Sonntag, 25. November 2012

Das Ziel verfehlen


Meine ersten Schritte als junger Mensch in der Religion haben mich mit der Sünde in Berührung gebracht.  Angeblich sollten wir alle sündig sein, behaftet mit der Erbsünde,  von der wir nur durch die Gnade Gottes  geheilt werden.   Hier hat die Kirche ihren Gläubigen einen schwer verständlichen  Text auf  ihren  Lebensweg  gegeben.  Wenn in früheren Jahrhunderten  die Sünde als  Machtinstrument eingesetzt wurde, um die Gläubigen zu disziplinieren, so  ist heute ein neuer Blick auf die Sünde angebracht.  In der   ersten Übersetzung des Testamentes aus dem griechischen wurde das Wort  Sünde verwendet. Tatsächlich  bedeutet das griechische  Wort:  „ Das Ziel verfehlen“.   Welches  Ziel  verfehlen wir und warum nennen wir dies Sünde?  Vielleicht bringt es uns weiter, wenn wir die symbolische Darstellung der Schlange betrachten,   die an einem Stab  sich nach unten  ringelt.  Das  symbolisiert den   Abstieg des Menschen in die Materie  ,  den Menschen, der aus der Einheit  einer anderen  Ebene kommt und  in die Welt der Formen und  des Gut und Böse geworfen wird.  Und   der Weg  des Menschen in  dieser Welt  ist der  Weg  der  Heilung ,  ist der Weg zurück in die Einheit, oder wieder im Bild der Schlange ausgedrückt,  am Stab des Asklepios  ringelt sich die Schlange wieder nach oben.    Wenn  Sünde   die   Bedeutung, -  das Ziel verfehlen – hat,    dann verfehlen  wir  den Weg zurück in die Einheit.  Wir bleiben  in der Welt des  Dualismus,  wir bleiben in der Welt der Formen  und verlieren uns  in  der Betrachtung und Erklärung der Formen.  Was aber wäre die Heilung, der Weg zurück ins Ziel:  Zu  erkennen, dass  Form nicht ohne Raum sein kann,   dass Form aus dem Raum entsteht und wieder in den Raum zurückkehrt,  dass  Form und Raum eins sind und wir Form  nur begreifen können, wenn wir  den Raum in der Form sehen können.  Die modernen Naturwissenschaften  sind an der Grenze der Form vorgestossen , zu der auch die Energie gehört,  und weisen den Weg in den zeitlosen Raum aus dem  die Form fliesst.  Warum nicht den kleinen Schritt weitergehen,   wir sind dazu in der Lage, auf  zu den kleinsten Energiepartikeln  und dahinter in die Welt des unendlichen Raums auf den Flügeln unserer Phantasie.
Können wir aber überhaupt das Ziel verfehlen?  Löst sich nicht die Form unseres Lebens langsam auf und kehren wir nicht in die Einheit zurück, ohne dass wir etwas dazu beitragen müssen?   Nur für unser eigenes zeitlich begrenztes Leben können wir das Ziel vergessen, aber nicht verlieren.  Unser Blick auf die Welt der Formen und  unser Tanz um die Formen  wendet den Blick in die falsche Richtung, und übersieht  das Leben das in allem  ist, das Leben in dem Geburt und Tod jeder Form einschliesslich von uns selbst, nur eine kleine Episode  in der Zeit dieses Universums ist.   Das  Ziel verfehlen  heisst für unsere eigene Zeit, den Raum, das Leben und die  Kraft zu übersehen, die uns innewohnt und die  einmal entdeckt unser  Leben in seinen  Dimensionen unendlich bereichert  und es  lebenswert macht. 

