Schon die Bibel hatte die Erkenntnis, dass die Sünden
unserer Väter uns bis ins dritte und vierte Glied verfolgen. Erst spät habe ich
verstanden was damit gemeint war. Es sind nicht die lässlichen Sünden des
Alltags, es sind die schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die nicht
nur die Täter, sondern auch ihre Kinder über mehrere Generationen verfolgen. Wir
versuchen heute mit der Traumaforschung die Schäden an der Seele eines Menschen
zu erkennen, der im Krieg gezwungen war, oft unter Drogen, Menschen zu töten,
die ihm nichts getan haben. Wir denken aber nicht über diesen Schaden hinaus.
Die Seele jedes Menschen ist eingebettet in eine Gesamtseele, in die Seele
seiner Vorfahren, seiner Nachfahren, in die grössere Seele der Gemeinschaft in der wir leben und auch in die
Weltseele. Jeder Schaden an meiner Seele ist auch eine Verletzung der Seele der
Ganzheit und lebt noch in Generationen
fort. Das wussten schon unsere Vorfahren, nur die heutige Wissenschaft hat es
wohl vergessen. Ich kenne die Kinder von Naziverbrechern, die ihr ganzes Leben
von den Taten ihrer Vätergeneration gekennzeichnet waren, angefangen von ihren Rechtfertigungsversuchen
für die Taten ihrer Väter, bis hin zu traumatischen Verhaltungsweisen, als ob
sie selbst die Täter gewesen wären. Ich denke nicht nur an die Naziverbrechen,
die ich noch immer in den Kindern der Täter gespürt habe, ich denke an die
dunkle Apathie, die über ganzen Völkern liegt, den Opfern und Tätern des
Kommunismus, des Faschismus, des Hasses aus religiösen Motiven, an die
Millionenmorde der Opfer und Täter. Generationen von Menschen, die das seelische
Leid ihrer Vorfahren weiter in sich fühlen. - Die Traumaforschung befindet sich erst am
Anfang, wenn sie sich nur mit dem einzelnen, beschädigten Menschen beschäftigt.
Es wird nicht nur die Einzelseele verletzt, jedes Verbrechen an Menschen wird
über Generationen gesühnt, auch noch in
den Seelen von Kindern und Kindeskindern, vonTätern und Opfern. Der einzige Weg
aus Verletzung und Trauma ist Vergebung und Versöhnung, das aber würde Einsicht
und Toleranz voraussetzen. Davon ist die Menschheit weit entfernt. Wenn ich den
Hass und das Leid der vergangenen und heutigen Kriege sehe, dann fallen mir nur
die Worte ein: Herr vergib Ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.
Donnerstag, 24. Oktober 2024
Die Sünden unserer Väter
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