In meinem Studium des
Rechts habe ich mich zu wenig mit der Rechtsphilosophie beschäftigt, die
Grundlage allen rechtlichen Denkens sein sollte. Vielleicht wissen wir als Studierende
noch, wie ein Kant und ein Hegel gedacht
haben und kennen die grossen Ideen eines
Rousseau. Wieviel von diesen philosophischen Ansätzen wird aber wirklich in der
Praxis angewendet? Der Jurist wird zum
Praktiker erzogen, die Gesetze werden als gegeben betrachtet. So hatten die
Juristen zu allen Zeiten keine Zweifel, berechtigt zu handeln, wenn sie
Menschen für Vergehen, die aus der Not geboren wurden, zu langjährigen
Gefängnisstrafen zu verurteilen oder Menschen wegen ihres Glaubens hinzurichten. In der Gegenwart hat sich das
Recht zu einer eigenen Industrie entwickelt.
Wir werden mit einer Flut von Gesetzen, von Verordnungen und
Verwaltungsakten überschüttet. Es wird versucht jedes kleinste Detail zu
regeln und zu normieren. Die Welt ist
dadurch nicht besser geworden, nur alles Handeln wird durch die Gesetze
ausgebremst.
Wie zu allen Zeiten gibt es die Gesetzesbrecher, die sich an
keine Gesetze halten und die Obrigkeit, die versucht dem entgegenzuwirken. Und
natürlich gibt es auch noch den Bürger, der fassungslos vor dieser Gesetzesflut
steht und nicht weiss was in den meterlangen Gesetzesbüchern steht und hofft,
nicht gegen ein Gesetz in seinem täglichen Leben zu verstossen. Er muss sich
von seinem eigenen Rechtsempfinden leiten lassen, seinem eigenen kategorischen
Imperativ, und hofft damit durch das Leben zu kommen. Als Student der Rechte
habe ich geglaubt, vielleicht als Richter,
Spielräume für mein eigenes
Rechtsempfinden bei der Anwendung der Gesetze zu
haben. Das war nur eine idealistische Annahme, auch das Richteramt ist so
eingeengt, dass nur in den Fernsehsendungen
der Gerechte einen Sieg davonträgt. Die Waagschale der Gerechtigkeit befindet
sich in der Realität nur selten im Gleichgewicht.
Auch die Religionen haben versucht ein Gut und ein Böse zu
definieren. Bei ihnen werden die Vorschriften als heilige Bücher bezeichnet. Von
Heiligkeit und heiler Welt ist in der Realität der Menschheit wenig zu spüren. - Ich masse
mir nicht an, etwas gerecht oder ungerecht zu bezeichnen. Ich sehe nur zu allen
Zeiten, Menschen, die glauben im Besitz
der Wahrheit zu sein, religiöse Gruppen, politische Gruppen, Linke und Rechte, Staaten,
die sich Ideologien verschreiben,- aber
die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zwischen Menschen ist genauso selten anzutreffen wie eh und je. Die
Erbsünde, der Menschheit, das ist die Aufspaltung der Ganzheit in Gegensätze, in ein Gut und in ein Böse, in
denen wenig Raum für Gerechtigkeit und
Barmherzigkeit ist.
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