Wir vergessen immer, dass wir in zwei Welten leben. Da ist die Welt unserer Individualität, und die Welt der
Ganzheit. Als ich geboren wurde,
schienen die Möglichkeiten zu überleben nur gering zu sein. Das Kriegsgeschehen
verwandelte die Welt um mich in Trümmerhaufen, es sah im heimatlichen Berlin
ähnlich aus, wie die Bilder aus der
letzten Tagesschau aus Palästina. Hunger, Krankheiten und Tod beherrschten mein
Umfeld. Die Chancen individuell zu
überleben waren gering. Wenn ich nicht
ein Kind gewesen wäre, dann hätten diese Gedanken zu meinem täglichen Brot
gehört, meinen Eltern gingen täglich
diese Gedanken durch den Kopf. Ich lebte aber noch in der Ganzheit der
Schöpfung, und die Ganzheit hatte anderes mit mir vor. Gegen jede
Wahrscheinlichkeit überlebte ich die untergehende Welt meiner Heimat, überlebte
die Hungerjahre, den Katalog aller möglichen Krankheiten und fand mich, mit
zunehmendem Verstand in einem Leben der Individualität wieder, das ganz unten
begann. Ich empfand mich als ein kleines Nichts, das es schwer haben würde,
sich in dieser schwierigen Nachkriegszeit durchzusetzen. Fast hatte ich
vergessen, dass ich nur da war, weil etwas seine schützende Hand über mich
gehalten hatte und anderes mit mir vorhatte. So geht es den meisten Menschen.
Sie sehen nur ihr individuelles Schicksal,
vergessen aber, dass sie Teil einer Ganzheit sind, die unser Leben
bestimmt. Wir dürfen nicht nur das sehen, was uns unsere Sinne mitteilen, wir
müssen uns daran erinnern, dass wir mehr sind als unser individuelles Schicksal.
Immer wenn ich vor schwierigen Situationen stand, habe ich mich daran erinnert.
Ich habe mich im Schlaf der Ganzheit anvertraut, und am Morgen hatte sich das
geklärt, was am Abend noch so schwierig erschien. Wie könnte es auch anders sein, haben wir doch nie die Ganzheit verlassen,
deren ewiger Teil wir sind.
Dienstag, 20. Mai 2025
Individualität und Ganzheit
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