Du stehst am Ende Deines Lebens und blickst auf Dein
Schaffen zurück. Du hast ein bedeutsames Werk geschaffen. Die anderen sagen,
das ist ein wirklich grosser Denker. Er
hat alles erreicht was man sich auf diesem Gebiet wünschen könnte. Und doch ist
da etwas in Dir, das Dir sagt, war das alles,
ich könnte doch noch so viel mehr leisten. Und vielleicht setzt Du Dich hin und schreibst
noch ein bedeutendes Buch und alle sagen, ein wirklich wichtiges Werk. Aber Deine Stimme sagt, das war es doch nicht
was ich wollte. Soll das alles in meinem Leben gewesen sein? Und dann tritt ein wichtiges Ereignis in Dein
Leben ein. Du hast einen Schlaganfall
und plötzlich sind wichtige Voraussetzungen nicht mehr da, um vielleicht noch
ein wichtiges Werk zu schreiben, aber Dein Schicksal hat Dir die Fähigkeit
erhalten, weiterhin wahrnehmen zu können, denken zu können, aber auch
wahrnehmen zu können. Du liegst in
Deinem Bett und denkst, welches Unglück, ich kann noch denken, aber nicht mehr
das schreiben, was ich denken kann. Aber
daneben ist auch noch eine andere
Wahrnehmung, wie wäre es, wenn
mein Schicksal mein Freund ist und mir diese äussere Einschränkung meiner Handlungsfähigkeit
geschickt hat, um mir noch in meinem Leben Gelegenheit zu geben, die Dimension
des Nichtdenkens zu erleben, das
wahrnehmen zu können, was zwischen den Gedanken liegt, die Stille, die Weite, die Leere. Nicht die Sterne zu analysieren, sondern den Raum wahrnehmen, in dem die
Sterne sich bewegen, nicht die Worte zu
denken, sondern die Stille wahrzunehmen, aus der die Worte entstehen, nicht den
Baum zu spezifizieren, sondern die Schönheit und Vollkommenheit des Baums auf
mich wirken zu lassen. Aber vor allem,
in mich hineinzublicken und die Vollkommenheit des Lebens in mir wahrnehmen zu
können, das Leben, das bis zu meinem letzten Atemzug in mir ist und alle Funktionen meines Körpers
in perfekter Harmonie miteinander korrespondieren lässt. Auch wenn einzelne Funktionen eingeschränkt
sind, ist doch das Ganze erhalten und wird erhalten bleiben, solange ich lebe. Dieses Leben kann ich nur jenseits meiner
Gedanken wahrnehmen, es ist die eigentliche Welt, aus der wir kommen, die in
uns ist und in der wir immer bleiben werden.
Fragst Du mich nach dem Sinn des Lebens, so antworte ich, alles was wir
in unserem Leben geleistet haben, hat seinen Wert, aber der eigentliche Sinn
ist es, die Dimension in uns wahrnehmen zu lernen, die uns ausmacht und aus der
wir kommen.
Montag, 15. September 2014
Sonntag, 7. September 2014
Metamorphose
Der Sommer geht zu Ende, in diesen Spätsommertagen wird mir
die Vergänglichkeit von allem bewusst.
In Gesprächen mit J. wird immer
wieder die Trauer und der Verlust deutlich, den der Tod meines Bruders in ihrem
Leben hinterlassen hat. Es wird mir aber
auch bewusst, dass der Tod nichts Schreckliches an sich hat, das Schreckliche sind nur unsere Gedanken
über den Tod, nicht aber der Tod selbst.
Schon in der Geburt ist unsere
Körperform dem Verfall ausgesetzt, und wenn der Tod eintritt schwindet unsere
Körperform und hinterlässt da, wo sie vorher gewesen ist eine Leere. Es ist diese Leere, die hinter der schwindenden Form aufscheint,
die uns einen Blick in die Dimension
ermöglicht, aus der wir kommen und in die wir zurückkehren. In der scheinbaren Leere scheint das durch, das die Körperform geschaffen hat,
das was wir das Göttliche nennen. Der
Tod ist nur die Metamorphose des
Gegenständlichen in das nicht Gegenständliche,
es ist ein heiliger Moment in der Existenz des Menschen. So wie die Raupe sich verpuppt und zum
Schmetterling wird, transformiert sich der Mensch im Moment des Todes in etwas
für unseren Verstand nicht Fassbares.
