Ich stehe vor einem Scherbenhaufen. Ein Mensch, der eine wichtige Stelle in
meinem Leben inne hatte, ist nicht mehr
da. Mein Vertrauen und meine Zuneigung sind enttäuscht.
Ein grosser materieller Schaden ist entstanden. Meine Seele ist
verletzt. Wie gehe ich damit um?
Ich frage mich: bin
ich die ganzen Jahre so getäuscht worden?
Dann wäre ja die Ent – Täuschung etwas
Gutes, nämlich die Aufhebung der
Täuschung. Oder ist da etwas passiert,
was sich meinem Wissen entzieht, was eine solche Änderung in dem anderen
Menschen hervorgerufen hat. Ich suche nach Entschuldigungen, weil ich diese
Täuschung nicht begreifen kann, weil ich
nicht glauben will, dass ich mich so viele Jahre getäuscht haben kann. Oder ist in diesem Menschen die dunkle Seite
für mich nicht sichtbar gewesen, wollte ich nur die gute Seite sehen? Bin ich
die ganze Zeit getäuscht worden?
Wir verbinden uns mit anderen Menschen, vertrauen uns
anderen Menschen an, oder andere vertrauen
sich uns an. Dieses Anvertrauen ist
nur ein zeitlich begrenztes, es
ist ein grosser Vertrauens- , ein grosser Liebesbeweis. Das Kind vertraut sich der Mutter an, bis es soweit ist, dass es allein in die Welt
hinausgeht, wir vertrauen uns unserem
Lebensgefährten an, bis der Moment kommt, wo
sich der Weg trennt. Jeder von
uns ist eingebettet in diese gegenseitigen
Beziehungen, und diese
Beziehungen sind einem ständigen Wandel unterworfen. Wir wissen um diesen
Wandel und dennoch wünschen wir, der gegenwärtige Zustand solle für alle
Ewigkeit halten. Wir sind ganz allein
auf dieser Welt und wir sind ganz
eingebettet in die gegenseitigen Beziehungen zu anderen Menschen. Ent- Täuschungen erleben wir nur, wenn wir
uns über die Wandelbarkeit aller Beziehungen um uns
getäuscht haben. Wenn wir wissen, dass alles im ständigen Wandel begriffen ist,
dass das Kind die Mutter verlässt,
der Gefährte den anderen
Gefährten, wenn nicht in diesem Leben,
dann spätestens im Tod, dann können wir
nicht ent-täuscht werden. Den Verlust
von materiellen Gütern können wir verkraften, den Verlust von Zuneigung und
Liebe schon schwerer, weil unsere Seele die Liebe als Nahrung ihrer Selbst
benötigt, aber was immer bleibt ist die Kraft
des Göttlichen in uns, die Kraft unserer Seele, die auf das Geschehen um
uns blickt, liebevoll, verständnisvoll und alles begreift, was um uns und in uns geschieht. Auf dieser Ebene gibt es keine Enttäuschung.
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