danken, dann meinte er das Danken für das Wissen, dass sich in uns das Göttliche verwirklicht hat. Wenn wir mit Kindern beten, dann erinnern wir uns an dieses tiefe Wissen. Es sind nicht die Worte, die uns bewegen, es ist  die Erinnerung an ein lange vergessenes Land.

Mittwoch, 14. September 2022

Der Verlust der Mitte

In einem Gedicht «Wer je die Flamme umschritt» beschreibt Stefan George das Gesetz der Mitte, solange wir die Flamme des Lebens sehen können, entfernen wir uns nie zu weit vom Leben. Leider ist in den westlichen Zivilisationen weitgehend der Verlust der Mitte eingetreten, wir haben uns dem fremden Schimmer unserer Gedanken anvertraut und die Verbindung zu unserem  eigentlichen Sein, unserem Leben verloren. Wir streben nach Wissen, nach Besitz, nach Macht und Position und vergessen was uns eigentlich ausmacht, unser Leben.  Solange wir Geschichtsschreibung haben, ist es immer das Gleiche geblieben, wir sorgen uns um Güter, um das Morgen, und vergessen darüber unser eigentliches Leben, unser Jetzt,  wir verlieren unsere Mitte, wir sehen nicht mehr die Flamme  in uns, die uns leitet, unser Blick ist nach aussen gerichtet, auf die Welt, und wir vergessen, dass viel wichtiger unser Innen ist, unser Sein, unser Leben, unsere Schöpfernatur. Unsere heutige Welt hat weitgehend die Verbindung zu ihrem Inneren verloren, und mit dem Verlust dieser Verbindung vergessen wir langsam, wer wir wirklich sind.  Wir treiben in die Welt hinaus, wir begreifen die Welt nicht mehr als einen Teil der Schöpfung, als ein Teil von uns selbst, sondern als eine Sache, als ein Ding, das wir nur noch benutzen . Wir schneiden uns ab von unseren Wurzeln, die uns nähren, wir sind die verdorrte Traube am Weinstock, der uns keine Nahrung mehr zuführt.  Die Welt, die uns heute Sorgen macht, mit ihrer Verschmutzung, mit ihrem Klimawandel, ist nur ein Spiegelbild von uns selbst, eine vertrocknete Innenlandschaft, fast mehr ohne Leben. So sieht es in der Mehrheit der Menschheit aus, sie  sehen die Flamme in ihrem Inneren nicht mehr, sie sind tot , bevor sie gestorben sind,  und so sehen sie auch die Welt als etwas Totes, zu dem keine Verbindung mehr besteht, wie innen, so aussen. – Wen kann es verwundern, dass die Rettung des Planeten kaum gelingen kann, weil wir uns selbst nicht mehr retten können, weil  wir den Blick für unsere innere Welt verloren haben, sie vergessen haben und wie gespannt auf eine Welt blicken, die uns nur ein totes Wesen ist, das  wir nicht mehr als den Weinstock wahrhaben wollen, der uns ernährt.  So wie die Mehrheit der Menschheit den Blick nach innen verloren hat,  das Licht des Lebens nicht mehr wahrnimmt, das in uns brennt, sieht sie auch die Welt mit toten Augen und sieht nicht, das Leben und die Tiefe und die Gesamtheit und Vollendung der Schöpfung, den lebenden Organismus, der sie umgibt, schützt, ernährt und trägt.   Wenn wir die Welt und unser Leben wirklich retten wollen, müssen wir bei uns selbst beginnen, jeden Tag der Flamme in uns neue Nahrung geben, uns als Teil eines einzigen grossen Organismus begreifen, der ernährt werden will,  ernährt durch jeden einzelnen von uns, der sich wieder als Teil des Lebens begreift, das alles erfüllt.  Wir müssen bei uns selbst beginnen, jeden Tag  in unser Innerstes blicken, in unsere Mitte, in die Flamme unseres Lebens,  und das Feuer des Lebens in alles tragen, das mit uns in Berührung kommt. Die Rettung der Welt kann gelingen, wenn jeder  seine eigene Mitte wieder findet und dazu beiträgt, die Welt als das zu sehen, was sie ist, ein grosser Gesamtorganismus, deren Teil wir sind.   

Sonntag, 11. September 2022

Reicht ein gesunder Menschenverstand?

