Montag, 11. Juni 2012

Das hohe Lied der Liebe

Bei Trauungen wird gerne zur Lesung der 1. Korintherbrief verwendet. Ein schönes Liebesgedicht wäre besser geeignet. Der Text des Paulus ist tief philosophisch und kann ohne Erläuterungen kaum verstanden werden und das junge Paar hat bestimmt eine andere Liebe im Sinn als die, von der Paulus spricht. Wenn wir den Text genau lesen, beschreibt Paulus die verschiedenen Qualitäten der Liebe, - Langmut, Güte, Bescheidenheit, Rechtes Tun, Verzeihen, Wahrheitsliebe, Geduld, Glaube, Hoffnung – dieser Katalog, den Paulus benennt liesse sich noch fortsetzen mit allem was man der Lebensform Liebe zuordnen kann. Er stellt dieser Liebe eine Vielzahl von Tätigkeiten gegenüber, wie Zungenreden, Wissen und Erkenntnis, Glaubenskraft, Freigebigkeit und stellt fest, dass diese Eigenschaften und Handlungen keinen Wert als solche hätten, wenn sie nicht in der Liebe geschehen. Wenn sie nicht in der Liebe geschehen, in was geschehen sie dann, sind sie aus der Angst geboren ? -denn das Leben in seiner Dualität wird nur von diesen beiden Grundelementen beherrscht. Er geht vom Wissens-und Erkenntnisstand der damaligen Zeit aus und bezeichnet diesen als Stückwerk, gar als Kinderglauben. Dann als Erwachsener spricht er von sich, schaut in den Spiegel und erkennt nur rätselhafte Umrisse der Wahrheit und ihm bleiben nur Glaube, Hoffnung und Liebe. Eigentlich ein Text, der sehr selbstkritisch mit dem eigenen Handeln umgeht, der die Grenzen unserer Erkenntnis schildert, der Handeln aus der Konvention heraus kritisiert, Freigebigkeit vor dem Nachbarn, Glauben der Religionen, Wissen und Erkenntnis als Verstandestätigkeit, alles unser Tun als wertlos bezeichnet, wenn es denn nicht in der Liebe geschieht. Die Liebe von der Paulus spricht ist die allumfassende göttliche Liebe, die Liebe aus der unser ganzes Sein fliesst, das göttliche in uns und in allem um uns, die Schönheit des Seins, die Geborgenheit in der Gewissheit der göttlichen Liebe. Dabei geht er wohl auch davon aus, dass diese Liebe in allem vorhanden ist, es aber auf die Erkenntnis dieser Liebe durch uns ankommt. Er meint , dass alles menschliche Handeln hinter dieser Liebe verblasst und seine Bedeutung verliert. Und er erkennt, dass er von dieser Liebe nur ein Stückwerk erfährt und dass sich der Spiegel der Erkenntnis erst klären wird, wenn wir hinter diesen schauen können, er meint damit in der Symbolik der damaligen Zeit, die Tür von Geburt und Tod zu durchschreiten. In diesem Text könnte man auch Zweifel erkennen, ob denn die göttliche Liebe vorhanden ist in diesem Leben oder ob sie erst dann sichtbar wird, wenn wir hinter den Spiegel blicken. Insgesamt ein schöner Text des Paulus, eine dichterische grosse Sprache, aber für die Hochzeit eines jungen Paares wenig geeignet.

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