In einem Gedicht «Wer je die Flamme umschritt» beschreibt
Stefan George das Gesetz der Mitte, solange wir die Flamme des Lebens sehen
können, entfernen wir uns nie zu weit vom Leben. Leider ist in den westlichen
Zivilisationen weitgehend der Verlust der Mitte eingetreten, wir haben uns dem
fremden Schimmer unserer Gedanken anvertraut und die Verbindung zu unserem eigentlichen Sein, unserem Leben verloren.
Wir streben nach Wissen, nach Besitz, nach Macht und Position und vergessen was
uns eigentlich ausmacht, unser Leben.
Solange wir Geschichtsschreibung haben, ist es immer das Gleiche
geblieben, wir sorgen uns um Güter, um das Morgen, und vergessen darüber unser
eigentliches Leben, unser Jetzt, wir
verlieren unsere Mitte, wir sehen nicht mehr die Flamme in uns, die uns leitet, unser Blick ist nach
aussen gerichtet, auf die Welt, und wir vergessen, dass viel wichtiger unser
Innen ist, unser Sein, unser Leben, unsere Schöpfernatur. Unsere heutige Welt
hat weitgehend die Verbindung zu ihrem Inneren verloren, und mit dem Verlust dieser
Verbindung vergessen wir langsam, wer wir wirklich sind. Wir treiben in die Welt hinaus, wir begreifen
die Welt nicht mehr als einen Teil der Schöpfung, als ein Teil von uns selbst,
sondern als eine Sache, als ein Ding, das wir nur noch benutzen . Wir schneiden
uns ab von unseren Wurzeln, die uns nähren, wir sind die verdorrte Traube am
Weinstock, der uns keine Nahrung mehr zuführt. Die Welt, die uns heute Sorgen macht, mit
ihrer Verschmutzung, mit ihrem Klimawandel, ist nur ein Spiegelbild von uns
selbst, eine vertrocknete Innenlandschaft, fast mehr ohne Leben. So sieht es in
der Mehrheit der Menschheit aus, sie
sehen die Flamme in ihrem Inneren nicht mehr, sie sind tot , bevor sie
gestorben sind, und so sehen sie auch
die Welt als etwas Totes, zu dem keine Verbindung mehr besteht, wie innen, so
aussen. – Wen kann es verwundern, dass die Rettung des Planeten kaum gelingen
kann, weil wir uns selbst nicht mehr retten können, weil wir den Blick für unsere innere Welt verloren
haben, sie vergessen haben und wie gespannt auf eine Welt blicken, die uns nur
ein totes Wesen ist, das wir nicht mehr
als den Weinstock wahrhaben wollen, der uns ernährt. So wie die Mehrheit der Menschheit den Blick nach
innen verloren hat, das Licht des Lebens
nicht mehr wahrnimmt, das in uns brennt, sieht sie auch die Welt mit toten
Augen und sieht nicht, das Leben und die Tiefe und die Gesamtheit und
Vollendung der Schöpfung, den lebenden Organismus, der sie umgibt, schützt,
ernährt und trägt. Wenn wir die Welt und unser Leben wirklich
retten wollen, müssen wir bei uns selbst beginnen, jeden Tag der Flamme in uns
neue Nahrung geben, uns als Teil eines einzigen grossen Organismus begreifen,
der ernährt werden will, ernährt durch
jeden einzelnen von uns, der sich wieder als Teil des Lebens begreift, das
alles erfüllt. Wir müssen bei uns selbst
beginnen, jeden Tag in unser Innerstes
blicken, in unsere Mitte, in die Flamme unseres Lebens, und das Feuer des Lebens in alles tragen, das mit
uns in Berührung kommt. Die Rettung der Welt kann gelingen, wenn jeder seine eigene Mitte wieder findet und dazu
beiträgt, die Welt als das zu sehen, was sie ist, ein grosser Gesamtorganismus,
deren Teil wir sind.
Mittwoch, 14. September 2022
Der Verlust der Mitte
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