Sonntag, 17. April 2022

Ostern und das schwarze Quadrat

In der Karwoche las   ich  über  den deutschen Künstler Erwin Bechtold, der gerade 97 Jahre alt geworden war. Ihn hatte sein Leben lang die Farbe schwarz interessiert und sein Werk  geprägt. Er erinnert mich an Malewitsch, an das schwarze Quadrat, an eine Ikone der Moderne.  In der Natur gibt es kein Quadrat und auch schwarz verbinden wir nicht mit der Natur. Das schwarze Quadrat steht für das menschliche Denken, für dessen Beschränktheit, für das Gefangensein in der Dunkelheit des Nichtwissens. Es wartet darauf seine  Schranken zu durchbrechen und Licht in die Dunkelheit zu lassen.- Und jetzt  ist es soweit,  das Ostererlebnis,  die Schranken des Nichtwissens werden durchbrochen, Licht tritt in die Dunkelheit, die künstlichen Formen fallen in sich zusammen, die Verwandlung tritt ein,  das Gegenständliche wird zum Nichtgegenständlichen, Dunkelheit zu Licht.  - Wenn dieses Bild  von Malewitsch in einer byzantinischen Kirche hinge, dann verdiente es die gleiche Beachtung wie die heiligsten der Ikonen.  Wir brauchen die Kunst, um unser Leben besser zu verstehen, die Erinnerung, dass jedes Gegenständliche aus dem Nichtgegenständlichen entsteht und wieder dorthin vergeht. -  Ostern gedenken wir dieses Wandels: Die Bilder der leeren Grabkammer, wo gestern noch der tote Körper war, ist jetzt Leere, der Körper hat sich aufgelöst, ist auferstanden.  Auferstehung  ist nur möglich, wenn Verwandlung stattfindet, wenn Materie zu Geist wird. Das Gegenständliche wird zum Nichtgegenständlichen, Körper zur Seele,  Dunkelheit zu Licht.    Alles befindet sich in diesem ewigen Wandel, nichts bleibt wie es ist. Und doch leben wir nicht in einer Welt des Chaos, alles folgt Gesetzen, die vor Ewigkeiten  da waren,  auch diese Gesetze im ewigen Wandel, Gesetze die unser Verstand nur teilweise nachvollziehen kann, Gesetze von Wachsen und Vergehen, von Geburt und Tod, von Abschied und Wiederkehr.  Ostern feiern wir die Wiederkehr des Lebens in der Natur, - da wo noch gerade Tod und Leere war, beginnt etwas Neues. Wir  feiern   den Frühlingsanfang, das Erwachen des Lebens, das Fest des Neubeginns. Ein sehr esoterisches Fest, wenn wir begreifen, dass Auflösung und Neubeginn  EINS sind,  Tod auch Auferstehung,  und  Leere das Allumfassende. Diesmal hat mir ein Bild das Ostererlebnis vermittelt, und gleichzeitig habe ich mich in dieser Nacht in den Klöstern des Athos befunden, wo die Mönche in ihren Gesängen die Ewigkeit in die Endlichkeit des Menschseins bringen und wo ich als junger Mensch um Mitternacht zur Ostermesse ging.

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