Es ist in  der Religion  wie in der Politik. Überall sind wir von Verwaltern  umgeben, von Mittelmässigkeit und Ignoranz. Anscheinend reicht ein Psychologie-, Soziologie-oder Politikstudium, um für höhere Aufgaben geeignet zu sein. Ein Theologiestudium um Pfarrer zu werden und höhere Einsichten zu verkünden. - Persönlichkeit, Erfahrung  und Charisma sind wenig gefragt und scheinen eher hinderlich zu sein,  die Anderen könnten ja befürchten, die eigene Mittelmässigkeit  könnte auffallen. Ängstlich wird auf Aktivisten, auf immer verrücktere Trends geschielt, bloss nichts Falsches sagen, das könnte ja einen Shitstorm auslösen.   Die grüne Selbstgefälligkeit ist an ihre Grenzen gelangt, selbst  eine  Physikerin, die  Einiges über Energie wissen sollte, trifft Entscheidungen,  die ihr Land  energiewirtschaftlich in das letzte Jahrhundert zurückwerfen. Vielleicht glauben ja sogar die Verantwortlichen, sie hätten einen gesunden Menschenverstand und träfen ihre Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen.  Sieht man aber die Ergebnisse der politischen Entscheidungen, dann muss man am Wissen der Entscheidungsträger zweifeln, am Gewissen erst recht, wenn es nur um den Erhalt der eigenen Position geht. – Von einem gesunden Menschenverstand müssen wir erwarten können, dass er sich seiner Gedanken und seiner Gefühle bewusst ist.  Schon diesen Satz versteht die Mehrheit der Entscheidungsträger nicht.  Wie soll  der Verstand sich seiner bewusst werden, welche Instanz soll meine Gefühle deuten?  Und wie soll jemand, der diesen Text liest verstehen, was er bedeutet, wenn er selbst nicht bei Bewusstsein ist?  Die Mehrheit unserer Mitmenschen glaubt, sie hätten einen klaren Verstand und ist sich nicht bewusst, dass der Verstand nur der kleinste Teil einer uns innewohnenden höheren Intelligenz ist. Nur wenn es gelingt, unsere Gedanken und Gefühle von unserer höheren Intelligenzwarte aus zu betrachten,  werden sie Teil des kosmischen Gedankengutes und gut geheissen oder verworfen. Glaubt jemand ernsthaft, dass wir viele Wissenschaftler und Politiker haben, die sich bewusst neben ihre Gedanken und Gefühle stellen können und sich fragen, ob ihr Wissen und ihre Entscheidungen einer höheren Instanz standhalten können? -  Ich habe einige Menschen in meinem Leben gekannt, die sich der höheren Intelligenz in sich bewusst waren, es waren aber nur einige Wenige.  Es waren die Menschen, die sich in Frage stellten  oder die, wie Sokrates  es ausdrückte:  Die wussten, dass sie Nichts wussten. -  Von einem gesunden Menschenverstand muss ich erwarten, dass er in der Lage ist,  sich neben seine Gedanken und Gefühle zu stellen und sie von dort aus zu betrachten. – Wer aber kann das schon?

