Freitag, 10. Juli 2020

Kinder in meinem Garten

Bei der Beobachtung meiner Enkelkinder überlege ich, wie eine bestmögliche Erziehung sein sollte. Wegweiser könnte die Natur sein. Wenn ich einer Pflanze ihren freien Wuchs erlaube, wächst sie unkontrolliert nach allen Seiten und verwendet ihre Kraft rein für das Wachstum. Die Früchte, die sie tragen wird sind gering. Lenke ich aber das Wachstum und schneide unnötige Triebe zurück, werden die Kräfte der Pflanze gebündelt und Blüten und Früchte fallen viel reicher aus. Ist es nicht ganz ähnlich, wenn wir über die Erziehung unserer Kinder nachdenken? Lassen wir den Kräften der Natur freien Lauf, dann kann der Mensch sich nach allen Seiten entwickeln, aber er kann nicht seine höchste Blüte erreichen. Lenken wir seine Lebensenergie gezielt dorthin, wo er den grösstmöglichen Nutzen für seine Begabungen hat, werden auch die Früchte seines Lebens andere sein, als das der wildwachsenden Pflanze. Versäumen wir die notwendigen Schnitte schon in der Jugend, entstehen viele sinnlosen Triebe, die keine Früchte tragen werden. Ein guter Gärtner sorgt dafür, dass die junge Pflanze in den richtigen Boden kommt, er beobachtet ihren Wuchs und setzt seinen Schnitt dort an, wo Unnötiges entsteht. Dabei ist jede Pflanze anders, jede entwickelt ihren eigenen Charakter und jede bedarf einer besonderen Zuwendung.
Wir sind die Gärtner unserer Kinder. Wir beobachten sorgfältig ihr Wachstum und versuchen bestmöglich ihren besonderen Bedürfnissen gerecht zu werden. Wir müssen erkennen, wo ein lenkender Schnitt notwendig ist, wir vermeiden, dass ihre Lebensenergien in die falsche Richtung fliessen. Die Kunst der Erziehung liegt darin, zu erkennen, wo die Stärken und Schwächen unserer Kinder liegen, dort sorgfältig zurückzuschneiden, wo es notwendig ist und den Begabungen unsere volle Aufmerksamkeit schenken. Wenn wir die Pflanzen in unserem Garten vernachlässigen, weil andere Dinge unseres Lebens uns zu sehr beschäftigen, werden wir bald Wildwuchs beobachten und keine Freude an dem haben, was wir gepflanzt haben. Wie Montaigne in einem seiner Essays sagt, -es ist leicht ein Pflänzlein zu setzen aber schwer es gross zu ziehen. Das Grossziehen erfordert viel Liebe und Aufmerksamkeit.

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