Bei Montaigne
las ich eine interessante Beobachtung. Die meisten Menschen leben in der Angst
vor einem zukünftigen Ereignis. Angst vor Krankheit, Angst vor Verlust, Angst
vor der Armut, Angst vor dem Tod. Dabei scheint in der Realität der Eintritt
eines dieser Ereignisse die vorherige Angst nicht zu rechtfertigen. Tritt
Krankheit in unser Leben, dann leben wir oft ganz selbstverständlich in der
Krankheit, sie wird Teil unseres Lebens. Armut
herrscht in der Mehrheit der Menschheit. Die in Armut lebenden Menschen
gehen mit der Armut ganz selbstverständlich um, sie macht ihnen keine Angst.
Glücksgefühle werden auch in der Armut erlebt.
Die Hybris des Westens, arme Völker mit der Zivilisation zu beglücken,
beruht auf dem Irrtum, dass Besitz oder Reichtum glücklich machen. Und wir
leben in der Angst vor dem Tod, solange der Tod nicht an uns herantritt. Ich
habe noch nie von sterbenden Menschen gehört, die im Moment des Todes noch
Ängste hatten. Ich selber hatte schon mehrfach einen Moment, in dem ich die Nähe des Todes gefühlt hatte. Ich gehe davon aus, dass wir das gleiche erleben
wie beim Geburtsvorgang, der auch der Weg von der Dunkelheit in das Licht ist.
Tod und Leben sind Geschwister, Leben
ist der Tod von etwas was vorher war, und Tod ist die Rückkehr in das Leben, das allumfassende
Leben, dessen Teil wir sind. Angst
brauchen wir nicht zu verspüren, denn Eingang und Ausgang sind die gleiche Tür
mit zwei Seiten, nach beiden Seiten gehen wir in das Leben.
Donnerstag, 29. Februar 2024
Ein Leben voller Ängste
Freitag, 23. Februar 2024
Von der Kunst des Teetrinkens
Über meine japanische Schwägerin Junko lernte ich eine
Meisterin der Teezeremonie kennen. In Japan ist das eine hochangesehene
Berufung. Wer gerne Tee trinkt, wie ich, entwickelt seine eigenen Vorstellungen,
wie Tee zubereitet werden sollte. In
Japan aber eröffnet die Teezeremonie
noch einmal eine ganz andere Dimension des Teetrinkens. Es beginnt schon damit, das Material Tee von seiner ursprünglichen Natur zu befreien
und zu Staub zu mahlen. Das Teeblatt
verliert seine eigentliche Erscheinung und tritt in den Hintergrund. Die Substanz
bleibt aber erhalten. Dann wird Tee mit Wasser verbunden, Erde mit der Kraft, die Leben hervorbringt. Und
wenn aus der Schale die Aromen des Tees aufsteigen, dann erfahren wir den Geist
des Tees. Für mich entstehen beim Teetrinken
Bilder, wie die Natur aus den Elementen entsteht, und Tee als Symbol für die Schöpfung
des Lebens steht. Und wenn die Natur des Tees dann eingefangen wird in kostbare
Gefässe, deren Wert von der Seele des
Schöpfers ausgeht, und wir diese Gefässe in den Händen halten dürfen, dann geht
eine Ahnung durch uns, dass wir vielleicht diesen kostbaren Gefässen ähneln, in
die etwas Kostbares hineingeflossen ist. - In Japan nimmt man sich viel Zeit für die
Teezeremonie, sie ist ein Zeichen einer hohen Kultur. Manchmal dauert es ein
ganzes Leben, um zu begreifen, dass wir selbst
ein kostbare Gefäss sind, in das unser
Leben fliesst. Wenn wir einmal das Geheimnis der Teezeremonie erfasst haben, dann
gelingt es uns auch, die wunderbare Substanz des Lebens zu begreifen, die in
uns geflossen ist, und die wir nie genug
bewundern und geniessen können. Jeder Schluck Tee bedeutet dann, das Leben in
uns fliessen zu fühlen, uns Zeit für das Leben zu nehmen, das Leben als grosses
Geschenk der Natur an uns zu begreifen. - Die Ausbildung zur Meisterin der
Teezeremonie dauert in Japan viele Monate, oft Jahre. Wenn sie grosse Meisterinnen sind, dann können
sie uns frei machen von der Erdgebundenheit
und uns eine Idee davon geben, dass Tee als ein Symbol für die Geistwerdung von
Materie steht. Für unsere westliche Welt ist es schwer begreiflich, sich so
viel Zeit für Teetrinken zu nehmen, wir nehmen uns nicht einmal Zeit für unser
Leben. Ich wünschte mir, wir hätten auch im Westen Sinn für die Teezeremonie,
wir könnten viel für unser Leben lernen.
