Mittwoch, 25. September 2019

Die Zeiten des Lebens


Mit 60 ist es Zeit innezuhalten und einmal zurückzublicken auf die vergangenen Jahre. Was haben wir in den vergangenen Jahren erlebt, was ist in der Erinnerung gespeichert?  Unsere Erinnerung ist keine kontinuierliche Geschichte sondern eine Aneinanderreihung von Lebensmomenten. Einen Teil unserer Lebensmomente haben wir sicher in die Truhe des Vergessens geschoben, aber alle wichtigen Momente, sowohl positive als auch negative können wir aus unserem Gedächtnis abrufen.
Wenn wir uns diese Momente anschauen, dann erinnern wir uns and den Frühling unseres Lebens,  die Jugendjahre, wo wir noch behütet bei unseren Eltern lebten. Wenn wir für diese Zeit  im Wesentlichen nur positive Erinnerungen haben, dürften die Eltern alles mit uns Kindern richtig gemacht haben. Aber schon früh setzte der Lerndruck ein, jedes Jahr musste das Klassenziel erreicht werden, dann die Uni und immer wieder Stand ein Examen vor uns, eine scheinbar unüberwindliche Barriere – und immer wieder haben wir es geschafft.  Ich frage mich oft, ob wir die Anforderungen, die an uns gestellt wurden für uns erfüllt haben oder weil man dies von uns erwartet hat. Wahrscheinlich ist es beides, die Eltern und Schule haben uns motiviert und wir wussten, dass wir unsere Lebensziele nur  erreichen, wenn wir zumindest das beherrschen was unsere Umwelt von uns verlangte, aber wichtiger noch die Bereiche, wo unsere Neigungen und Veranlagungen lagen,  mit besonderer Aufmerksamkeit behandelten.  Und so haben unsere Umwelt und wir selber uns zu dem Menschen geformt den wir heute darstellen.
Den Sommer unseres Lebens hatten wir dann mit 30 erreicht. Unsere Lehr- und Wanderjahre waren abgeschlossen. Wenn wir uns bisher mit uns selbst beschäftigt hatten, richtete sich der Blick nach aussen, auf die Aufgaben, die uns das Leben stellte, auf unsere Position in der Welt, auf unser berufliches Fortkommen. Die Jahre von 30  bis 60  sind die Jahre, die im Gedächtnis unserer Umwelt prägend für das sind, was mit unserer Person verbunden wird. Es sind die Jahre in denen wir Spuren in der Welt hinterlassen haben.
Mit 60 treten wir nun in den Herbst  unseres Lebens ein.  Wir  können   nun auf  einen grossen Teil unseres Lebens zurückblicken.  Es ist alles so unglaublich schnell gegangen. Haben wir alles erreicht, was wir uns vorgenommen haben?  Unser Leben ist keineswegs  zu Ende, aber wir fragen uns, was war das Wichtige  was wir gemacht haben – und waren alle unsere Entscheidungen richtig, die wir getroffen haben, wie haben sie den Lauf unseres Schicksal bestimmt?   Von einem bin ich überzeugt, alle Entscheidungen die ich mit dem Herzen getroffen habe, waren gute Entscheidungen und ich kann mich mit ihnen  identifizieren. Entscheidungen, die nur mit dem Verstand getroffen wurden  sind oft nicht befriedigend verlaufen.  Mit 60 sind wir  älter und weiser, wir wissen was im Leben wirklich wichtig ist.  Es ist Erntezeit. Wir fahren das in die Scheuer, was wir in unserem Leben angebaut haben. Wichtig sind uns nicht die Güter, die wir geschaffen haben, wichtig sind die Menschen, mit denen wir zu tun hatten, wichtig ist die Welt, in der wir leben und die wir für die Nachfolgenden zurücklassen, wichtig sind unsere Gefühle und vor allem die Liebe, mit der wir unsere Handlungen begleitet haben,  und vor allem die Liebe zu diesem jetzigen Moment in dem wir auf unser Leben zurückblicken und sagen können – es war alles gut und richtig was ich gemacht habe oder ich habe alles so gemacht wie ich es konnte und ich vergebe mir selbst, wenn ich es nicht richtig gemacht habe.

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