Sonntag, 18. September 2022

Mit Kindern beten

Eine der stärksten Erinnerungen meiner Kindheit ist immer noch das abendliche Gebet mit meiner Mutter. Vielleicht verstand ich nicht viel von den Worten, die ich sprach, aber immer breitete sich ein tiefer Frieden in mir aus und am Ende des Gebetes schlief ich ein. Ich wusste, ich war geborgen in der Liebe meiner Mutter und in der Liebe dessen an den sich mein Gebet richtete. Wenn ich heute bei meinen Enkeln bin und die Mutter ihre Kinder ins Bett legt und mit ihnen betet, weiss ich, was in den kleinen Herzen vor sich geht. –  Kinder begreifen noch, dass sie nicht nur in der Liebe ihrer Eltern geborgen sind, sie haben noch dieses Wissen, dass sie auch Teil eines höheren Wesens sind, dass sie liebt, so wie die Eltern sie lieben.  Es ist ein tiefes Wissen, das uns bleibt, auch wenn wir auf unserem Weg durch die Zeit das Elternhaus verlassen, auch wenn wir vergessen, woher wir kommen und wohin wir gehen, es kommen die Momente, an denen wir uns erinnern, an dieses Gefühl der Geborgenheit und des Einsseins, und an denen wir vielleicht die Kinderworte in unserem Herzen bewegen, die plötzlich wieder da sind. -  Gute Gebete sind nicht Worte,  sind nicht Bitten, um Etwas,  es sind das Gefühl, mit unserem tiefsten Sein  in Verbindung zu stehen, es ist das nach innen schauen, das Eins werden mit unserem Leben, es ist die Zwiesprache mit unserer Seele. -  Wenn wir im Gebet unseren inneren Raum betreten, dann begreifen wir, dass nichts was aussen ist, uns je nehmen kann was innen ist. Wir treten in das Haus des Friedens, in dem sich Welt und  Ewigkeit vereinen. Wenn Meister Eckhart vom Gebet sagte, das Wichtigste am Beten sei das Danken, dann meinte er das Danken für das Wissen, dass sich in uns das Göttliche verwirklicht hat. Wenn wir mit Kindern beten, dann erinnern wir uns an dieses tiefe Wissen. Es sind nicht die Worte, die uns bewegen, es ist  die Erinnerung an ein lange vergessenes Land.

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