Donnerstag, 22. Februar 2024
Energiekrise und die Verantwortung des Menschen
Fast täglich werden wir mit Meldungen über die Energiekrise von
den Medien überschüttet. Die Ursachen werden untersucht, die
hemmungslose Ausbeutung der Erdressourcen
als Ursache der Klimaveränderungen wird in den Raum gestellt. Ganze Bewegungen entstehen, um dem
Klimawandel entgegen zu wirken. Dem Planeten Erde sind diese Veränderungen gleichgültig.
Seit Anbeginn von Leben auf dem Planeten
hat sich das Klima ständig verändert, und mit ihm die Lebewesen, die auf
dem Planeten entstanden sind. Wenn die Klimaverhältnisse auf dem Planeten
menschliches Leben nicht mehr zulassen, wird es kein menschliches Leben mehr
geben. Es ist durchaus möglich, dass die Energiekrise mit dem Klimawandel
zusammenhängt, das Gegenteil ist auch möglich. Der Mensch fragt sich, ob er für den
Klimawandel verantwortlich sein könnte. Vielleicht ist die Energiekrise des
Planeten auch nur ein Symptom für die Energiekrise des Menschen? Für was setzt heute der einzelne Mensch seine
Energien ein, für das Überleben seiner
Spezies? Oder geht es um seine eigenen Vorteile, um hemmungslosen Konsum, um
Ausbeutung der Ressourcen des Planeten zu Lasten anderer Geschöpfe? Setzt der Mensch nicht rücksichtlos seine ihm
zur Verfügung stehende Energie dafür ein, sich selbst darzustellen, Reichtümer
anzuhäufen, die Welt mit Produkten zu überschütten, die nur durch
verantwortungslose Ausbeutung des Planeten, aber auch der Mitmenschen entstehen? Die Verschwendung von Energieressourcen
beginnt immer bei uns selbst. Die Welt ist für den Menschen nur ein
Spiegelbild seiner selbst. Solange der Mensch nur seinen eigenen Vorteil
sucht, sich im Berufsleben hemmungslos gegen andere Menschen durchsetzt, nach Macht,
Ansehen und Reichtum strebt,
verschwendet er seine Energien sinnlos
und trägt wenig dazu bei, das Leben und die Schöpfung zu erhalten. Wenn aber die gesamte Spezies Mensch sich nur
eigennützig verhält, dann werden die
Resourcen des Planeten für die Spezies
Mensch sich irgendwann erschöpfen. So wie der einzelne Mensch zu Grunde geht, wenn
er seine ihm eigenen Energien falsch einsetzt,
wird die ganze Menschheit verschwinden, wenn sie nicht zu Bewusstsein
kommt. Es geht darum unsere eigenen Lebenskräfte zu erkennen, unsere Energie
nicht nur zum eigenen Vorteil einzusetzen, sondern für die Gesamtheit der
Schöpfung verantwortlich handeln, sich als Teil dieser Schöpfung zu sehen. Wenn
der einzelne Mensch glaubt, er könne als Einzelner nichts bewegen, dann würde
es schon reichen, wenn er für sich die Verantwortung übernimmt, sie nicht auf andere
abwälzt, die ihm mitgegebene Lebensenergie sorgfältig verwaltet und nicht
vergeudet. Die Energiekrise beginnt
immer bei uns selbst, daran sollte sich jeder einzelne Mensch erinnern. Wir
können die Welt verändern, wenn wir uns selbst verändern.
