Sonntag, 4. Februar 2024

In den Schützengräben

Ich denke in diesen Wintertagen oft an die Soldaten in den Schützengräben auf beiden Seiten. Die Maschinerie des Todes hat sich verändert, sie ist unpersönlicher geworden, viel wird am Bildschirm getötet. Auch die Zahl der Toten hat sich gegenüber früheren Kriegen verringert, es geht heute mehr darum dem Gegner materiellen Schaden zuzufügen.  Aber noch immer werden Menschen vom Staat autorisiert getötet.  Man liest wenig, wie es den betroffenen Soldaten dabei geht, - wie geht es ihnen, wenn sie andere Menschen töten, heute nicht mehr mit einem Bajonett, sondern mehr indirekt aus Kampfmaschinen und mit Computern. Der Tötungsvorgang bleibt der gleiche, er rührt an das grösste menschliche Tabu: Du sollst nicht töten.  Auf beiden Seiten sind  die Soldaten in gleicher Weise betroffen. In Russland, der Leibeigenschaft durch Gutsherrn entronnen, gerieten die Menschen unter die Leibeigenschaft des kommunistischen Staates und jetzt noch schlimmer unter die Herrschaft von Oligarchen und Demagogen.  In der Ukraine sind die Tötung der 3 Millionen Bauern in den 30er Jahren durch Hunger, und die Vernichtung der Intelligenz des Volkes in den 40er Jahren, durch die Moskauer Regierung, tief in das nationale Bewusstsein eingegraben.  Und wieder werden die jungen Soldaten auf beiden Seiten, auf Anweisung von Moskau, in einen neuen Krieg gezwungen, die Schrecken des Tötens. Das, was von den Soldaten täglich gefordert wird,  anderen Menschen das Leben zu nehmen, überfordert  die menschliche Seele. Wie sollen die Menschen damit fertig werden?  Viele betäuben sich mit Alkohol oder anderen, das Bewusstsein verändernden Drogen.  Es geht auch in den Schützengräben um die Seele des Menschen, dem  nicht Erträgliches zugemutet wird.  Es geht um das Leben, das jedem Menschen geschenkt wird, und dass uns andere Menschen nicht nehmen dürfen. Es geht aber auch darum,  dass  jeder Mensch  das Recht hat, sich zur Wehr zu setzen, sein Leben zu verteidigen. -So stehen sich auf beiden Seiten Menschen gegenüber, die ein Problem damit haben, sich gegenseitig das Leben zu nehmen, ein unlösbarer Konflikt, der auch gleichermassen für den Angreifer und den Angegriffenen gilt, der sein Leben verteidigt. Und am Ende von jedem Krieg stehen die versehrten Menschen,   körperlich und seelisch kaum heilbar, denen man ihre Jugend und oft das ganze Leben verändert hat, und die Toten, denen Monumente zur Erinnerung errichtet werden. -Aber nach wenigen Generationen sind die Kriege vergessen, die Monumente für die Gefallenen zerfallen, die Versehrten des Krieges aus dem Bild der Städte verschwunden.  Und alles beginnt wieder von vorn,  auf Aufbau folgt Zerstörung. Auf Frieden folgt Krieg. Der Leidtragende ist der Mensch.

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