Dienstag, 20. Januar 2015

Rolle und Funktion


Ein Mitarbeiter hat um seine  Entlassung gebeten.  Ich kenne ihn seit 15 Jahren. In den ersten Jahren ist er   mit seiner neuen Frau  zu einem anderen Platz gezogen. Seine zwei jungen Söhne baten mich  im Betrieb bleiben zu können.  Wir haben sie zur Schule geschickt und aufgezogen. Jetzt sind es selbständige Menschen geworden.  Die Ehe des Vaters ging nicht gut. Der Alkohol machte aus einem  zuverlässigen, pflichtbewusstem  Mitarbeiter  einen  immer mehr gebrochenen Menschen. Dieser Mensch kommt zu mir und bittet um seinen Abschied, sein Sohn will ihn begleiten, was wartet auf die Beiden. Mich berührt dieses Schicksal,  die beiden haben 15 Jahre  eine Rolle in meinem Leben gespielt. Was war der Anlass für diese Entscheidung, warum geben sie eine sichere Position für eine ungewisse Zukunft auf? 
Wir leben hier in einer noch archaischen Gesellschaft.  Die Menschen erfüllen Rollen,  der Mann, die Frau, das Kind, die berufliche Funktion.  Die Menschen definieren sich durch diese Rollen. Wird eine Rolle beschädigt, so wird das Ego beschädigt. In diesem Fall  hat die untreue Ehefrau den Mann in den Alkohol getrieben. Seine Rolle als Mann, sein Ansehen in der kleinen Gemeinschaft war in den Augen seines Egos so verletzt, dass er sich zunächst in den Alkohol  flüchtete und jetzt die Gemeinschaft gegen eine ungewisse Zukunft tauscht.
Ich überlege, ob ich   in meiner Art nicht auch eine Rolle spiele, ob mir mein Ego etwas vorgaukelt, was ich nicht bin.  Spiele  ich die Rolle des Vaters, des Unternehmers, des Anwalts?  Ich hoffe, dass ich in meinem Leben nie eine Rolle gespielt, sondern nur eine Funktion wahrgenommen habe, eine Verantwortung übernommen, einen Beruf ausgeübt habe.  Eine Funktion ausüben, ist etwas anderes, als eine Rolle spielen.  Bei einer Rolle übernimmt das Ego die Führung, die Ehefrau, die sich über ihren Mann definiert,  die Mutter, die ihre Kinder nicht loslässt, weil sie keine andere Funktion im Leben übernommen hat, der Angestellte, der ganz  von seinem Unternehmen  aufgesogen wird und sich in seinen Funktionen sonnt.
Die Aufgaben, die das Leben uns stellt,  sind alle wichtig. Wenn wir diese Aufgaben richtig angehen, mit Liebe und Verantwortungsbewusstsein ausfüllen, dann  wird alles was wir anfassen gut.  Die Eltern, die ihre Kinder mit Liebe und Verantwortungsbewusstsein aufziehen, entlassen mündige junge Menschen in das Leben.  Der  Ehemann, der seine Frau nicht als seinen Besitz betrachtet, sondern die Seele des anderen sieht, die sich ihm anvertraut  und  sich in dieser Seele erkennt, wird eine gute und erfolgreiche Ehe führen.  Der Unternehmer, der sein  Unternehmen nicht als sein Eigentum betrachtet, sondern als Verantwortung den Mitarbeitern  und der Welt gegenüber  sieht,  übt die ihm  vom Schicksal zugeordnete Funktion aus.  Dabei ist nichts von Bestand, alles wandelt sich, unsere Funktionen genauso, wie die Aufgaben,, die das Leben uns stellt.  Den Mitarbeiter, der um seine Entlassung bittet, der Sohn der seinen Vater in eine ungewisse Zukunft begleitet, ich lasse sie gehen. Meine  Worte zum Alkohol verhallen wohl ungehört.  Es berührt mich trotzdem, ein Teil meines Lebens entschwindet,  das Leben nimmt seinen Lauf


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