Sonntag, 4. Juni 2023

Wahrnehmungsebenen

In Lebenskrisen lernen wir Ebenen von uns kennen, die uns vorher nicht bewusst waren. Auf der Verstandesebene verarbeiten wir eine lebensbedrohende Krise wie ein Arzt. Die Situation wird analysiert, eingeordnet, die notwendigen Massnahmen werden eingeleitet. Wir vertrauen uns anderen Menschen an, die  auf der Körperebene regulierend eingreifen. Wir wissen instinktiv, dass unsere eigenen Fähigkeiten nicht ausreichend sind, um uns aus dieser Krisensituation zu helfen. Wir sind auch in der Lage, bei vollem Bewusstsein, einen Eingriff am Bildschirm mitzuverfolgen, zu verstehen und zu kommentieren.  Dann gibt es  parallel die höhere Bewusstseinsebene, das Leben in uns und um uns, das seinen Mantel um uns ausbreitet, das eigene Leben, das uns mit den Menschen verbindet, die um uns helfen. Obwohl wir die  Stimmen der Helfer hören, die sich verständigen, nehmen wir an dieser Welt nicht teil, wir sind ihr entrückt, und gleichzeitig fühlen wir die tiefe Verbindung mit dem Leben der Anderen. Wir befinden uns auf der Ebene des Lebens, aus dem wir, und  alles um uns besteht, wir sind Teil des Ganzen, Teil von etwas Höherem als unserer Vernunft.  Dieses höhere Bewusstsein hält uns umfangen und gibt uns  das  Signal, es ist alles in Ordnung, so wie es ist, es hält uns mit unserem Körper verbunden, der so ganz in den Händen der anderen Menschen liegt, denen wir anvertraut sind.  Und die ganze Zeit hat unsere emotionale Körperintelligenz geschwiegen und sich nicht geäussert, nicht die Massnahmen behindert, die in den Momenten der Not erforderlich waren. Erst Tage später, nach der Operation, als die existentielle  Gefahr längst gebannt ist, holt der emotionale Schmerzkörper das nach, was er in höchster Lebensgefahr zurückgehalten hat,  die Angst vor dem Tod. Die Angst  packt, wie aus heiterem Himmel,  den Körper mit voller Gewalt, bemächtigt sich seiner Funktionen, hyperventiliert, die Glieder fangen an zu fliegen, Todesangst bemächtigt sich des Menschen,  unser Schmerzkörper tut sein Werk,  das er solange zurückgehalten hat.  Nur dunkel dringen die Stimmen der Helfer zu uns durch, nur mühsam gelingt es, den Schmerzkörper wieder einzufangen, den Atem und das Zittern zu beruhigen, und erst eine Spritze schafft wieder Frieden. Eine Begegnung mit unserem emotionalen Körper hat stattgefunden, der sich verselbständigt hat, jenseits unseres Verstandes, und das über uns ruhenden allumfassenden Leben ignorierend. Es ist eine existenzielle Angst, die sich nur auf die körperliche Ebene, auf die Welt bezieht, und  die sich vor dem Verlust ihrer physischen Existenz fürchtet. Auch diese Angst gibt es in uns, und sie holt uns ein, wenn die Gefahr schon längst vorüber ist. Eine Krise unserer menschlichen Existenz führt uns durch alle Ebenen unseres Bewusstseins, was bleibt ist die tiefe Ruhe, wenn alles vorüber ist, unsere eigentliche ewige Heimat.


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