Sonntag, 4. September 2022

Die Verortung des Himmels

In der Mythologie wird der Himmel in der Unterwelt, im Reich der Toten vermutet. Der Fährmann Charon schifft die toten Seelen über den Fluss Styxx. Bei Dante betreten wir die Kreise der Hölle. In den christlichen Mythen wird der Himmel in Wolken mit Cherubinen dargestellt. Und der Wächter des Himmeltores ist Petrus. In Brasilien trägt die afrikanische Gottheit Iansà, die Göttin der Winde, die toten Seelen davon. -In den monotheistischen Religionen werden dem Paradies irdische Dimensionen zugeschrieben, von Gärten und Früchten, Mann und Frau. –  Das Christentum hat dabei vergessen, dass bereits Jesus den Himmel (Paradies) mitten unter den Menschen gesehen hat,  nicht an einem fernen Ort und nicht erst nach dem Tod des Menschen, sondern mitten unter uns, an jedem Ort,  in jedem Lebewesen, in jedem Ding.  Im  Buddhismus ist die Vorstellung vom Nirwana , der Vorstellung vom Himmel mitten unter uns, sehr nahe.   Durch Meditation wird die Dualität aufgehoben, es ist  die Rückkehr in den Zustand der Vollkommenheit, in dem Gut und Böse nicht mehr existieren und eine Wandlung  des Menschen, nicht durch  den Tod,  sondern als Teil des Lebens eintritt, - wir erschaffen durch unsere Wandlung eine neue Welt, den Himmel mitten unter uns und  kehren zurück in die Einheit, in das Vaterhaus, in uns selbst.  Durch unsere eigene Wandlung  erscheint die gesamte Schöpfung wieder  in ihrem  paradiesischem Zustand,   einem Zustand, in dem es kein Gut und Böse gibt, wir finden zurück in den HIMMEL.  -  Alle Tiere, alle Pflanzen, der Planet Erde der gesamte Kosmos,  befinden sich in einem paradiesischen Zustand, in dem nicht zwischen Gut und Böse unterschieden wird.  Nur dem Menschen ist es vorbehalten,  in diesem Himmel eine Hölle zu schaffen – und diese Hölle ist, wie der Himmel, mitten unter uns Menschen. -  Wenn wir den Himmel wieder finden wollen, müssen wir verstehen, was die Hölle ist.  Die Hölle ist menschengeschaffen,  es ist der Mensch in seinem Glauben an seinen Verstand und sein Wissen,  der die Welt in eine Hölle oder einen Himmel verwandeln kann.  -  Jedes menschliche Lebewesen kommt aus der Einheit und wird sich seines Verstandes bewusst. Erst aus dem Verstand erwächst die  Zweiheit, die Dualität, der Zweifel.  Jeder Einzelne geht auf seinem Weg durch das Leben durch den Zweifel und  sehnt sich zurück in die Einheit. Das Danaergeschenk an das Leben des Menschen ist sein Verstand und mit ihm der Zweifel, ob es denn eine Einheit gäbe.  Es ist der Zweifel, der dem Menschen den Zutritt zum Himmel verwehrt, zum Leben in der Einheit mit dem Göttlichen. -Es ist dieser Zweifel, der in den mystischen Figuren  der Religionen Gestalt annimmt und  den Zutritt zur anderen Welt verwehrt, den Zugang zum Paradies, das nicht jenseits von uns liegt, sondern in jedem Einzelnen von uns Menschen, und dessen Eingang  von Zerberus, unserem Verstand, verstellt wird. Wenn ich das Paradies zu verorten habe, dann muss ich die grösste Hürde, meinen Verstand überwinden, um den Eingang zu mir selbst und  zu meinem Himmel zu finden, der mitten in mir selbst liegt.

Sonntag, 28. August 2022

Bilanztage - am Ufer des Araguaia

Für mich sind Bilanzen, wenn sie mich selbst betreffen, mehr als blosse Zahlen. Gestern erhielt ich die Zahlen des vergangenen Jahres für unseren Betrieb an einem der schönsten Flecken der Erde. Vor mir lag plötzlich die Geschichte der letzten 20 Jahre. Die langen Jahre des Aufbaus, die Menschen die mich begleiteten, die Enttäuschungen und Widerstände mit denen ich leben musste. Aber ich sah immer den gewaltigen Fluss an meiner Seite, der dort seit Millionen von Jahren durch Felsen und Katarakte schäumte, unbeeindruckt von allen Widerständen.  Für mich sind die Bilanzen mehr als Zahlen, sie erzählen Geschichten, sie legen Zeugnis ab vom Leben, von  Menschen, die in mein Leben traten und wieder gingen, von Menschen, die halfen und Menschen, die Schaden mit sich brachten. Und die Kraft, die alles bewegt  und alles zusammenhält, ist man selbst,  zusammen mit den Menschen, die ihre Lebenskraft mit einbrachten. Und wie der grosse Fluss an meiner Seite, bin ich unbeeindruckt von allen Widerständen,  meinem Ziel  entgegengegangen, um meinen Teil der   Geschichte dieses Ortes  zu erfüllen. - Die Bilanz vor mir erzählt den  Anfang, als wir begannen, sie erzählt von den Widerständen, die  unsere Entwicklung zurückwarfen und wie wir unbeirrt unseren Weg gingen.  Sie erzählt von den Menschen, die diesen Weg mitgingen oder die dem Fluss des Lebens Widerstand geleistet haben.  Sie berichtet aber auch, wie  wir heute in ruhigere Wasser gelangt sind und die Früchte  unseres Tuns vor uns liegen.  Als der Philosophenkaiser davon sprach – Sein Schicksal zu erfüllen -  da ging es darum, zu begreifen, dass wir unser Schicksal annehmen müssen, in welcher Form es auch immer auf uns zukommt.  -Mir hat das Schicksal wunderbare Jahre an diesem legendenreichen Fluss gegeben und ich habe begriffen, warum so viele andere Schicksale mit meinem verbunden waren. Wunderbar, was eine Bilanz so alles erzählen kann.

