Sonntag, 27. Juli 2025

Gerechtigkeit und Barmherzigkeit

In meinem  Studium des Rechts habe ich mich zu wenig mit der Rechtsphilosophie beschäftigt, die Grundlage allen rechtlichen Denkens sein sollte. Vielleicht wissen wir als Studierende  noch, wie ein Kant und ein Hegel gedacht haben und kennen die  grossen Ideen eines Rousseau. Wieviel von diesen philosophischen Ansätzen wird aber wirklich in der Praxis angewendet?  Der Jurist wird zum Praktiker erzogen, die Gesetze werden als gegeben betrachtet. So hatten die Juristen zu allen Zeiten keine Zweifel, berechtigt zu handeln, wenn sie Menschen für Vergehen, die aus der Not geboren wurden, zu langjährigen Gefängnisstrafen zu verurteilen oder Menschen wegen ihres Glaubens  hinzurichten. In der Gegenwart hat sich das Recht zu einer eigenen Industrie entwickelt.  Wir werden mit einer Flut von  Gesetzen, von Verordnungen und Verwaltungsakten überschüttet. Es wird versucht jedes kleinste Detail zu regeln  und zu normieren. Die Welt ist dadurch nicht besser geworden, nur alles Handeln wird durch die Gesetze ausgebremst.   

Wie zu allen Zeiten gibt es die Gesetzesbrecher, die sich an keine Gesetze halten und die Obrigkeit, die versucht dem entgegenzuwirken. Und natürlich gibt es auch noch den Bürger, der fassungslos vor dieser Gesetzesflut steht und nicht weiss was in den meterlangen Gesetzesbüchern steht und hofft, nicht gegen ein Gesetz in seinem täglichen Leben zu verstossen. Er muss sich von seinem eigenen Rechtsempfinden leiten lassen, seinem eigenen kategorischen Imperativ, und hofft damit durch das Leben zu kommen. Als Student der Rechte habe ich geglaubt, vielleicht als Richter,  Spielräume  für mein eigenes Rechtsempfinden bei der Anwendung der Gesetze   zu haben. Das war nur eine idealistische Annahme, auch das Richteramt ist so eingeengt, dass nur in den Fernsehsendungen  der Gerechte einen Sieg davonträgt. Die Waagschale der Gerechtigkeit befindet sich in der Realität nur selten im Gleichgewicht.

Auch die Religionen haben versucht ein Gut und ein Böse zu definieren. Bei ihnen werden die Vorschriften als heilige Bücher bezeichnet. Von Heiligkeit und heiler Welt ist in der Realität der Menschheit wenig zu spüren.  -  Ich masse mir nicht an, etwas gerecht oder ungerecht zu bezeichnen. Ich sehe nur zu allen Zeiten,  Menschen, die glauben im Besitz der Wahrheit zu sein, religiöse Gruppen, politische Gruppen, Linke und Rechte, Staaten, die sich Ideologien verschreiben,-  aber die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zwischen Menschen  ist genauso selten anzutreffen wie eh und je. Die Erbsünde, der Menschheit, das ist die Aufspaltung der Ganzheit  in Gegensätze, in ein Gut und in ein Böse, in denen wenig Raum für Gerechtigkeit  und Barmherzigkeit ist.

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