Mittwoch, 21. Februar 2024
Im Jahr des Drachen
In China ist in dieser Woche das Jahr des Drachen
angebrochen. Wir kennen bei uns Horoskope, die sich an Sternbildern
orientieren. Bei seriösen Horoskopen, nicht denen in Wochenzeitschriften, habe
ich die erstaunlichsten Erfahrungen gemacht. Sie stimmen erstaunlich oft mit
der Realität überein. Das entspricht nicht nur der geistigen, sondern auch der
physikalischen Erkenntnis, dass alles mit allem zusammenhängt und die scheinbare Trennung nur eine Illusion
unserer Wahrnehmungsmöglichkeiten ist. So wie unsere Welt in der Sternenwelt
ihren Ursprung hat, ist alles was diese Welt bedeutet, auch mit der Sternenwelt
verbunden, auch der Mensch. - In der
chinesischen Kultur sind die Menschenzyklen mit Jahreszyklen verbunden. Jahrtausendalte Beobachtungen haben dieses
Gesetzmässigkeiten festgestellt. Für
mich, der versucht die grossen Zusammenhänge der Schöpfung zu verstehen, ist
auch diese Betrachtungsweise durchaus schlüssig. Unter dem Drachen geborenen Menschen sind mit
den starken Kräften des Drachen ausgestattet. Bei den Kaisern versuchte man die
Geburt des Nachfolgers in das Jahr des Drachen zu legen. Die Eigenschaften des
Drachens will ich hier nicht einzeln aufführen, sie sind in Wikipedia
nachzulesen. Ich selber bin 1940 im Jahr
des Drachen geboren. Mein jüngster Sohn ist auch ein Drache, ebenfalls meine Partnerin, und auch Freunde. Nach
den Regeln der Wahrscheinlichkeit ist es nicht nur ein Zufall, dass so viele
Drachen in meinem Leben eine Rolle spielen. Der Drache ist ein uraltes
mystisches Tier. Er braucht für seine
Entwicklung Zeit. In seiner Jugend sind seine Dracheneigenschaften noch nicht sichtbar.
Aber wenn die Zeit gekommen ist, dann zeigt sich der Drache mit seinen Kräften.
Manchmal sind es die grossen Heerführer,
manchmal die weisen alten Männer oder die klugen familienerhaltenden Frauen,
die noch nach Generationen verehrt werden. Ich kann mich noch an die Lehrer in
meiner Jugend erinnern, die für mich von Bedeutung waren. Sie haben die Eigenschaften
in mir entwickelt, die für mein Leben wichtig waren. Vielleicht haben Sie den Drachen in mir
gesehen, den ich noch nicht sehen konnte.
Von den Menschen mit Dracheneigenschaften können wir erwarten, dass sie
ihre Begabungen ausleben, jeder Drache in seiner Art. Und irgendwann im Leben
erwacht der Drache und setzt seine Kräfte ein.
Freitag, 16. Februar 2024
Unsere Ahnen
Wir haben in den
Familien meistens nur noch eine Vorstellung von unseren Eltern und den
Grosseltern, vielleicht noch von den Familien der Onkel und Tanten. Schon bei
den Urgrosseltern hört unsere Vorstellung und Erinnerung auf. Auch sind unsere Erinnerungen an Familienangehörige, sofern sie
nicht auf die engere Familie bezogen sind, auf das Äussere, auf Beruf und
Vermögen beschränkt. Viel mehr wissen wir nicht. In traditionsbewussten Familien wird
Genealogie betrieben, immer auf die
männlichen Namensträger abgestellt. Jeder merkt, wie oberflächliche eine solche
Betrachtungsweise ist, sie sagt nichts über die Menschen aus, die sich hinter
den Namen verbergen. Was ist schon ein Name, wenn wir nichts über den Menschen
wissen, der hinter dem Namen steht, nichts über sein Leben, über sein Sterben,
über seine Gedanken, über seine Seele wissen? - In den alten asiatischen
Kulturen gab es den Ahnenkult, in jedem Haus und Zelt gab es einen Hausaltar,
auf dem die Ahnen verehrt wurden. Und die Verehrung galt besonders den Frauen, den Trägerinnen des Lebens. Die
Anwesenheit der Ahnen war selbstverständlich, keiner ging davon aus, dass die Seele des Menschen mit seinem Tod nicht
mehr anwesend sei. Diese Form der Ahnenverehrung macht für mich viel Sinn. Die Ahnen setzen sich in uns fort, sind
Teil von uns, unsere Seele ist tief mit den Seelen unserer Ahnen verbunden, und
unsere Ahnen bleiben in uns lebendig. Wir wissen über unsere Ahnen mehr, als
wir glauben, denn wir sind ein Teil von ihnen.
