Wenn wir geboren werden sind wir mit einer Intelligenz
ausgestattet, die es uns ermöglicht zu überleben. Alle organischen Vorgänge
werden von dieser Intelligenz gesteuert, wir machen alles richtig, ohne
nachzudenken. Auch die Eltern werden einem Kind nie unterstellen, es hätte ein
Unrechtsbewusstsein, auch wenn sie noch so sehr genervt sind. - Kritisch kann
es werden, wenn die verstandesmässige Intelligenz im Kind erwacht und der kleine Mensch erfährt, dass es
angeblich ein Gut und ein Böse gibt. Der kleine Mensch fällt plötzlich aus der
Einheit mit Allem, in die Welt der Erwachsenen, in die Welt der Dualität des
Denkens, in der fast die ganze Menschheit lebt. Die kindliche Seele, die bisher
in der Einheit lebte, wird verwirrt und in dieser Phase erleben die Eltern oft
Reaktionen, mit denen sie nicht zurechtkommen, Wutanfälle, scheinbare
Ungezogenheiten, unbedachtes Handeln. Es ist eine der schwierigsten Phasen in unserer
menschlichen Entwicklung, das Fallen aus der Einheit mit dem Leben, in die Dualität des Denkens, der berühmte
Sündenfall des Menschwerdens. - Als
Eltern müssen wir den Kindern in dieser Phase besonders beistehen, denn das
Kind wird damit nicht allein fertig. Wutanfälle und ungezogenes Verhalten sind
oft ein Akt der Verzweiflung, der kleine
Mensch schafft es noch nicht, mit der Zweiheit des Denkens zurecht zu kommen, er
möchte noch nicht in Gut und Böse unterscheiden. Er will in seiner kindlichen
Welt bleiben, in der alles noch heil, noch ganz war, in der es kein Gut und
kein Böse gab. - In dieser Phase sind wir Eltern besonders gefordert. Wir haben
zu oft vergessen, dass wir das schon an uns selbst erlebt haben, was unser Kind
jetzt durchmacht. Wenn unser Kind auffällig wird, in der Schule den Clown
spielt, ständig Ungezogenheiten ausdenkt und die Lehrer uns in die Sprechstunde
bitten, ist das ein Zeichen, dass wir dem Kind mehr Aufmerksamkeit geben
müssen. Es ist Zeit mit ihm zu sprechen, ihm zu erklären was in ihm vorgeht,
ihm bewusst zu machen, dass es von der Einheit in die Zweiheit des Denkens übergeht. Wichtig ist, dass er oder sie versteht,
dass die Liebe der Eltern die gleiche ist wie vorher und dass die Eltern das
Gleiche durchgemacht haben, wie das Kind. Vielleicht denken die Eltern, das
Kind könnte das nicht verstehen – im Gegenteil, das Kind verlangt nach dieser
Erklärung, es kann entscheiden was gut
und was böse ist. Sein Verstand ist erwacht. – Und dennoch wird die Sehnsucht
nach der Einheit mit Allem, das Kind
sein ganzes Leben begleiten, deswegen fällt ihm der Abschied von seiner Kindheit
so schwer. Wir Erwachsenen können das nur zu gut verstehen, weil wir diesen
Abschied selbst an uns erlebt haben.
Montag, 27. Februar 2023
Das Erwachen des Verstandes
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