In den drei grossen monotheistischen Religionen wendet sich
das gesprochene Gebet an den
persönlichen Gott, an eine Wesenheit ausserhalb von uns selbst . Das kann durch formelhafte Gebete oder durch das persönliche Gespräch
geschehen. Die Kirchen lehren uns das formelhafte Beten. Oft führt dies
zu einer mechanischen Wortübung. Wenn
diese sinnentleert ist, dann entwickelt
das Gebet keine Wirkung. Aber auch die mechanische Wiederholung von formelhaften
Gebeten kann meditativen Charakter haben, uns helfen sich aus den
gedankenhaften Zwängen zu befreien, ähnlich dem
Aufsagen von Mantras, oder dem
Beten des Rosenkranzes, die auch
keine direkte Bedeutung haben und dennoch helfen uns in einen Zustand
der Meditation zu versetzen. Jede Form von Gebet kann segensreich
sein, verbunden mit Glauben, gibt das Gebet Kraft, unser Leben zu sehen und zu bestehen. Im Gebet wendet sich unser Geist dem zu, was
uns ausmacht und was hinter unserer physischen Existenz steht und im gemeinschaftlichen Gebet verbinden sich die Gläubigen in ihrer
geistigen Energie und etwas von dem ist zu spüren, was allem innewohnt.
Über das formelhafte Gebet gibt es die schöne Geschichte von
Tolstoi, von den drei Brüdern, die als Heilige verehrt auf einer Insel lebten. Als der Metropolit
von ihrem Ruf hörte begab er sich auf die Insel und liess sich von Ihnen
vorbeten. Die drei heiligen Brüder waren schlichte , einfache aber beseelte russische Menschen die nicht
viel von den kirchlichen Riten verstanden.
Sie beteten: Du bist Drei und wir
sind Drei, erbarme Dich unser. Der
Metropolit versuchte ihnen das offizielle Kirchengebet beizubringen und sie konnten es sich nicht merken. Als er es aufgab und mit dem Boot
zurückruderte, sah er wie die drei Brüder
über das Wasser auf ihn zueilten und riefen:
Herr sag uns noch einmal das Gebet auf.
Da fiel er nieder und sagte, nicht
ich habe Euch etwas zu lehren, Ihr seid es die mich belehrt.
Das floskelhafte Gebet
berührt nur selten den Kern der Seele, der uns mit dem göttlichen
verbindet. Um das floskelhafte Gebet mit Leben zu füllen,
muss über jedes Wort und jeden Satz meditiert werden. Dann plötzlich beleben sich die Sätze und die Weisheit der Worte leuchtet auf. Gebet ist der Ruf unserer Seele nach Gott, für mich am eindringlichsten zu hören in dem Ruf Jesu : Herr
warum hast Du mich verlassen? - das Gebet in tiefster Not, wenn das Leiden
unseres körperlichen Seins unerträglich zu werden scheint, und dann der
erlösende Satz, nicht mein Wille, Dein
Wille geschehe. Mit diesem Gebet verlässt Jesus die Grenze des menschlichen
Denkens und verbindet sich mit dem göttlichen Sein. Im
Gebet werden Himmel und Erde eins, wir
durchstossen die Grenze unseres
Denkens, das Denken wird zur
Stille, und in der Stille
nehmen wir unser Sein wahr.
Im Gebet besinne ich
mich zurück, auf das was ich wirklich bin, jenseits meiner menschlichen
Erscheinungsform Die reinste Form des
Gebetes ist die Meditation, der Gang in die Stille, in das Nichtdenken. In
der Stille leuchtet das bewusste
Sein auf, das was mich ausmacht. Dieses
Sein, das Leben, das in allem ist und das mich mit allem
verbindet. In dem ich in dieses Sein
durch Nichtdenken hineinsinke, verbinde
ich mich mit dem was wir Gott nennen,
dem Göttlichen in mir.
Das ist die reinste Form von Gebet.
Wenn ich dann aus diesem Sein
heraus das betrachte was ich in meiner menschlichen Gestalt bin, meinen Geist, meinen Körper, meine Lebensenergie, und voller Bewunderung über dieses wunderbare Geschenk bin, dann
werde ich mir meiner selbst bewusst, und ich kann meinem Körper, meinen Zellen, meinem Verstand danken, für die Arbeit die sie mir jeden Tag aufs neue
leisten.
In seiner reinsten Form ist Gebet nicht die Bitte an etwas
ausserhalb von mir, sondern es ist die
Zwiesprache mit dem was mich ausmacht, mit meinem Sein, mit mir selbst, mit dem
göttlichen Teil in mir, der wieder Teil
der das Universum füllenden uns schaffenden
göttlichen Intelligenz ist. Wenn
wir heute so viele Menschen den Weg des
Yoga und der Meditation einschlagen sehen, dann ist das auch nur wieder ein Weg zu
unserem Sein, ein Weg von vielen, eine religio = Rückverbindung zu dem was uns
ausmacht.
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