Sonntag, 5. Mai 2024

Die Übernahme von Verantwortung

Wittgenstein hätte seine Freude an dem Wort  «Verantwortung».  Nicht nur in unserer Lebenszeit verändert es ständig seine Bedeutung, sondern auch in Generationen ging die Menschheit in unserer Kultur und in den Kulturen der Welt, immer unterschiedlich mit Verantwortung um.  

Wenn  wir Kinder sind, tragen unsere Eltern die Verantwortung für uns, die Verantwortung betrifft uns noch nicht.  Zu den wichtigsten Aufgaben der Eltern gehört es, den Kindern langsam Eigenverantwortung zu übertragen.  Verantwortung zu übernehmen, setzt die Fähigkeit voraus, die Folgen des eigenen Handelns einschätzen zu können.  Ab wann kann ein Kind einschätzen, wie hoch das Risiko ist, auf einen Baum zu klettern?  Eltern können das nur schwer einschätzen und müssen ein  Risiko in Kauf nehmen, dass sich das Kind wehtut, nur so lernt es Risiken zu beurteilen. Das gilt für alle Bereiche des Lebens, in denen sich Kinder bewegen.  Langsam lernt das Kind von den Eltern, Eigenverantwortung zu übernehmen. Die Eigenverantwortung ist ein weites Feld. Sie betrifft Ausbildung,  gesundes Leben, Nutzung der angeborenen Talente, einfach alles, was den Menschen betrifft. In der Jugend sind wir noch begierig, alles aufzunehmen, um verantwortungsbewusste  Erwachsene zu werden.  Bei Erwachsenen lässt dieses Verantwortungsbewusstsein oft nach. Wir gehen nachlässig mit uns um,  vernachlässigen unseren Körper und unseren Geist.  Was auf der körperlichen Ebene stattfindet, spiegelt sich auch in der geistigen Entwicklung wider.  Mit dem Ende  der schulischen Ausbildung setzt auch die Verantwortungslosigkeit gegenüber unseren geistigen Fähigkeiten ein.  Ein Grossteil der Menschheit überlässt den Anderen  die Verantwortung für ihr Leben, dem Staat, den Schulen und den Vorgesetzten.

Von der Eigenverantwortung zur Fremdverantwortung ist es nur ein kleiner Schritt. Am natürlichsten ist dieser Schritt, in dem Augenblick, in dem wir Eltern werden. Die Familie hilft uns, Verantwortung zu übernehmen . Wenn wir das Wort Verantwortung  als Wegweiser für uns selbst betrachten, fällt uns auf, dass in fast allen westlichen  Sprachen  das Wort  «antworten» in Verantwortung enthalten ist, zB «respondere»  in  «responsibility».  Es scheint, als ob wir mit der Übernahme von Verantwortung  eine Antwort geben, oder eine Antwort erhalten. Nur der Mensch kennt Verantwortung, gegenüber seinem Selbst, den Anderen,  Tieren und Pflanzen und  dem Planeten gegenüber.  Wenn der Mensch dieser Verantwortung   nicht gerecht wird, antwortet die Natur mit Veränderung in der Schöpfung,  mit  dem Aussterben von Tieren und Pflanzen,  mit Veränderung in Natur und  Klima. Ist das die  Antwort der Natur auf fehlende Verantwortung?  Oder ist die Antwort im Leben selbst zu suchen, im verantwortungsbewussten Handeln?   Wenn wir in der Einheit mit der Schöpfung  leben, antwortet uns die Schöpfung,  sie offenbart sich in ihrer Gesamtheit, in ihrer unermesslichen Fülle, in ihrer Schönheit. Der  Schritt in  die Verantwortungslosigkeit  aber bedeutet,  -  wir verlieren die Schöpfung  und damit den Zugang  zu unserem Leben. Es ist nur ein kleiner Schritt in die Verantwortung und in die Fülle  des Lebens, und ein kleiner Schritt in die Verantwortungslosigkeit.  Es ist eine Entscheidung zwischen Leben und Tod.  Das ist für mich die Antwort, die wir versteckt im Wort Verantwortung finden, eine Entscheidung, die unser Leben bestimmt.


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