Sonntag, 11. Januar 2015

Standortbestimmung

Zum Anfang des Jahres mache ich mir Gedanken, wo ich in meinem Leben heute stehe. Durch den Wunsch meines Sohnes, Verantwortung für das zu übernehmen, was ich bisher gemacht habe, ist mir deutlich geworden,  dass alles was ich in dieser Welt bisher getan habe, seinem Ende zugeht. Über mein illusorisches Ich  bin ich mir bewusst, und mein eigentliches Ich ist nicht nur das Ziel meiner Träume, sondern auch das Ziel meiner Reise.  Wenn das Leben richtig läuft, dann erkennen wir irgendwo auf unserem Weg , dass wir nicht nur das Abenteuer des Lebens in dieser Welt zu bewältigen haben, sondern dass es noch ein viel grösseres Abenteuer ist, den Weg nach Innen zu gehen, den Weg zu unserem  eigentlichen Ich. Ich weiß nicht wie viel Zeit mir gegeben ist auf meinem verbleibenden Weg. Diese Zeit muss ich sorgfältig aufteilen, ich kann es nicht machen wie Karl V, der sich in ein Kloster zurückzog um sich ganz seinem Weg nach innen zu widmen, da bleibt noch einiges für mich  auf dieser Welt zu regeln. Ich will mich aber auch nicht vom Tagesgeschäft so vereinnahmen lassen, dass ich darüber den Weg zu meinem eigenen Himmel übersehe. Neue Abenteuer auf dieser Welt möchte ich nicht eingehen, es reicht schon, wenn es mir gelingt meine verschiedenen Schauplätze einigermaßen zu ordnen, meinen Kindern nicht ein Chaos zu hinterlassen. Meine Tageszeit teile ich mir sorgfältig ein, nachts gehe ich meinen Weg nach innen,  nicht nur in meiner unbewussten Schlafphase, sondern wenn ich erwache, meistens zwischen drei und vier, lasse ich nicht  einen ungeordneten Gedankenfluss zu, sondern blicke nach innen, um mein Leben zu fühlen. Diese frühen Morgenstunden sind  die wertvollste Zeit in meinem Leben, jeden Morgen widme ich mich einem anderen Gedanke. Das Leben hat mir vergönnt, meine Kinder alle erwachsen und selbstständig zu sehen. Dieses Jahr erlebe ich sogar meine ersten Enkelkinder. Das Schicksal  hat mich   auch mit einer guten Gesundheit ausgestattet, sodass ich nicht unter den üblichen Altersgebrechen leide. Einige Abstriche muss ich in Kauf nehmen, aber insgesamt kann ich mir noch fast alles zutrauen.  Meine sportlichen Aktivitäten haben in den letzten Jahren zugenommen, ich bin mir bewusst,  dass mein Körper mehr Aufmerksamkeit verlangt, als ich  ihm  in jüngeren Jahren gegeben habe. Mein Körper dankt es mir, in dem er mich vor Altersgebrechen und Krankheiten   weitgehend verschont hat. Ich beobachte auch immer wieder meinen Geist, ist dieser noch so funktionsfähig wie in früheren Jahren,    muss ich da Abstriche hinnehmen, lässt mein Gedächtnis nach, muss ich mir weniger zutrauen? Bisher habe ich keine wesentliche Einschränkung meines Kurzzeit- und meines Langzeitgedächtnis feststellen können. Auch mein  Denken scheint sich immer mehr auf das Wesentliche zu konzentrieren und der lästige Gedankenfluss lässt sich mit den zunehmenden Jahren immer besser zurückdrängen. Natürlich bin ich mir im klaren, dass die physischen Zerfallserscheinungen auch vor dem Geist  nicht halt machen. Ich hoffe aber, dass mein Geist, der sich immer mehr nach innen wendet,  auf mein eigentliches Ich zu,   meine Kräfte des Lebens dazu animiert,  mich  in meiner jetzigen Erscheinungsform noch etwas  zu erhalten, so dass es mir vielleicht  gelingt     physisch und geistig gesund zu bleiben, bis das Leben  mich wieder in sich aufnimmt.

  - Das interessante am Alter ist unser Blick, der sich nicht mehr rückwärts wendet, das was gewesen ist, ist gewesen. Auch ist unser Blick nicht mehr in die Zukunft gerichtet, eine Zukunft die es  nie gegeben hat, - die Zukunft bestand nur in unserer Fantasie, in unseren  Gedanken, wie viel weniger besteht sie wenn man einmal die 75 erreicht hat.  Die Tage werden länger, die Nächte kürzer das Leben  intensiver, wenn der Weg nach innen geht und wir mit unserer Seele in Dialog treten. Welcher Reichtum des Lebens breitet sich vor einem aus.- Die Menschen sagen, der Arme, er ist alt geworden.  Dabei übersehen sie, dass vor lauter Tagesgeschehen, sie ihr eigentliches Leben nicht wahrnehmen, das Leben dass in  jedem  von uns ist, dass uns geschaffen hat, das unseren Weg bestimmt, immer da war und immer da sein wird.   Und wenn es uns vergönnt ist im Alter etwas innezuhalten und unseren Blick, der immer nach außen gerichtet war nach innen zu lenken, dann erst entdecken wir den eigentlichem Reichtum unseres Lebens. Diesen Weg nach innen will ich immer mehr gehen  und den äusseren Weg auf das Notwendige beschränken. Das habe ich mir für dieses Jahr vorgenommen. 


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