Donnerstag, 25. August 2022

Rollenspiele

Ich erinnere mich, dass ich einmal besorgt war, weil eines meiner Kinder mit Freunden  Rollenspiele veranstaltete. Es erinnerte mich an Theaterspielen, die eingenommene Rolle beschäftigte stark ihre Phantasie, und ich befürchtete, dass diese Phantasiegestalten von  einem noch nicht stark ausgebildeten Verstand  vielleicht als falsche Realitäten wahrgenommen werden könnten. – Ich beruhigte mich bei näherem Nachdenken, dass es vielleicht eine Imitation der Erwachsenen sein könnte, die doch auch nichts anderes taten, als Rollen zu spielen. Wohin ich auch schaute, Erwachsene die sich mit einer Rolle identifizierten, die sie  nur dem Namen nach, aber nur in den seltensten Fällen in der Realität auch waren.- Der gute Ehemann, die brave Hausfrau, der allwissende Arzt, der moralische Pfarrer, der rechtsprechende Richter, der kluge Advokat, - alle meistens nur Rollenspieler. Vielleicht hatten die Kinder das erkannt und spielten in ihrer Zauberwelt die Rollen der Erwachsenen als Märchengestalten nach.  -Heute sehen wir in den Social Media eine ähnliche  Entwicklung, Jugendliche die als glückliche, schöne Menschen wahrgenommen werden wollen, aber es in den seltensten Fällen sind. Und andere Jugendliche, die ständig an ihrem Handy hängen und diese Selbstdarsteller idealisieren. Trugbilder als Ideale. Denjenigen, denen es am Besten gelingt sich als glücklich und schön darzustellen, erhalten von der Werbeindustrie Aufträge und verdienen schon in jungen Jahren gutes Geld.  Eine Scheinwelt wird als reale Welt von ihren Followern wahrgenommen und idealisiert,  eine Welt, die keine negative Seite zu kennen scheint. Was aber, wenn  die Protagonisten  in dieser Scheinwelt scheitern, weil die Wirklichkeit eine andere ist?  Und was, wenn im späteren Leben die Rollenspiele der Erwachsenen an ihre Grenzen gelangen und die Rollen als die Aufführung schlechter Schauspieler entlarvt werden?  -  Wie können Jugendliche, die schon so früh an falsche Selbstdarstellungen herangeführt werden, zu selbständig denkenden, selbstkritischen Menschen werden?  Die Wahrscheinlichkeit ist grösser, dass aus ihnen  Zombies werden, die sich nicht mehr aus den Fängen der Werbeindustrie befreien können.  Für mich gilt, wo immer ich auf Rollenspiele stosse,  - ich senke meinen Daumen.


Sonntag, 21. August 2022

Im Fluss des Lebens - und was wir vergessen haben

Dem Fluss des Lebens können wir uns nicht entziehen. Von der Geburt an sind wir in eine Lebenssituation  hineingeboren, in eine Familie, ein Land, eine politische Situation. Wir schwimmen mit der Strömung, und unsere Kräfte reichen nicht, gegen die Strömung zu schwimmen. Was wir ändern können, sind unsere Lebensumstände,  das was sich durch Intelligenz, Anstrengung, Ausbildung und Energie ändern lässt. Man könnte dies die dynamische Dimension unseres Lebens nennen, das was wir beeinflussen können.   Was aber die Meisten von uns vergessen, ist die Dimension der Tiefe,  das was sich nicht bewegt, und doch ein Teil des Lebensflusses ist, das was von der Oberfläche des Wassers nicht sichtbar und doch da ist , und ohne das es den Lebensfluss nicht gäbe. Es ist die statische Dimension unseres Lebens,  das was uns ausmacht,  unsichtbar und doch da, für die Sinne nicht erfassbar und doch Ursprung aller Sinne und allen Denkens, Ursprung unseres Lebens. Wenn wir uns an diese Dimension der Tiefe,  in uns erinnern,  sind wir direkt mit der Kraft des Lebens verbunden, aus der Alles fliesst, und doch in uns ruht, unveränderlich und unergründlich. Wem es gelingt seine eigene Dimension der Tiefe zu entdecken, der gewinnt Zugang zu den Kräften des Lebens, und sein Weg wird anders verlaufen, als wenn er nur an der Oberfläche geblieben wäre.  Es ist der Zugang zu uns Selbst, den ein Einstein, Beethoven und Goethe wahrscheinlich gefunden haben, der Weg aus dem Zweifel, aus der Verzweiflung, zurück  in die Einheit, in die Einheit von Tiefe und  Oberfläche,  von Raum und Energie,  von Leere und Materie, von Dualität in Unität.  Das Einzige was es dazu braucht ist das Erinnern, an das was wir vergessen haben, unsere Dimension der Tiefe.

