Mit 60 ist es Zeit innezuhalten und einmal zurückzublicken
auf die vergangenen Jahre. Was haben wir in den vergangenen Jahren erlebt, was ist
in der Erinnerung gespeichert? Unsere
Erinnerung ist keine kontinuierliche Geschichte sondern eine Aneinanderreihung
von Lebensmomenten. Einen Teil unserer Lebensmomente haben wir sicher in die
Truhe des Vergessens geschoben, aber alle wichtigen Momente, sowohl positive
als auch negative können wir aus unserem Gedächtnis abrufen.
Wenn wir uns diese Momente anschauen, dann erinnern wir uns
and den Frühling unseres Lebens, die
Jugendjahre, wo wir noch behütet bei unseren Eltern lebten. Wenn wir für diese
Zeit im Wesentlichen nur positive
Erinnerungen haben, dürften die Eltern alles mit uns Kindern richtig gemacht
haben. Aber schon früh setzte der Lerndruck ein, jedes Jahr musste das Klassenziel
erreicht werden, dann die Uni und immer wieder Stand ein Examen vor uns, eine
scheinbar unüberwindliche Barriere – und immer wieder haben wir es geschafft. Ich frage mich oft, ob wir die Anforderungen,
die an uns gestellt wurden für uns erfüllt haben oder weil man dies von uns
erwartet hat. Wahrscheinlich ist es beides, die Eltern und Schule haben uns
motiviert und wir wussten, dass wir unsere Lebensziele nur erreichen, wenn wir zumindest das beherrschen
was unsere Umwelt von uns verlangte, aber wichtiger noch die Bereiche, wo
unsere Neigungen und Veranlagungen lagen, mit besonderer Aufmerksamkeit
behandelten. Und so haben unsere Umwelt
und wir selber uns zu dem Menschen geformt den wir heute darstellen.
Den Sommer unseres Lebens hatten wir dann mit 30 erreicht. Unsere
Lehr- und Wanderjahre waren abgeschlossen. Wenn wir uns bisher mit uns selbst
beschäftigt hatten, richtete sich der Blick nach aussen, auf die Aufgaben, die
uns das Leben stellte, auf unsere Position in der Welt, auf unser berufliches
Fortkommen. Die Jahre von 30 bis 60 sind die Jahre, die im Gedächtnis unserer
Umwelt prägend für das sind, was mit unserer Person verbunden wird. Es sind die
Jahre in denen wir Spuren in der Welt hinterlassen haben.
Mit 60 treten wir nun in den Herbst unseres Lebens ein. Wir können nun auf
einen grossen Teil unseres Lebens zurückblicken. Es ist alles so unglaublich schnell gegangen. Haben
wir alles erreicht, was wir uns vorgenommen haben? Unser Leben ist keineswegs zu Ende, aber wir fragen uns, was war das
Wichtige was wir gemacht haben – und waren
alle unsere Entscheidungen richtig, die wir getroffen haben, wie haben sie den
Lauf unseres Schicksal bestimmt? Von einem bin ich überzeugt, alle
Entscheidungen die ich mit dem Herzen getroffen habe, waren gute Entscheidungen
und ich kann mich mit ihnen
identifizieren. Entscheidungen, die nur mit dem Verstand getroffen wurden sind oft nicht befriedigend verlaufen. Mit 60 sind wir älter und weiser, wir wissen was im Leben wirklich
wichtig ist. Es ist Erntezeit. Wir
fahren das in die Scheuer, was wir in unserem Leben angebaut haben. Wichtig
sind uns nicht die Güter, die wir geschaffen haben, wichtig sind die Menschen,
mit denen wir zu tun hatten, wichtig ist die Welt, in der wir leben und die wir
für die Nachfolgenden zurücklassen, wichtig sind unsere Gefühle und vor allem
die Liebe, mit der wir unsere Handlungen begleitet haben, und vor allem die Liebe zu diesem jetzigen
Moment in dem wir auf unser Leben zurückblicken und sagen können – es war alles
gut und richtig was ich gemacht habe oder ich habe alles so gemacht wie ich es
konnte und ich vergebe mir selbst, wenn ich es nicht richtig gemacht habe.
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