Zum Anfang des Jahres mache ich mir Gedanken, wo ich in
meinem Leben heute stehe. Durch den Wunsch meines Sohnes, Verantwortung für das
zu übernehmen, was ich bisher gemacht habe, ist mir deutlich geworden, dass alles was ich in dieser Welt bisher
getan habe, seinem Ende zugeht. Über mein illusorisches Ich bin ich mir bewusst, und
mein eigentliches Ich ist nicht nur
das Ziel meiner Träume, sondern auch das Ziel meiner Reise. Wenn das Leben richtig läuft, dann erkennen
wir irgendwo auf unserem Weg , dass wir nicht nur das Abenteuer des Lebens in
dieser Welt zu bewältigen haben, sondern dass es noch ein viel grösseres
Abenteuer ist, den Weg nach Innen zu gehen, den Weg zu unserem eigentlichen Ich. Ich weiß nicht wie viel Zeit
mir gegeben ist auf meinem verbleibenden Weg. Diese Zeit muss ich sorgfältig
aufteilen, ich kann es nicht machen wie Karl V, der sich in ein Kloster
zurückzog um sich ganz seinem Weg nach innen zu widmen, da bleibt noch einiges
für mich auf dieser Welt zu regeln. Ich
will mich aber auch nicht vom Tagesgeschäft so vereinnahmen lassen, dass ich
darüber den Weg zu meinem eigenen Himmel übersehe. Neue Abenteuer auf dieser
Welt möchte ich nicht eingehen, es reicht schon, wenn es mir gelingt meine
verschiedenen Schauplätze einigermaßen zu ordnen, meinen Kindern nicht ein
Chaos zu hinterlassen. Meine Tageszeit teile ich mir sorgfältig ein, nachts
gehe ich meinen Weg nach innen, nicht
nur in meiner unbewussten Schlafphase, sondern wenn ich erwache, meistens
zwischen drei und vier, lasse ich nicht einen ungeordneten Gedankenfluss zu, sondern
blicke nach innen, um mein Leben zu fühlen. Diese frühen Morgenstunden sind die wertvollste Zeit in meinem Leben, jeden
Morgen widme ich mich einem anderen Gedanke. Das Leben hat mir vergönnt, meine
Kinder alle erwachsen und selbstständig zu sehen. Dieses Jahr erlebe ich sogar
meine ersten Enkelkinder. Das Schicksal hat mich auch
mit einer guten Gesundheit ausgestattet, sodass ich nicht unter den üblichen
Altersgebrechen leide. Einige Abstriche muss ich in Kauf nehmen, aber insgesamt
kann ich mir noch fast alles zutrauen. Meine
sportlichen Aktivitäten haben in den letzten Jahren zugenommen, ich bin mir
bewusst, dass mein Körper mehr
Aufmerksamkeit verlangt, als ich ihm in jüngeren Jahren gegeben habe. Mein Körper
dankt es mir, in dem er mich vor Altersgebrechen und Krankheiten weitgehend verschont hat. Ich beobachte auch
immer wieder meinen Geist, ist dieser noch so funktionsfähig wie in früheren
Jahren, muss
ich da Abstriche hinnehmen, lässt mein Gedächtnis nach, muss ich mir weniger
zutrauen? Bisher habe ich keine wesentliche Einschränkung meines Kurzzeit- und
meines Langzeitgedächtnis feststellen können. Auch mein Denken scheint sich immer mehr auf das
Wesentliche zu konzentrieren und der lästige Gedankenfluss lässt sich mit den
zunehmenden Jahren immer besser zurückdrängen. Natürlich bin ich mir im klaren,
dass die physischen Zerfallserscheinungen auch vor dem Geist nicht halt machen. Ich hoffe aber, dass mein
Geist, der sich immer mehr nach innen wendet,
auf mein eigentliches Ich zu, meine Kräfte des Lebens dazu animiert, mich in
meiner jetzigen Erscheinungsform noch etwas zu erhalten, so dass es mir vielleicht gelingt physisch und geistig gesund zu bleiben, bis das
Leben mich wieder in sich aufnimmt.
- Das interessante
am Alter ist unser Blick, der sich nicht mehr rückwärts wendet, das was gewesen
ist, ist gewesen. Auch ist unser Blick nicht mehr in die Zukunft gerichtet,
eine Zukunft die es nie gegeben hat, - die
Zukunft bestand nur in unserer Fantasie, in unseren Gedanken, wie viel weniger besteht sie wenn
man einmal die 75 erreicht hat. Die Tage
werden länger, die Nächte kürzer das Leben
intensiver, wenn der Weg nach innen geht und wir mit unserer Seele in
Dialog treten. Welcher Reichtum des Lebens breitet sich vor einem aus.- Die
Menschen sagen, der Arme, er ist alt geworden.
Dabei übersehen sie, dass vor lauter Tagesgeschehen, sie ihr eigentliches
Leben nicht wahrnehmen, das Leben dass in
jedem von uns ist, dass uns
geschaffen hat, das unseren Weg bestimmt, immer da war und immer da sein wird. Und
wenn es uns vergönnt ist im Alter etwas innezuhalten und unseren Blick, der
immer nach außen gerichtet war nach innen zu lenken, dann erst entdecken wir
den eigentlichem Reichtum unseres Lebens. Diesen Weg nach innen will ich immer
mehr gehen und den äusseren Weg auf das
Notwendige beschränken. Das habe ich mir für dieses Jahr vorgenommen.
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