Montag, 27. Februar 2023

Das Erwachen des Verstandes

Wenn wir geboren werden sind wir mit einer Intelligenz ausgestattet, die es uns ermöglicht zu überleben. Alle organischen Vorgänge werden von dieser Intelligenz gesteuert, wir machen alles richtig, ohne nachzudenken. Auch die Eltern werden einem Kind nie unterstellen, es hätte ein Unrechtsbewusstsein, auch wenn sie noch so sehr genervt sind. - Kritisch kann es werden, wenn die verstandesmässige Intelligenz im Kind  erwacht und der kleine Mensch erfährt, dass es angeblich ein Gut und ein Böse gibt. Der kleine Mensch fällt plötzlich aus der Einheit mit Allem, in die Welt der Erwachsenen, in die Welt der Dualität des Denkens, in der fast die ganze Menschheit lebt. Die kindliche Seele, die bisher in der Einheit lebte, wird verwirrt und in dieser Phase erleben die Eltern oft Reaktionen, mit denen sie nicht zurechtkommen, Wutanfälle, scheinbare Ungezogenheiten, unbedachtes Handeln. Es ist eine der schwierigsten Phasen in unserer menschlichen Entwicklung, das Fallen aus der Einheit mit dem Leben,  in die Dualität des Denkens, der berühmte Sündenfall des Menschwerdens. -  Als Eltern müssen wir den Kindern in dieser Phase besonders beistehen, denn das Kind wird damit nicht allein fertig. Wutanfälle und ungezogenes Verhalten sind oft ein Akt  der Verzweiflung, der kleine Mensch schafft es noch nicht, mit der Zweiheit des Denkens zurecht zu kommen, er möchte noch nicht in Gut und Böse unterscheiden. Er will in seiner kindlichen Welt bleiben, in der alles noch heil, noch ganz war, in der es kein Gut und kein Böse gab. - In dieser Phase sind wir Eltern besonders gefordert. Wir haben zu oft vergessen, dass wir das schon an uns selbst erlebt haben, was unser Kind jetzt durchmacht. Wenn unser Kind auffällig wird, in der Schule den Clown spielt, ständig Ungezogenheiten ausdenkt und die Lehrer uns in die Sprechstunde bitten, ist das ein Zeichen, dass wir dem Kind mehr Aufmerksamkeit geben müssen. Es ist Zeit mit ihm zu sprechen, ihm zu erklären was in ihm vorgeht, ihm bewusst zu machen, dass es von der Einheit in die Zweiheit des Denkens  übergeht. Wichtig ist, dass er oder sie versteht, dass die Liebe der Eltern die gleiche ist wie vorher und dass die Eltern das Gleiche durchgemacht haben, wie das Kind. Vielleicht denken die Eltern, das Kind könnte das nicht verstehen – im Gegenteil, das Kind verlangt nach dieser Erklärung,  es kann entscheiden was gut und was böse ist. Sein Verstand ist erwacht. – Und dennoch wird die Sehnsucht nach der Einheit mit Allem,  das Kind sein ganzes Leben begleiten, deswegen fällt ihm der Abschied von seiner Kindheit so schwer. Wir Erwachsenen können das nur zu gut verstehen, weil wir diesen Abschied selbst an uns erlebt haben.

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