In diesen Tagen denke ich oft an Oswald Spengler. Mich
überzeugt seine natürliche Betrachtungsweise für den Verlauf von Geschichte als das, was uns die Natur täglich vorführt, das
Wachstum und das Vergehen von Völkern und Kulturen. Wenn wir heute das Abendland in seinen
Schwierigkeiten sehen, den fehlenden Willen zur Selbstverteidigung, zur
Leistung, zur Pflege seiner Kultur, dann sieht es ganz danach aus, als ob wir
in das finale Stadium unserer Geschichte
eingetreten sind. Das gilt fast für alle Länder Europas, Russland
eingeschlossen. - Es gibt aber auch eine ganz andere Betrachtungsweise.
Reiche und Völker sind verschwunden, und
gleichzeitig hat jede Kultur bei ihrem Niedergang den Untergrund für etwas Neues
geschaffen, neue Völker haben sich mit alten Völkern vermischt und neue
Kulturen sind aus den Vorgängerkulturen hervorgegangen. Wenn man genauer
hinschaut war immer der Aufstieg und Abstieg von Völkern und Kulturen nur
Wandel, aus Altem ist Neues geworden. So gibt es auch keinen Untergang von
Völkern, sondern nur Vermischung mit anderen Völkern – Franzosen sind längst keine Franken mehr, wie der Name
andeutet und die Deutschen keine Germanen. Wir alle,, als Bewohner Europas, sind über die Jahrhunderte als Mischung aus den Völkern Mitteleuropas hervorgegangen,
uns verbindet mehr als uns trennt. Aus dieser Mischung ist die Kultur Europas
entstanden und hat bis nach den beiden Amerikas ausgestrahlt. – Wenn wir jetzt
von Abstieg sprechen, ist das nur eine oberflächliche Betrachtungsweise. Man
müsste von Änderung der Lebensbedingungen sprechen. Der Wohlstand hat uns müde und träge gemacht, und das ist deutlich in den Ländern Europas zu spüren. Was wir Abstieg nennen ist ein natürlicher Vorgang, er ist notwendig,
um einen Neuanfang zu ermöglichen. Es gibt nie ein gut oder schlecht in der
Geschichte, es gibt nur Erneuerung. So wie das Ende der römischen Zeit kein
Ende war, sondern Erneuerung, die anderen Völkern den Aufstieg ermöglichte, so
sind die Kriege des 20. Jahrhunderts Erneuerung gewesen, ein neues Europa ist
entstanden. Das Volk der Juden hat einen eigenen Staat gegründet, und die alten
Zöpfe abgeschnitten, um sich zwischen
den alten Nachbarn behaupten zu können. Der Niedergang der Wirtschaft ist
erforderlich, damit die Unternehmen neue Kräfte entwickeln, um sich der Zeit
anzupassen. Es sind neue europäische Völker entstanden und alte Völker, die den
Wandel nicht zulassen wollen, werden nicht überleben. Alles ist ewiger Wandel,
es gelten die Darwin’schen Gesetze, das Starke setzt sich durch und überlagert
das Schwache. Auch das ist Leben, weder gut noch schlecht. Wenn Spengler von
Untergang redet, dann irrt er. Er müsste vom Wandel des Abendlandes reden. So werden
sich auch die europäischen Kulturen wandeln, die Bevölkerung sich verändern,
vermischen, sich weiter entwickeln. - Aber wir Menschen hängen am Gewesenen, es
sollte immer so bleiben, wie es war. Wer so denkt ist zum Untergang verurteilt. Nur ewiger Wandel und Veränderung ist das ewige Gesetz in uns und
um uns.
Sonntag, 5. November 2023
Der Untergang des Abendlandes
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