Ich habe schon früh über Rollenspiele nachgedacht. Bei
meinen Enkeln beobachte ich, wie sie schon in frühen Jahren ihre Rollen
spielen. Sie sind Kaufleute, Mütter, die sich um ihre Puppenkinder kümmern,
Eheleute, die uns Erwachsene nachahmen, Gangster, Sheriff, Abenteurer, kaum
etwas wird ausgelassen. Ich frage mich, woher sie diese Rollen kennen, wir
Erwachsenen haben ihnen mit Sicherheit diese Rollen nicht vorgespielt.
Fernsehen hat es früher nicht gegeben, und in meiner Kindheit kannten wir
trotzdem diese Rollen. Kennen wir diese Rollen vielleicht aus früheren
Leben? Irgendwann übernehmen wir in
unserem erwachsenen Leben eine oder mehrere dieser Rollen und identifizieren
uns mit ihnen. Wir glauben, wir wären ein Professor, ein Geistlicher, ein
Unternehmenslenker, ein Schriftsteller
oder ein Künstler. Spielen uns unsere Sinne da einen Streich? Sind wir vielleicht etwas anderes als das,
was uns unsere Fantasie uns als unsere Rolle vorspielt und warum glaubt unsere
Umwelt, wir wären die Rolle, die wir spielen?
Im Buddhismus gibt es die Übung, die Rolle abzustreifen, die
wir glauben zu sein. Der Buddhist verlässt seine Rolle und wird ein Mönch, der
durch die Strassen zieht, und mit einer Schale um Almosen oder Nahrung bittet.
Ist das nicht eine wunderbare Übung, die uns auf die Essenz unseres Lebens
zurückführen kann? Ist es vielleicht nur
eine Rolle, die alte Sitten und Bräuche dem Mönch gebieten? Wir
brauchen nicht eine so radikale Übung, den
Bettelmönch darzustellen, um uns auf unser Menschsein zurückzubesinnen. Es
reicht, wenn wir am Abend, in der Stunde des Schlafengehens, uns an das Bett unserer Kinder setzen, Stille
eintreten lassen, alle Rollen dieser
Welt abstreifen, auch unser Mutter- und
Vatersein, und mit unseren Kindern die Welt der Träume zu betreten, die Welt des Gebetes, und mit
ihnen die Räume kennen lernen, in denen es keine Rollen mehr gibt, und wir nur eins sind mit unseren Kindern und dem
Schöpfergeist, der uns in dieser Stunde ganz nahe ist.
Bei mir sind es die Morgenstunden, wenn ich aus dem Schlaf
erwache, wenn die Welt noch still ist, und vor mir der Tag mit seinen
unendlichen Möglichkeiten liegt. Gerade war ich noch in der Nichtwelt, in der
Welt der Träume, an die ich mich kaum
mehr erinnern kann. Wenn die Wissenschaftler
unsere Gehirnströme in der Zeit des Schlafes messen, erzählen sie uns nur einen
Teil der Wahrheit, wenn sie Aktivitäten feststellen. Im Schlaf kehren wir in unser wirkliches Leben
zurück. Wir verarbeiten, was die Welt des Tages mit sich gebracht hat, und
sammeln die Lebensenergie, die wir für den nächsten Tag brauchen. Im Schlaf
sind alle Rollen von mir abgefallen, die der Tag vielleicht von mir verlangte. Ich kehre in mein eigentliches Sein
zurück. Manche sagen, wir sterben einen
kleinen Tod. Es ist ein kleiner Tod, wenn die Rollen sterben. Und nichts anderes haben wir zu erwarten, wenn wir
endgültig die Rollen abgeben, die diese Welt mit sich gebracht hat und in die
Ebene überwechseln, in der es keine Rollen gibt, und wir wieder in unsere wahre Gestalt erhalten.
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