Mittwoch, 29. Dezember 2021

Leben in Gefängnissen

Kürzlich las ich ein Interview  mit dem chinesischen Künstler Weiwei. In seiner Kindheit lebte er mit seinem Vater, einem bekannten chinesischen Dichter in einem Erdloch eines Lagers zur Umerziehung. Aber ihren unabhängigen Geist konnte der Staat nicht brechen. - In den meisten totalitären Regimen, sitzen die Gegner in Gefängnissen und Lagern, als ob man dadurch den menschlichen Geist brechen könnte. Am Ende zerfallen  alle Regime, die sich gegen den Menschen richten. -  Noch viel mehr Menschen sitzen in selbst errichteten Gefängnissen. Sie sind in Dogmen gefangen, Religionen, Sitten, Gebräuchen, alles Gefängnisse, denen sie nur schwer entfliehen können. Aber auch was heute als Wissenschaft, als Philosophie, als Zeitgeist,  was an Universitäten und Schulen gelehrt wird , kommt mir oft  als Gefängnis vor,  als Mauern, die in unserem Kopf errichtet werden und verhindern, dass wir hinter diese Mauern blicken können. Es liegt daran, dass wir an unseren Verstand und an die Gedanken glauben, die in unserem Kopf entstehen und  Gedanken, die ignorieren, dass neben der Welt der Sinne,  unzählige andere Welten existieren, die sie nicht zur Kenntnis nehmen, sie sogar achtlos zerstören. Es sind die Welten der anderen Lebewesen, der Tiere, der Pflanzen, Insekten, Bakterien und Viren, unendlich viele Welten, allein auf diesem Globus. Und wer blickt schon in die Welt des ewigen Raums, dessen Bestandteil wir sind, wer sieht das Leben in Allem was uns umgibt ? Unser menschlicher Verstand will einfach nicht wahrhaben, dass er in einem Käfig seines Verstandes lebt, einem Käfig, dem er kaum entrinnen kann. Erst wenn es uns gelingt, durch die Gitterstäbe  des Käfigs  zu blicken, die scheinbar unsere Welt begrenzen, können wir das sehen was jenseits des Käfigs unseres Verstandes liegt, erst dann brechen wir aus unserem Gefängnis aus und vor uns liegt das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die Unendlichkeit, unsere wahre Heimat, dort wo der Dichter seine Worte findet,  der Künstler die Materie überwindet und das ewig Seiende in sein Werk fliesst,  dort wo wir wirklich zu Hause sind, jenseits unserer irdischen Gefängnissse,   jenseits aller Mauern unserer Gedanken.  Rilke hat das in die Worte gefasst:  «Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf.-  Dann geht ein Blick hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille - und hört im Herzen auf zu sein.»  Unser Herz verbindet sich in diesen seltenen Augenblicken der Klarsicht,  mit dem, was hinter den Stäben unseres mentalen Gefängnisses liegt, es ist  das, was der Kleine Prinz – «als mit dem Herzen sehen» - nennt. Gerade die Menschen, die den mentalen Gefängnissen des Verstandes entrinnen, und die Wahrheiten des Lebens erkennen, sind für die Herrscher dieser Welt unerträglich. Noch unerträglicher aber sind die Mauern die wir selbst in unserem Kopf errichten und die  uns in Gefängnissen leben lassen.

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