Und wenn ich über unsere Ahnen nachdenke und zu den genealogischen
Büchern greife, dann suche ich vor allem nach den Müttern. Die Mütter waren es,
die uns zur Welt brachten, die uns schützten, die Trägerinnen des Lebens waren,
die unsere Familien durch die Jahrhunderte getragen haben. Wie viele Schicksale
sind mit den Namen der Mütter verbunden.
Die früheren Kulturen, die noch dichter am Menschen waren, verehrten die
Mütter als Trägerinnen des Lebens. - Wir
tragen in unseren westlichen Gesellschaften die Namen der Väter, aber in
unseren Herzen tragen wir die Namen der Mütter.
Sonntag, 11. Februar 2024
Begabung, Inspiration, Ausführung
Die Begabungen sind ungleichmässig verteilt. Wir haben die
verschiedensten Begabungen, vom Künstler, bis zum Krankenpfleger. Auch die
schönsten Begabungen brauchen die Inspiration, um erfolgreich zu sein. Inspiration, in spirito, wie der Name schon
sagt, ist die Verbindung mit dem
göttlichen Geist, der uns veranlasst, das
entstehen zu lassen, was auf seine Entstehung durch unser Handeln wartet. Und
es gehört eine dritte Kraft dazu, die den kreativen Schöpfungsakt in die Tat
umsetzt, das ist die Willenskraft. Wie viele Menschen lassen ihre
schöpferischen Kräfte verkümmern, weil ihnen eine diese Eigenschaft fehlt. Man kann ein ganzes Leben
über das träumen, was in unserer geistigen Welt existiert und dabei vergessen,
das Erträumte in die Tat umzusetzen. Die Welt befindet sich in einem ständigen
Schöpfungsprozess und die Menschheit ist Teil dieses Schöpfungsprozesses, aber
auch die Tiere, die Pflanzen, der Himmel über uns, die Meere und der Planet
befinden sich in ständiger Veränderung. Nur der Mensch erlebt bewusst seine Rolle in
dieser Schöpfung, nimmt Teil an der Schöpfung, ist Werkzeug der Schöpfung. - Wir stehen oft voll Bewunderung vor den Bildern, die uns die
Kinder malen. Wir fühlen, wie sie uns berühren, wie sie das wesentliche
erfassen, ein Haus, einen Baum, die Sonne, die Menschen. Wenn wir bewusst durch
unser Leben gehen, dann müssen wir es wie die Kinder machen, sehen, erfassen und umsetzen, und das Papier
und die Farbstifte sind unsere
Fertigkeiten und Begabungen, die das zur Realität werden lassen, was in unserem
Geist schon längst erstanden ist.
