Ein Mitarbeiter hat um seine Entlassung gebeten. Ich kenne ihn seit 15 Jahren. In den ersten
Jahren ist er mit seiner neuen Frau zu einem anderen Platz gezogen. Seine zwei jungen
Söhne baten mich im Betrieb bleiben zu
können. Wir haben sie zur Schule
geschickt und aufgezogen. Jetzt sind es selbständige Menschen geworden. Die Ehe des Vaters ging nicht gut. Der
Alkohol machte aus einem zuverlässigen,
pflichtbewusstem Mitarbeiter einen
immer mehr gebrochenen Menschen. Dieser Mensch kommt zu mir und bittet
um seinen Abschied, sein Sohn will ihn begleiten, was wartet auf die Beiden.
Mich berührt dieses Schicksal, die
beiden haben 15 Jahre eine Rolle in
meinem Leben gespielt. Was war der Anlass für diese Entscheidung, warum geben
sie eine sichere Position für eine ungewisse Zukunft auf?
Wir leben hier in einer noch archaischen Gesellschaft. Die Menschen erfüllen Rollen, der Mann, die Frau, das Kind, die berufliche
Funktion. Die Menschen definieren sich
durch diese Rollen. Wird eine Rolle beschädigt, so wird das Ego beschädigt. In
diesem Fall hat die untreue Ehefrau den
Mann in den Alkohol getrieben. Seine Rolle als Mann, sein Ansehen in der
kleinen Gemeinschaft war in den Augen seines Egos so verletzt, dass er sich
zunächst in den Alkohol flüchtete und
jetzt die Gemeinschaft gegen eine ungewisse Zukunft tauscht.
Ich überlege, ob ich in meiner Art nicht auch eine Rolle spiele,
ob mir mein Ego etwas vorgaukelt, was ich nicht bin. Spiele ich die Rolle des Vaters, des Unternehmers,
des Anwalts? Ich hoffe, dass ich in
meinem Leben nie eine Rolle gespielt, sondern nur eine Funktion wahrgenommen
habe, eine Verantwortung übernommen, einen Beruf ausgeübt habe. Eine Funktion ausüben, ist etwas anderes, als
eine Rolle spielen. Bei einer Rolle
übernimmt das Ego die Führung, die Ehefrau, die sich über ihren Mann definiert, die Mutter, die ihre Kinder nicht loslässt,
weil sie keine andere Funktion im Leben übernommen hat, der Angestellte, der
ganz von seinem Unternehmen aufgesogen wird und sich in seinen Funktionen
sonnt.
Die Aufgaben, die das Leben uns stellt, sind alle wichtig. Wenn wir diese Aufgaben
richtig angehen, mit Liebe und Verantwortungsbewusstsein ausfüllen, dann wird alles was wir anfassen gut. Die Eltern, die ihre Kinder mit Liebe und
Verantwortungsbewusstsein aufziehen, entlassen mündige junge Menschen in das
Leben. Der Ehemann, der seine Frau nicht als seinen
Besitz betrachtet, sondern die Seele des anderen sieht, die sich ihm anvertraut und
sich in dieser Seele erkennt, wird eine gute und erfolgreiche Ehe
führen. Der Unternehmer, der sein Unternehmen nicht als sein Eigentum
betrachtet, sondern als Verantwortung den Mitarbeitern und der Welt gegenüber sieht,
übt die ihm vom Schicksal
zugeordnete Funktion aus. Dabei ist
nichts von Bestand, alles wandelt sich, unsere Funktionen genauso, wie die
Aufgaben,, die das Leben uns stellt. Den
Mitarbeiter, der um seine Entlassung bittet, der Sohn der seinen Vater in eine
ungewisse Zukunft begleitet, ich lasse sie gehen. Meine Worte zum Alkohol verhallen wohl
ungehört. Es berührt mich trotzdem, ein
Teil meines Lebens entschwindet, das
Leben nimmt seinen Lauf
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