Wenn wir tief in uns Hineinhören, dann erkennen wir in uns und in allem
das Leben. Das Leben vergeht nicht, nur
die Form. Wenn das Leben unsere Form
verlässt, kehren wir nur dorthin zurück,
wo wir immer gewesen sind. In der
Leere die mir der Tod eines nahestehenden Menschens hinterlässt, erkenne ich das Leben,
und in dem heiligen Moment des Todes sind nicht nur der Sterbende, sondern auch
die Menschen, die an seiner Seite sein dürfen, dem Numismatischem, dem
Schöpfungsprozess, am Nächsten. Erst der
Tod ermöglicht uns das Leben zu erkennen, das in allem ist, er ist nicht das Ende des Lebens, sondern nur der Wandel der Form.
In unserer Verdrängungskultur, in der wir den Tod nicht wahrhaben wollen, entgeht uns ein
ganze wesentlicher Aspekt, der Aspekt
des Lebens. Nur wenn ich den Tod sehe, erkenne ich das Leben in mir. Ich lebe bewusster, ich lasse dem Tod seinen
Platz in meinem Leben und kann jetzt erst
das Geschenk des Lebens in seinem vollen Umfang würdigen.
Ich erblicke das
Wunder des Lebens in den Kindern, die um mich spielen, ich schaue auf das Leben
in den Lilien auf meinem Tisch, ich schaue auf die Elemente um mich, höre das Rauschen der Brandung, lasse mich in
den Spätsommertagen von dem diesigen Licht davontragen, atme die salzige Meeresluft, sehe in den Bäumen die Oliven reifen. Der Sommer geht zu Ende, der Herbst
naht, um mich die Fülle des Seins und
alles im Wandel begriffen, wie wir selbst auch,
alles im Wandel, kein Anfang und
kein Ende, das ist das Leben.
Samstag, 6. September 2014
Zuhören
Wenn ich Menschen im
Flugzeug sehe, Sportler beim Joggen oder im Studio, fast jeder trägt
einen Knopf im Ohr und lässt sich beschallen. Haben die Menschen die Fähigkeit
verloren die Stille zu ertragen? Wir
erleben an uns selbst, dass da jemand im Kopf unablässig spricht und unser
Gehirn mit Gedanken besetzt. Werden
jetzt mit Musik die Gedanken überlagert? Wie ist es mit der Stille, aus
der Gedanken und Musik entstehen? Gibt es noch Momente in denen wir Stille zulassen? Stille ist die Dimension in uns, in der die Welt der Töne
entsteht. Nur wenn wir uns die Fähigkeit
erhalten, in die Stille zu gehen werden wir uns des Wertes der Töne bewusst. Wir
müssen wieder zuhören lernen, um das
Geschenk der Töne zu erfassen.
Wir leben mit Menschen zusammen, unablässig werden wir mit Nachrichten,
Geräuschen, Musik, Lärm zugedröhnt.
Wie ist es denn mit dem Zuhören,
wenn wir mit anderen Menschen sprechen, mit unseren Kindern, unserem
Partner. Hören wir besser zu, wenn es
etwas wichtiges zu sagen gibt oder lassen wir die Geräusche nur am Rande zu und
hören kaum hin?
Wahrscheinlich werden wir wieder zuhören lernen müssen. Zuhören setzt Stille in mir selber
voraus. Das Ausblenden von den Gedanken,
die ständig in meinem Kopf kreisen.
Dabei ist es nicht wichtig was
der Gegenstand des Gespräches ist. Wichtig ist,
dass ich das Feld der Stille in mir spüre. Dieses Feld der Stille ist grösser als mein Selbst, es teilt sich dem anderen mit. Der andere spricht in dieses Feld der Stille
hinein, er kann dieses Feld der ungeteilten Aufmerksamkeit fühlen, in diesem
Feld fühlt er sich erhört, er
fühlt sich erhört, weil in ihm dieses
gleiche Feld vorhanden ist und nur in diesem Feld die Verbindung von zwei
Menschen stattfinden kann.
Töne sind schwingende
Wellen. Der Resonanzboden ist nicht nur
der Kosmos der Zellen, die für
die Aufnahme von Tönen ausgestattet sind,
es ist der Raum der Stille im anderen, der auch mein Raum der Stille
ist. In der Stille
nehmen wir nicht nur die Töne, sondern auch den anderen war, Stllle ist das was wir uns
von einem anderen wünschen, aber vor allem
für uns selbst, es ist die Stille in uns, die uns zu einem guten Zuhörer macht.
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