Mittwoch, 29. Mai 2024

Erlösung

Immer wenn der Tod in unserer Welt eine Lücke hinterlässt, denke ich über das Wort Erlösung nach. Im Vaterunser bitten wir um Erlösung von dem Übel. Es klingt so, als ob das Übel schicksalsbedingt uns getroffen hat.  Sind nicht die meisten Übel in der Welt menschengemacht, oft selbstgemacht?  Und was ist überhaupt Übel?  Armut, Krankheit, Tod?  Können wir  davon erlöst werden, in arme Verhältnisse geboren zu werden oder kann uns jemand aus Krankheiten erlösen, die wir weitgehend selbst verursacht haben?  Nicht die Gottheit ist gefordert, sondern der Mensch selbst. Aus fast allem können wir uns selbst erlösen, denn fast alles ist von uns verursacht.  Dem Wort Erlösung ist auch das  Loslassen verwandt, allein mit Loslassen können wir uns von dem lösen, was in unseren Vorstellungen übel ist.  Loslassen der schlechten Gewohnheiten des Alltags, Loslassen der Vorstellung, andere wären für unsere Erlösung zuständig, der Staat, die Familie, Ärzte für unsere  Krankheiten.  Erlösen können wir uns nur selbst, aus Armut, aus Unwissenheit, aus Krankheit. Wenn uns das nicht gelingt, erlöst uns spätestens der Tod aus Allem, was wir  in unserem Leben nicht lösen konnten und lässt alles hinter uns, was wir als Übel empfanden. Ich  blicke auf die Schicksale der Menschen, die von uns gingen. Welche Jugendträume haben sie wohl gehabt und was davon konnten sie erreichen? Träumen wir nicht alle von Glück, wenn wir in der Jugend sind, und sind unsere Träume im Alter verflogen?  Ich glaube daran, dass wir bis ins hohe Alter Glücksmomente erleben, immer dann, wenn es uns gelingt, einen Moment die Welt hinter uns zu lassen, und eins zu werden mit der Natur, mit der Schöpfung.  Es ist das, was wir Erlösung nennen, sich frei machen von allen  Vorstellungen von Welt, die uns unser Verstand anbietet, und  in den Bereich jenseits des Verstandes einzutreten. Ich verwende gern das Bild der Raupe, die sich mühsam durch ihr Leben frisst und wenn der Moment der Erlösung aus ihrem Raupendasein eintritt, dann wirft sie ihre mühsame Erdengestalt ab,  entfaltet ihre Flügel und fliegt als wunderschöner Schmetterling der Sonne entgegen. Es ist  das Bild der Metamorphose des Menschen in seine geistige Gestalt, die Erlösung von der Schwere der Welt, der Wechsel in eine andere Dimension. Der Tod verliert seinen Schrecken, wenn wir ihn als Wandlung  und Erlösung verstehen.

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