Mit zunehmendem Alter lässt oft die Hörfähigkeit nach. Ich
höre weniger, aber gleichzeitig höre ich mehr. Ich höre mehr Stille. Wenn ich
die Menschen um mich beobachte, dann scheinen sie alles zu tun, um keine Stille
eintreten zu lassen. Sie reden, oft völlig sinnloses, lassen den Fernseher
laufen, noch mehr sinnloses Geschwätz, stecken sich Hörer in die Ohren, und
lassen ganze Musiksammlungen an ihrem Gehör vorbeilaufen. Es ist, als ob sie alles dafür tun, um keinen
Moment der Stille aufkommen zu lassen. Dabei kommt jedes Wort, jeder Ton aus
der Stille, wird von der Stille getragen, kehrt in die Stille zurück. Die Stille ist die Essenz jedes Tons, ohne
Stille würden wir den Ton nicht wahrnehmen. Und doch unternehmen wir alles, um
die Stille mit Lärm so zu verdecken, dass wir sie nicht mehr wahrnehmen können.
Wir leben in der lautesten Welt, die es je gegeben hat. Dabei ist Stille das,
was den Ton ermöglicht, es ist Stille, aus der die Schönheit von Musik
erwächst, es ist Stille, aus der die Gedichte fliessen, es ist Stille, aus der
die Amsel singt. Brauchen wir erst das Alter, um Stille wieder wahrnehmen zu
lernen? Aus meiner Umgebung höre ich die
Klage, der Arme hört schlecht. Ich höre
nicht schlechter, ich höre nur selektiver und intensiver. Ich höre nur noch
das, was ich hören möchte und höre heute Töne, die ich früher in dem Umweltlärm
nicht mehr wahrnehmen konnte. Heute kann ich das Lob der Stille singen, sie ist
mir bewusster geworden, weil erst das Alter mir ermöglicht hat Stille
wahrzunehmen.
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