Wenn ich heute bei alten Freunden eingeladen bin, dann fällt
mir auf, dass viele darüber sprechen, was sie früher getan haben, ihre Leistungen,
ihr Leben. Der Blick ist rückwärts
gerichtet. Auch wird über das Alter
gesprochen über die Einschränkungen, die
mit dem Alter kommen. Es geht viel um das Tun, um das Bedauern, nicht mehr das
tun zu können, was früher war und um die kleinen Leiden, die unser Tun im Alter
einschränken. Selten wird ein Gespräch
tiefsinniger, wie es sich eigentlich für unser Alter verstehen würde. Selten
einmal, dass die tieferen geistigen Dimensionen des Lebens berührt werden.
In der Jugend befinden wir uns in einer expansiven Phase,
nicht nur unsere physische Existenz ist im Aufbau, sondern auch unser Tun. Wir
bauen auf, schaffen unseren Platz im Leben, unsere Familie, unsere materielle
Existenz. Unser Leben wird durch das Tun
geprägt. Selten, dass in dieser Phase unser Leben die Dimension der Tiefe
erlebt. Nur Krisen, Krankheit und Tod berühren die Fundamente des Lebens, unseres
Seins. Wir versuchen, solange es geht in der Dimension des Tuns zu leben und
verdrängen die andere Seite, die Tiefe
des Lebens.
In früheren Kulturen wurde im Alter mehr die Ebene der Tiefe
gepflegt. Der Blick auf die geistige Seite unseres Lebens gerichtet, auf das
Leben selbst auf das Sein. Deshalb wurde
das Alter auch geehrt, weil auch die Jugend im Alter das erkennen konnte, was
wir das Geheimnis des Lebens nennen. Erst im Alter finden wir die Ruhe auf die
andere Seite des Lebens zu blicken, auf
das Sein, das allem Leben zugrunde liegt. Würde es nicht viel würdevoller sein,
wenn wir nicht mehr krampfhaft versuchen so zu tun, als ob das Alter an uns
vorbeigehen würde? Würde es uns Alten nicht besser zu Gesicht
stehen, auch ab und zu in unserem Tun
innezuhalten, die Schönheit des Lebens um uns zu sehen, die Vollkommenheit des
Lebens um uns und in uns wahrzunehmen?
Das können wir nur, wenn wir zur Ruhe kommen, es nicht mehr mit den
Jungen aufnehmen wollen, kein hektisches Tun mehr unser Leben bestimmen lassen.
Wenn wir wieder die Dimension der Tiefe in uns
entdecken, die immer da war, aber bei uns in Vergessenheit geraten ist, dann öffnet
sich ein neuer unendlich reicher Lebensbereich. Wenn wir im Alter lernen, mehr aus
der geistigen Dimension unseres Lebens zu schöpfen, würde auch unsere
Zivilisation uns nicht mehr ignorieren, auf das Altenteil abschieben, und uns
als störend empfinden.
Nicht den Jungen nacheifern im hektischen Tun, nicht unserer
vergangenen Jugend nachtrauern, sondern unser Leben anhalten, in die Dimension
der Tiefe tauchen und die Jungen an unserer Weisheit teilhaben lassen, die uns aus der Tiefe zufliesst. Leben ist nicht nur Tun, Leben ist auch Sein, im Sein erlebe ich die ganze Fülle und den
ganzen Reichtum des Lebens.
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