Ich denke in diesen Wintertagen oft an die Soldaten in den
Schützengräben auf beiden Seiten. Die Maschinerie des Todes hat sich verändert,
sie ist unpersönlicher geworden, viel wird am Bildschirm getötet. Auch die Zahl
der Toten hat sich gegenüber früheren Kriegen verringert, es geht heute mehr
darum dem Gegner materiellen Schaden zuzufügen. Aber noch immer werden Menschen vom Staat
autorisiert getötet. Man liest wenig,
wie es den betroffenen Soldaten dabei geht, - wie geht es ihnen, wenn sie andere
Menschen töten, heute nicht mehr mit einem Bajonett, sondern mehr indirekt aus
Kampfmaschinen und mit Computern. Der Tötungsvorgang bleibt der gleiche, er
rührt an das grösste menschliche Tabu: Du sollst nicht töten. Auf beiden Seiten sind die Soldaten in gleicher Weise betroffen. In
Russland, der Leibeigenschaft durch Gutsherrn entronnen, gerieten die Menschen
unter die Leibeigenschaft des kommunistischen Staates und jetzt noch schlimmer
unter die Herrschaft von Oligarchen und Demagogen. In der Ukraine sind die Tötung der 3
Millionen Bauern in den 30er Jahren durch Hunger, und die Vernichtung der
Intelligenz des Volkes in den 40er Jahren, durch die Moskauer Regierung, tief
in das nationale Bewusstsein eingegraben. Und wieder werden die jungen Soldaten auf
beiden Seiten, auf Anweisung von Moskau, in einen neuen Krieg gezwungen, die
Schrecken des Tötens. Das, was von den Soldaten täglich gefordert wird, anderen Menschen das Leben zu nehmen, überfordert
die menschliche Seele. Wie sollen die
Menschen damit fertig werden? Viele betäuben
sich mit Alkohol oder anderen, das Bewusstsein verändernden Drogen. Es geht auch in den Schützengräben um die
Seele des Menschen, dem nicht
Erträgliches zugemutet wird. Es geht um
das Leben, das jedem Menschen geschenkt wird, und dass uns andere Menschen
nicht nehmen dürfen. Es geht aber auch darum,
dass jeder Mensch das Recht hat, sich zur Wehr zu setzen, sein
Leben zu verteidigen. -So stehen sich auf beiden Seiten Menschen gegenüber, die
ein Problem damit haben, sich gegenseitig das Leben zu nehmen, ein unlösbarer
Konflikt, der auch gleichermassen für den Angreifer und den Angegriffenen gilt,
der sein Leben verteidigt. Und am Ende von jedem Krieg stehen die versehrten
Menschen, körperlich und seelisch kaum heilbar, denen
man ihre Jugend und oft das ganze Leben verändert hat, und die Toten, denen Monumente
zur Erinnerung errichtet werden. -Aber nach wenigen Generationen sind die Kriege
vergessen, die Monumente für die Gefallenen zerfallen, die Versehrten des Krieges
aus dem Bild der Städte verschwunden. Und
alles beginnt wieder von vorn, auf Aufbau
folgt Zerstörung. Auf Frieden folgt Krieg. Der Leidtragende ist der Mensch.
Sonntag, 4. Februar 2024
In den Schützengräben
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