In der Mythologie steht der Drache für das Böse, bei C.G. Jung für unsere
Schattenpersönlichkeit, in der Religion für den Teufel. In den Legenden bewacht
er einen Schatz, eine Jungfrau, und immer geht es um den Kampf mit dem Drachen
und die Gewinnung eines Schatzes. Der
Drache kommt in allen Kulturen vor und
jeder ist schon einmal seinem persönlichen Drachen begegnet. Natürlich habe ich
mich gefragt, was ist mein eigenes Erlebnis mit meinem Drachen gewesen, und
welchen Kampf musste ich bestehen, um meinen Schatz zu finden? Als Kinder
erleben wir den Drachen selten, wir leben noch in der Einheit, nur manchmal
rührt er sich, zeigt sein dunkles Gesicht, wenn wir bewusst etwas Böses
tun, oder einen unerklärlichen Wutanfall haben.
Meistens treten wir erst in der Pubertät bewusst in die Dualität ein,
wir fallen aus der Einheit in die Wirklichkeit, in der alles in Frage gestellt ist. Es ist der Moment, in dem sich der Drache in
seiner Höhle rührt und anfängt in unser Leben einzudringen, die dunkle Macht
fängt an sich zu zeigen. - Als Eltern sind wir in diesem Moment besonders
gefordert, denn wir sind die ersten die in Frage gestellt werden, genauso wie
die Schule, die Autoritäten. Stattdessen
zählen die coolen Freunde, die Verlockungen der Welt, und wir können froh sein, wenn der Prozess des
Selbständigwerdens sich nur gegen uns
als Eltern richtet, und nicht die
Wurzeln zur Selbstzerstörung gelegt
werden. Es sind die gefährlichsten Jahre in unserer Menschwerdung und es ist alle Kraft des jungen Menschen
erforderlich, um den Drachen in seine Höhle zurückzudrängen. Und wenn wir
weitergehen auf unserem Weg der Menschwerdung, und alles Wissen dieser Welt erlangen
und vielleicht auch noch alle Schätze dieser Welt, immer noch liegt der Drache
vor dem Tor der Erkenntnis und
verweigert uns den Zugang. Die Wenigsten von uns Menschen haben den Mut, ihr
Schwert anzulegen und den Kampf mit dem Drachen aufzunehmen. Es ist ein Kampf
um Leben und Tod. Wenn wir den Kampf
nicht führen, bleiben wir der
Welt verhaftet, wir werden geboren, gehen durch die Welt und am Ende unseres
Weges erwartet uns der Tod. Wenn wir aber den Kampf mit dem Drachen aufnehmen,
und siegreich sind, dann erwartet uns
der Schatz, der uns so lange verborgen war, der Schatz des Lebens. Dies alles findet in uns selbst statt. Jeder Mensch hat seinen eigenen Drachen,
seine dunkle Seite, seine Dämonen, die ihm das Leben schwer machen, oft so
schwer, dass er sein Leben nicht mehr wahrnimmt. - Wenn ich mein eigenes Leben betrachte, dann
hat mir die Welt alles geboten, an ihren Gütern, an Wissen und Erfolg. Erst in
der zweiten Lebenshälfte bin ich langsam erwacht. Mir fehlte noch etwas auf
meinem Weg durch die Welt, mir fehlte das Wissen um mich selbst. Es schien mir
tatsächlich wie in der Legende zu sein, eine gewaltige Macht verwehrte mir den
Zugang zu mir selbst. Als ich das endlich begriffen hatte, öffnete sich eine
Tür in mir, der Wächter des Tores hatte
sich zurückgezogen, ich konnte mich selbst betreten, ich konnte den Raum betreten,
der den eigentlichen Schatz aufbewahrte, den die Welt so lange vor mir
verborgen hatte - den Schatz des Lebens.
Wenn ich Raum sage, dann meine ich buchstäblich Raum, den Raum der Leere in
meinem Körper, den Raum, der das Alles
enthält, diese Welt und die Leere, das
nicht Sagbare, das ewige Nichts, das alles trägt, die Leere als Matrix von allem
was ist. Als ich mich umdrehte und sehen wollte, was aus dem Drachen geworden
war, der so lange unüberwindlich schien, da war der Drache verschwunden.
Freitag, 1. Juli 2022
Mein Kampf mit dem Drachen
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