Wenn wir in den
Spiegel sehen, dann scheint hier eine
Person zu sein, der Beobachter, und im Spiegel
ein anderer Gegenüber. Was wir sehen
stellt uns oft nicht zufrieden. Die
Person die wir sehen ist zu dick oder zu dünn, zu jung oder zu alt, ein ganzer Katalog von
Beanstandungen, die eine ganze Schönheitsindustrie ernähren. Es scheint zwei
Personen zu geben, die eine Person, die beobachtet, und die andere Person, die
beanstandet wird. Das geht oft viel weiter als nur auf das äussere Erscheinungsbild,
auch die soziale Stellung, die berufliche Entwicklung, alles kann Gegenstand
der Unzufriedenheit des Betrachters sein. Die Beziehung zwischen Betrachter und
der im Spiegel beobachteten Person scheint gestört und gibt Anlass zur Unzufriedenheit.
Es scheint fast als ob der Beobachter und die beobachtete Person zwar
miteinander in Beziehung stehen, aber die Vorstellung voneinander so
unterschiedlich sind, dass man fast meint zwei Personen vor sich zu haben. Ideal
wäre es natürlich, wenn die zwei Sichtweisen, das Idealbild und das
realistische Bild, zusammengeführt werden könnten, und zu einem verschmelzen
würden. Solange wir die zwei Personen sehen, werden wir in unserer Beziehung zu
uns selbst nie glücklich sein. Es ist gerade diese Beziehung zu uns selbst, die
entscheidend für unser Leben ist. Nehmen wir den Fall einer Frau, die von der
Natur mit den vielfältigsten Begabungen ausgestattet ist – Intelligenz,
Schönheit, innere Stärke, Charakter, vielfältige Begabungen, und die Natur hat
ihr im Laufe des Lebens einige Pfunde zu viel
geschenkt. Sie wird blind für alle ihre anderen Geschenke, sie sieht nur
noch das Bild im Spiegel, das sie unglücklich macht. Sie vergisst, dass der
Spiegel ihr nur die Oberfläche zeigen kann, nicht aber die Realität ihres Seins,
ihre innere Tiefe, die Geschenke, die ihr das Leben gemacht hat, sie ist
verzweifelt, weil sie glaubt, dass sie
die Person im Spiegel sei und vergisst, dass sie auf ihr Trugbild schaut. Die
imaginäre Spiegelperson lähmt den Menschen, in seiner Verzweiflung werden zwei Menschen
geschaffen, und der imaginäre Mensch verdeckt den wirklichen Menschen, unsere
dunkle Seite scheint gesiegt zu haben. Nur der Mensch kennt die Aufspaltung
seiner Person in die Zweiheit, in den Menschen der an sein Spiegelbild glaubt
und den Menschen, der darüber sein Gesamtsein übersieht. Keine Pflanze, kein Tier und kein Stein haben
dieses gespaltene Bewusstsein; sie erwachen, wachsen blühen und vergehen, sie haben keinen
Zweifel an ihrer Existenz und wenn sie gehen, dann gehen sie in Würde. Nur dem
Menschen ist es vorbehalten, in den Zweifel hineingeboren zu werden, und sein Weg scheint darin zu liegen, aus
seiner imaginären Welt, zurück zu finden, in sein eigentliches Ich. Es scheint
nur einen Weg aus der Verzweiflung zu geben, die Akzeptanz dessen was ist. Sich
so anzunehmen, wie wir geschaffen sind, und nicht unser mentales Spiegelbild
die Herrschaft über uns ausüben zu lassen. Wir müssen uns daran erinnern, dass
uns die Sinne nur unsere Oberfläche zeigen, und hinter der Oberfläche die ganze
Tiefe unseres Seins auf seine Entdeckung wartet. So ist die wichtigste Beziehung, die unser
Leben bestimmt, die Beziehung zu uns selbst: nur wenn wir das Trugbild
durchschauen, das uns unsere Sinne zeigen, überwinden wir die Oberfläche unseres
Menschseins und erfahren die ganze Tiefe, die sich hinter unserer Oberfläche
verbirgt. Aus den zwei Menschen, wird
wieder der eine ganze Mensch, so wie die Natur ihn gewollt hat.
Donnerstag, 8. Juni 2023
Unsere wichtigste Beziehung
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