Montag, 8. Dezember 2014

Ent-täuschung

Ich stehe vor einem Scherbenhaufen.  Ein Mensch, der eine wichtige Stelle in meinem Leben inne  hatte, ist nicht mehr da.  Mein Vertrauen und meine Zuneigung  sind  enttäuscht.  Ein grosser materieller Schaden ist entstanden. Meine Seele ist verletzt.  Wie gehe ich damit um?
Ich frage mich:  bin ich die ganzen Jahre so getäuscht worden?  Dann wäre ja die  Ent – Täuschung etwas Gutes,  nämlich die Aufhebung der Täuschung.  Oder ist da etwas passiert, was sich meinem Wissen entzieht, was eine solche Änderung in dem anderen Menschen hervorgerufen hat. Ich suche nach Entschuldigungen, weil ich diese Täuschung nicht begreifen kann,  weil ich nicht glauben will, dass ich mich so viele Jahre getäuscht haben kann.  Oder ist in diesem Menschen die dunkle Seite für mich nicht sichtbar gewesen, wollte ich nur die gute Seite sehen? Bin ich die ganze Zeit getäuscht worden?

Wir verbinden uns mit anderen Menschen, vertrauen uns anderen Menschen an,  oder andere vertrauen sich uns an. Dieses  Anvertrauen  ist  nur ein zeitlich begrenztes,  es ist ein grosser Vertrauens- , ein grosser Liebesbeweis.  Das Kind vertraut sich der Mutter an,  bis es soweit ist, dass es allein in die Welt hinausgeht,  wir vertrauen uns unserem Lebensgefährten an, bis der Moment kommt, wo  sich der Weg trennt.  Jeder von uns ist eingebettet in diese gegenseitigen  Beziehungen,  und diese Beziehungen sind einem ständigen Wandel unterworfen. Wir wissen um diesen Wandel und dennoch wünschen wir, der gegenwärtige Zustand solle für alle Ewigkeit halten.  Wir sind ganz allein auf dieser Welt  und wir sind ganz eingebettet in die gegenseitigen Beziehungen zu anderen Menschen.  Ent- Täuschungen erleben wir nur, wenn wir uns  über die  Wandelbarkeit aller Beziehungen um uns getäuscht haben. Wenn wir wissen, dass alles im ständigen Wandel begriffen  ist,  dass das Kind die Mutter verlässt,  der  Gefährte den anderen Gefährten,  wenn nicht in diesem Leben, dann spätestens im Tod,  dann können wir nicht ent-täuscht werden.  Den Verlust von materiellen Gütern können wir verkraften, den Verlust von Zuneigung und Liebe schon schwerer, weil  unsere  Seele die Liebe als Nahrung ihrer Selbst benötigt, aber was immer bleibt ist die Kraft  des Göttlichen in uns, die Kraft unserer Seele, die auf das Geschehen um uns blickt, liebevoll, verständnisvoll und alles begreift, was  um uns und in uns geschieht.  Auf dieser Ebene gibt es keine Enttäuschung.


Keine Kommentare: