Immer wenn der Tod in unserer Welt eine Lücke hinterlässt,
denke ich über das Wort Erlösung nach. Im Vaterunser bitten wir um Erlösung von dem Übel.
Es klingt so, als ob das Übel schicksalsbedingt uns getroffen hat. Sind nicht die meisten Übel in der Welt
menschengemacht, oft selbstgemacht? Und
was ist überhaupt Übel? Armut, Krankheit,
Tod? Können wir davon erlöst werden, in arme Verhältnisse
geboren zu werden oder kann uns jemand aus Krankheiten erlösen, die wir weitgehend
selbst verursacht haben? Nicht die Gottheit
ist gefordert, sondern der Mensch selbst. Aus fast allem können wir uns selbst
erlösen, denn fast alles ist von uns verursacht. Dem Wort Erlösung ist auch das Loslassen verwandt, allein mit Loslassen
können wir uns von dem lösen, was in unseren Vorstellungen übel ist. Loslassen der schlechten Gewohnheiten des
Alltags, Loslassen der Vorstellung, andere wären für unsere Erlösung zuständig,
der Staat, die Familie, Ärzte für unsere Krankheiten.
Erlösen können wir uns nur selbst, aus Armut, aus Unwissenheit, aus
Krankheit. Wenn uns das nicht gelingt, erlöst uns spätestens der Tod aus Allem,
was wir in unserem Leben nicht lösen
konnten und lässt alles hinter uns, was wir als Übel empfanden. Ich blicke auf die Schicksale der Menschen, die
von uns gingen. Welche Jugendträume haben sie wohl gehabt und was davon konnten
sie erreichen? Träumen wir nicht alle von Glück, wenn wir in der Jugend sind,
und sind unsere Träume im Alter verflogen?
Ich glaube daran, dass wir bis ins hohe Alter Glücksmomente erleben,
immer dann, wenn es uns gelingt, einen Moment die Welt hinter uns zu lassen,
und eins zu werden mit der Natur, mit der Schöpfung. Es ist das, was wir Erlösung nennen, sich frei
machen von allen Vorstellungen von Welt,
die uns unser Verstand anbietet, und in
den Bereich jenseits des Verstandes einzutreten. Ich verwende gern das Bild der
Raupe, die sich mühsam durch ihr Leben frisst und wenn der Moment der Erlösung
aus ihrem Raupendasein eintritt, dann wirft sie ihre mühsame Erdengestalt
ab, entfaltet ihre Flügel und fliegt als
wunderschöner Schmetterling der Sonne entgegen. Es ist das Bild der Metamorphose des Menschen in
seine geistige Gestalt, die Erlösung von der Schwere der Welt, der Wechsel in
eine andere Dimension. Der Tod verliert seinen Schrecken, wenn wir ihn als
Wandlung und Erlösung verstehen.
Mittwoch, 29. Mai 2024
Erlösung
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