Freitag, 9. Februar 2024
Bewusstsein
Vergeblich scheint sich die Wissenschaft mit dem zu
beschäftigen, was wir Bewusstsein nennen. In einem Wissenschaftsartikel, der sich mit
dem gegenwärtigen Stand der Forschung zu neuronalen Zusammenhängen beschäftigt,
erfährt man, dass der Begriff Bewusstsein
immer wieder den Händen der Forscher entgleitet. Es scheint schon an einer
zutreffenden Definition des Wortes zu fehlen. Unterbewusstsein wird dem höheren
Bewusstsein zugeordnet, und was Bewusstsein überhaupt sein könnte,
wird nicht definiert. Man kann sich dem Wort
Bewusstsein nähern, wenn wir den Wortbestandteil sein
definieren. Das Wort Sein ist
gleichzusetzen mit Leben. Es gibt ein bewusstes Leben, ein
unbewusstes Leben und ein dem menschlichen Bewusstsein entzogenes Leben, das
nicht den neuronalen Zusammenhängen zugeordnet werden kann. Es handelt sich um
einen Grenzbereich des menschlichen Wissens, ähnlich der Physik, die auch die
Grenzen des menschlichen Denkens nie überschritten hat. Dabei wäre eine
grenzüberschreitende Betrachtung der Zusammenhänge zwischen physikalischen und
neurobiologischen Zusammenhängen hilfreich, tiefer in die Materie und die
Nichtmaterie einzudringen. Gehen wir von den Erkenntnissen der Physik aus, nach
denen die Materie, und damit auch der Mensch im Wesentlichen aus dem leerem
Raum in den Atomen besteht, dann entspricht dies den Erfahrungen der
Meditation, die eben diese Erfahrung der Leere macht. Jenseits des menschlichen Denkens, in der
Gedankenstille betreten wir diesen leeren Raum, und das führt zu der
Erkenntnis, dass es dieser Raum ist, aus dem die Welt, der Kosmos, alles was
existiert entsteht. Es ist der Raum einer übergeordneten schöpfenden
Intelligenz, eines Überbewusstseins, das alle Atome und Moleküle,
alle Energieteilchen, aus denen sich die Schöpfung zusammensetzt, ordnet und in Erscheinung treten lässt. Dieser leere Raum ist dem menschlichen Bewusstsein und der Wissenschaft
verschlossen, weil das menschliche Wissen und der Verstand unterhalb des Überbewusstseins liegen. Und nur die Meditation ist ein Mittel in
diese Räume der Leere und der Stille einzutreten, aus denen alles entsteht und
in die alles vergeht. Das Menschliche Bewusstsein kann alles erforschen und
entschlüsseln was Materie ist, bis hin zu den neurobiologischen Zusammenhängen
des menschlichen Körpers. Darüber hinaus kann der Mensch nur gehen, wenn er
seinen Verstand zum Schweigen bringt und die Räume der Leere und des Nichts
betritt.
Sonntag, 4. Februar 2024
In den Schützengräben
Ich denke in diesen Wintertagen oft an die Soldaten in den
Schützengräben auf beiden Seiten. Die Maschinerie des Todes hat sich verändert,
sie ist unpersönlicher geworden, viel wird am Bildschirm getötet. Auch die Zahl
der Toten hat sich gegenüber früheren Kriegen verringert, es geht heute mehr
darum dem Gegner materiellen Schaden zuzufügen. Aber noch immer werden Menschen vom Staat
autorisiert getötet. Man liest wenig,
wie es den betroffenen Soldaten dabei geht, - wie geht es ihnen, wenn sie andere
Menschen töten, heute nicht mehr mit einem Bajonett, sondern mehr indirekt aus
Kampfmaschinen und mit Computern. Der Tötungsvorgang bleibt der gleiche, er
rührt an das grösste menschliche Tabu: Du sollst nicht töten. Auf beiden Seiten sind die Soldaten in gleicher Weise betroffen. In
Russland, der Leibeigenschaft durch Gutsherrn entronnen, gerieten die Menschen
unter die Leibeigenschaft des kommunistischen Staates und jetzt noch schlimmer
unter die Herrschaft von Oligarchen und Demagogen. In der Ukraine sind die Tötung der 3
