Eine der stärksten Erinnerungen meiner Kindheit ist immer
noch das abendliche Gebet mit meiner Mutter. Vielleicht verstand ich nicht viel
von den Worten, die ich sprach, aber immer breitete sich ein tiefer Frieden in
mir aus und am Ende des Gebetes schlief ich ein. Ich wusste, ich war geborgen
in der Liebe meiner Mutter und in der Liebe dessen an den sich mein Gebet
richtete. Wenn ich heute bei meinen Enkeln bin und die Mutter ihre Kinder ins
Bett legt und mit ihnen betet, weiss ich, was in den kleinen Herzen vor sich
geht. – Kinder begreifen noch, dass sie
nicht nur in der Liebe ihrer Eltern geborgen sind, sie haben noch dieses
Wissen, dass sie auch Teil eines höheren Wesens sind, dass sie liebt, so wie
die Eltern sie lieben. Es ist ein tiefes
Wissen, das uns bleibt, auch wenn wir auf unserem Weg durch die Zeit das
Elternhaus verlassen, auch wenn wir vergessen, woher wir kommen und wohin wir
gehen, es kommen die Momente, an denen wir uns erinnern, an dieses Gefühl der
Geborgenheit und des Einsseins, und an denen wir vielleicht die Kinderworte in
unserem Herzen bewegen, die plötzlich wieder da sind. - Gute Gebete sind nicht Worte, sind nicht Bitten, um Etwas, es sind das Gefühl, mit unserem tiefsten Sein
in Verbindung zu stehen, es ist das nach
innen schauen, das Eins werden mit unserem Leben, es ist die Zwiesprache mit
unserer Seele. - Wenn wir im Gebet
unseren inneren Raum betreten, dann begreifen wir, dass nichts was aussen ist, uns
je nehmen kann was innen ist. Wir treten in das Haus des Friedens, in dem sich
Welt und Ewigkeit vereinen. Wenn Meister
Eckhart vom Gebet sagte, das Wichtigste am Beten sei das Danken, dann meinte er
das Danken für das Wissen, dass sich in uns das Göttliche verwirklicht hat. Wenn
wir mit Kindern beten, dann erinnern wir uns an dieses tiefe Wissen. Es sind
nicht die Worte, die uns bewegen, es ist die Erinnerung an ein lange vergessenes Land.
Sonntag, 18. September 2022
Mit Kindern beten
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