Mittwoch, 21. November 2012

Gebet und Meditation



In den drei grossen monotheistischen Religionen wendet sich das gesprochene Gebet an  den persönlichen Gott,  an eine Wesenheit   ausserhalb  von uns selbst .  Das kann durch formelhafte  Gebete oder durch das persönliche Gespräch geschehen. Die Kirchen lehren uns das formelhafte Beten.  Oft führt dies  zu einer mechanischen Wortübung.  Wenn diese sinnentleert ist,  dann entwickelt das Gebet keine Wirkung.  Aber auch  die mechanische Wiederholung von formelhaften Gebeten kann meditativen Charakter haben, uns helfen sich aus den gedankenhaften Zwängen zu befreien,  ähnlich dem  Aufsagen von Mantras,  oder dem Beten des Rosenkranzes,  die auch keine  direkte Bedeutung  haben und dennoch helfen uns in einen Zustand der  Meditation zu versetzen.   Jede  Form von Gebet   kann segensreich sein,  verbunden mit Glauben,  gibt das Gebet   Kraft,  unser Leben zu sehen und zu bestehen.  Im Gebet wendet sich unser Geist dem zu, was uns ausmacht und was hinter unserer physischen Existenz steht  und im gemeinschaftlichen Gebet  verbinden sich die Gläubigen in ihrer geistigen Energie und etwas von dem ist zu spüren, was allem innewohnt. 
Über das formelhafte Gebet gibt es die schöne Geschichte von Tolstoi, von den drei Brüdern, die als Heilige verehrt  auf einer Insel lebten. Als der Metropolit von ihrem Ruf hörte begab er sich auf die Insel und liess sich von Ihnen vorbeten.  Die drei heiligen Brüder  waren   schlichte , einfache  aber beseelte russische Menschen die nicht viel von den kirchlichen Riten  verstanden.  Sie beteten:  Du bist Drei und wir sind Drei, erbarme Dich unser.  Der Metropolit versuchte ihnen das offizielle Kirchengebet beizubringen  und sie konnten es sich nicht merken.  Als er es aufgab und mit dem Boot zurückruderte,  sah er wie die drei Brüder über das Wasser auf ihn zueilten und riefen:  Herr sag uns noch einmal das Gebet auf.  Da fiel er nieder und sagte,  nicht ich habe Euch etwas zu lehren, Ihr seid es die mich  belehrt.
Das floskelhafte Gebet  berührt nur selten den Kern der Seele, der uns mit dem göttlichen verbindet.   Um das floskelhafte Gebet mit Leben zu füllen, muss über jedes Wort und jeden Satz meditiert werden.  Dann plötzlich  beleben sich die Sätze und die  Weisheit der Worte leuchtet auf.  Gebet ist der Ruf unserer Seele nach Gott,  für mich am eindringlichsten  zu hören  in dem Ruf Jesu :   Herr warum hast Du mich verlassen?  -  das Gebet in tiefster Not, wenn das Leiden unseres körperlichen Seins unerträglich zu werden scheint, und dann der erlösende Satz, nicht mein Wille,  Dein Wille geschehe. Mit diesem Gebet verlässt Jesus die Grenze des menschlichen Denkens und verbindet sich mit dem göttlichen Sein.   Im Gebet  werden Himmel und Erde eins, wir durchstossen die Grenze unseres  Denkens,  das Denken wird zur Stille,  und  in der Stille  nehmen wir unser Sein wahr.
Im Gebet  besinne ich mich zurück, auf das was ich wirklich bin, jenseits meiner menschlichen Erscheinungsform  Die reinste Form des Gebetes  ist die Meditation,  der Gang in die Stille, in das Nichtdenken.  In  der  Stille leuchtet das bewusste Sein auf,  das  was mich ausmacht.   Dieses Sein,   das Leben,  das in allem ist und das mich mit allem verbindet.  In dem ich in dieses Sein durch Nichtdenken  hineinsinke, verbinde ich mich mit  dem was wir Gott nennen, dem Göttlichen  in  mir.  Das ist die reinste Form von Gebet.  Wenn ich dann aus diesem  Sein heraus das betrachte was ich in meiner menschlichen  Gestalt bin,  meinen Geist, meinen Körper,  meine Lebensenergie,  und voller Bewunderung  über dieses wunderbare Geschenk bin, dann werde ich mir meiner selbst bewusst, und ich kann  meinem Körper, meinen Zellen, meinem   Verstand danken, für die  Arbeit die sie mir jeden Tag aufs neue leisten.    
In seiner reinsten Form ist Gebet nicht die Bitte an etwas ausserhalb von mir, sondern  es ist die Zwiesprache mit dem was mich ausmacht, mit meinem Sein, mit mir selbst,   mit dem göttlichen Teil in mir, der  wieder Teil der das Universum füllenden uns schaffenden  göttlichen Intelligenz ist.  Wenn wir heute  so viele Menschen den Weg des Yoga und der Meditation einschlagen sehen,  dann ist das auch nur wieder ein Weg zu unserem  Sein,  ein Weg von vielen,   eine    religio = Rückverbindung  zu dem   was uns ausmacht.