Millionen Bauern in den 30er Jahren durch Hunger, und die Vernichtung der
Intelligenz des Volkes in den 40er Jahren, durch die Moskauer Regierung, tief
in das nationale Bewusstsein eingegraben. Und wieder werden die jungen Soldaten auf
beiden Seiten, auf Anweisung von Moskau, in einen neuen Krieg gezwungen, die
Schrecken des Tötens. Das, was von den Soldaten täglich gefordert wird, anderen Menschen das Leben zu nehmen, überfordert
die menschliche Seele. Wie sollen die
Menschen damit fertig werden? Viele betäuben
sich mit Alkohol oder anderen, das Bewusstsein verändernden Drogen. Es geht auch in den Schützengräben um die
Seele des Menschen, dem nicht
Erträgliches zugemutet wird. Es geht um
das Leben, das jedem Menschen geschenkt wird, und dass uns andere Menschen
nicht nehmen dürfen. Es geht aber auch darum,
dass jeder Mensch das Recht hat, sich zur Wehr zu setzen, sein
Leben zu verteidigen. -So stehen sich auf beiden Seiten Menschen gegenüber, die
ein Problem damit haben, sich gegenseitig das Leben zu nehmen, ein unlösbarer
Konflikt, der auch gleichermassen für den Angreifer und den Angegriffenen gilt,
der sein Leben verteidigt. Und am Ende von jedem Krieg stehen die versehrten
Menschen, körperlich und seelisch kaum heilbar, denen
man ihre Jugend und oft das ganze Leben verändert hat, und die Toten, denen Monumente
zur Erinnerung errichtet werden. -Aber nach wenigen Generationen sind die Kriege
vergessen, die Monumente für die Gefallenen zerfallen, die Versehrten des Krieges
aus dem Bild der Städte verschwunden. Und
alles beginnt wieder von vorn, auf Aufbau
folgt Zerstörung. Auf Frieden folgt Krieg. Der Leidtragende ist der Mensch.
Freitag, 2. Februar 2024
Das Ziel erreichen
Gestern unterhielt ich mich mit einem Bankberater über mein Leben. Ich erzählte, wie ich und
meine Brüder in den Krieg, in Hunger und
Tod hinein geboren wurden und durch welche verschiedenen Lebensabschnitte sich mein
Leben entwickelte. Er hatte bestimmt den Eindruck, dass meinem Leben ein Plan
zu Grunde lag, und dass ich alle meine Lebensziele erreicht hätte. Wenn ich ihm
erklärt hätte, warum ich glaubte, mein Lebensziel erreicht zu haben, hätte er
mich verwundert angeschaut, und an meinem Verstand gezweifelt. Dabei hätte er nicht ganz unrecht gehabt. Der
Zweifel an unserem Verstand ist der Anfang des Weges zu uns selbst. Erst wenn
wir die Illusion unserer menschlichen Lebensziele begreifen, fangen wir an die
Welt und uns selbst mit anderen Augen zu sehen. Es kann durchaus sein, dass die
anderen Menschen unser Leben als erfolgreich sehen, eine blühende Familie,
wirtschaftlicher Erfolg, Gesundheit bis ins hohe Alter. Und doch sind das nur möglicherweise
Symptome eines erfolgreichen Lebens. Sie sagen nichts darüber aus, ob wir das
Ziel erreichen, das Ziel unseres Lebens.
Das Ziel ist das Leben selbst, das Leben in uns, und das Leben um uns,
zu erkennen. Das Leben zu erkennen, beginnt mit dem Zweifel an unserem
Verstand, mit der Einsicht, dass die
Welt und wir selbst, möglicherweise nicht die sind, die uns unsere Sinne
zeigen. Erst Wenn wir auf die Suche gehen nach dem Leben, den Weg durch das
Leben zum Leben hin gehen, nähern wir uns dem Ziel. Und das Ziel ist erst erreicht, wenn wir dem
Leben begegnen, dem Leben in Allem, aber vor allem in uns selbst. Ein einziger
bewusster Atemzug würde genügen, um das
Ziel des Lebens zu erreichen, wenn dieser Atemzug uns in die ewigen Räume in
uns selbst führt, in denen alles entsteht
und alles vergeht. Es ist eine Gnade, dieses Ziel zu erreichen.