Mittwoch, 17. August 2022

Wenn ein Physiker heiratet

Die meisten Menschen besinnen sich bei einer Hochzeit auf alte kirchliche Bräuche zurück, selbst wenn sie den Kirchen bereits entglitten sind. Oft ist es nur der äussere Rahmen, der den Menschen etwas bedeutet, oft auch der Wunsch der Ehe  einen  tieferen Sinn zu geben. Bei Physikern gelten noch andere Gesetze, aus der tieferen Einsicht in die Funktionen des Kosmos.   .-  Mit den modernen Naturwissenschaften, entdeckten die Physiker, dass der Mensch im Wesentlichen  aus leerem Raum besteht und nur zu einem sehr kleinen Teil aus Materie  und begaben sich auf der Suche, welche Eigenschaften  der leere  Raum  wohl  enthalten könnten. -  So wäre es nicht verwunderlich, wenn ein Physiker sich fragt, was geschieht, wenn sich zwei Menschen, also zwei leere Räume verbinden? -  Derjenige der glaubt,  der leere Raum enthalte nichts als Leere, kommt zu dem Schluss, eine Verbindung von zwei leeren Räumen könne nicht stattfinden. Für ihn findet eine Verbindung nur auf der Ebene der Materie, der Polarität statt,  zwei unterschiedliche Pole werden voneinander angezogen.  Er denkt wie der überwiegender Teil der Menschheit und begreift die Verbindung von Mann und Frau nur auf der materiellen Ebene. -   Wer aber den Raum der Leere als das allumfassende Potential begreift,  als die übergeordnete Intelligenz,  die Allem innewohnt,  der ist in eine andere Dimension  gewechselt, er hat zu seiner eigentlichen geistigen  Identität gefunden. Er erkennt in der Leere das Eigentliche, das ihn ausmacht,   das Leben selbst, die Kraft, in der sich alle  Polarität  der Welt aufhebt .-  Ein Bild, um dies zu veranschaulichen:  Wir stehen vor einem See, was wir sehen ist die Oberfläche und wir sind die Welle, die sich im Wind des Schicksals bewegt. Aber unter der Welle, die geheimnisvolle Tiefe der Wasser, unbewegt und ewig,  und die Welle ohne die Tiefe der Wasser nicht denkbar. -  Der leere Raum  ist vergleichbar mit der Tiefe des Wassers, ohne die  Dimension der Tiefe ist die Welle nicht zu verstehen, ohne die Dimension der Leere ist das Menschsein unbegreifbar. -  Es ist das was die Schöpfung von Anbeginn  der Menschheit anstrebt, das Erwachen des Menschen, ein neues Sehen, das Begreifen der Dimension der Tiefe, das Erfassen der Leere als die eigentliche Kraft aus der wir entstehen und in die wir auf unserem Weg durch die Zeit zurückkehren.    Wenn zwei Menschen sich  für einen gemeinsamen Weg verbinden,  dann wird für wenige Momente die  Dualität des Menschseins aufgehoben. Wenn  sie auch die Dimension der Tiefe in ihrem Leben erkennen,  dann werden sie zur Einheit, dann kommt es  zu einer Fusion der Seelen, dann entsteht neues Leben. Es ist der heiligste Moment im Leben eines Menschen, das Erwachen und das Erkennen der Fülle des Seins  in sich  und im Anderen, die Leere als die allumfassende Fülle,  als die tiefste Wahrheit  unseres Lebens.  Wer könnte dies besser verstehen  als ein Physiker?