In Lebenskrisen lernen wir Ebenen von uns kennen, die uns
vorher nicht bewusst waren. Auf der Verstandesebene verarbeiten wir eine
lebensbedrohende Krise wie ein Arzt. Die Situation wird analysiert,
eingeordnet, die notwendigen Massnahmen werden eingeleitet. Wir vertrauen uns
anderen Menschen an, die auf der
Körperebene regulierend eingreifen. Wir wissen instinktiv, dass unsere eigenen
Fähigkeiten nicht ausreichend sind, um uns aus dieser Krisensituation zu
helfen. Wir sind auch in der Lage, bei vollem Bewusstsein, einen Eingriff am Bildschirm
mitzuverfolgen, zu verstehen und zu kommentieren. Dann gibt es parallel die höhere Bewusstseinsebene, das
Leben in uns und um uns, das seinen Mantel um uns ausbreitet, das eigene Leben,
das uns mit den Menschen verbindet, die um uns helfen. Obwohl wir die Stimmen der Helfer hören, die sich
verständigen, nehmen wir an dieser Welt nicht teil, wir sind ihr entrückt, und
gleichzeitig fühlen wir die tiefe Verbindung mit dem Leben der Anderen. Wir
befinden uns auf der Ebene des Lebens, aus dem wir, und alles um uns besteht, wir sind Teil des
Ganzen, Teil von etwas Höherem als unserer Vernunft. Dieses höhere Bewusstsein hält uns umfangen
und gibt uns das Signal, es ist alles in Ordnung, so wie es
ist, es hält uns mit unserem Körper verbunden, der so ganz in den Händen der anderen
Menschen liegt, denen wir anvertraut sind.
Und die ganze Zeit hat unsere emotionale Körperintelligenz geschwiegen und
sich nicht geäussert, nicht die Massnahmen behindert, die in den Momenten der
Not erforderlich waren. Erst Tage später, nach der Operation, als die
existentielle Gefahr längst gebannt ist,
holt der emotionale Schmerzkörper das nach, was er in höchster Lebensgefahr
zurückgehalten hat, die Angst vor dem
Tod. Die Angst packt, wie aus heiterem
Himmel, den Körper mit voller Gewalt,
bemächtigt sich seiner Funktionen, hyperventiliert, die Glieder fangen an zu
fliegen, Todesangst bemächtigt sich des Menschen, unser Schmerzkörper tut sein Werk, das er solange zurückgehalten hat. Nur dunkel dringen die Stimmen der Helfer zu
uns durch, nur mühsam gelingt es, den Schmerzkörper wieder einzufangen, den
Atem und das Zittern zu beruhigen, und erst eine Spritze schafft wieder
Frieden. Eine Begegnung mit unserem emotionalen Körper hat stattgefunden, der
sich verselbständigt hat, jenseits unseres Verstandes, und das über uns
ruhenden allumfassenden Leben ignorierend. Es ist eine existenzielle Angst, die
sich nur auf die körperliche Ebene, auf die Welt bezieht, und die sich vor dem Verlust ihrer physischen
Existenz fürchtet. Auch diese Angst gibt es in uns, und sie holt uns ein, wenn
die Gefahr schon längst vorüber ist. Eine Krise unserer menschlichen Existenz
führt uns durch alle Ebenen unseres Bewusstseins, was bleibt ist die tiefe
Ruhe, wenn alles vorüber ist, unsere eigentliche ewige Heimat.
Sonntag, 4. Juni 2023
Wahrnehmungsebenen
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