Über meine japanische Schwägerin Junko lernte ich eine
Meisterin der Teezeremonie kennen. In Japan ist das eine hochangesehene
Berufung. Wer gerne Tee trinkt, wie ich, entwickelt seine eigenen Vorstellungen,
wie Tee zubereitet werden sollte. In
Japan aber eröffnet die Teezeremonie
noch einmal eine ganz andere Dimension des Teetrinkens. Es beginnt schon damit, das Material Tee von seiner ursprünglichen Natur zu befreien
und zu Staub zu mahlen. Das Teeblatt
verliert seine eigentliche Erscheinung und tritt in den Hintergrund. Die Substanz
bleibt aber erhalten. Dann wird Tee mit Wasser verbunden, Erde mit der Kraft, die Leben hervorbringt. Und
wenn aus der Schale die Aromen des Tees aufsteigen, dann erfahren wir den Geist
des Tees. Für mich entstehen beim Teetrinken
Bilder, wie die Natur aus den Elementen entsteht, und Tee als Symbol für die Schöpfung
des Lebens steht. Und wenn die Natur des Tees dann eingefangen wird in kostbare
Gefässe, deren Wert von der Seele des
Schöpfers ausgeht, und wir diese Gefässe in den Händen halten dürfen, dann geht
eine Ahnung durch uns, dass wir vielleicht diesen kostbaren Gefässen ähneln, in
die etwas Kostbares hineingeflossen ist. - In Japan nimmt man sich viel Zeit für die
Teezeremonie, sie ist ein Zeichen einer hohen Kultur. Manchmal dauert es ein
ganzes Leben, um zu begreifen, dass wir selbst
ein kostbare Gefäss sind, in das unser
Leben fliesst. Wenn wir einmal das Geheimnis der Teezeremonie erfasst haben, dann
gelingt es uns auch, die wunderbare Substanz des Lebens zu begreifen, die in
uns geflossen ist, und die wir nie genug
bewundern und geniessen können. Jeder Schluck Tee bedeutet dann, das Leben in
uns fliessen zu fühlen, uns Zeit für das Leben zu nehmen, das Leben als grosses
Geschenk der Natur an uns zu begreifen. - Die Ausbildung zur Meisterin der
Teezeremonie dauert in Japan viele Monate, oft Jahre. Wenn sie grosse Meisterinnen sind, dann können
sie uns frei machen von der Erdgebundenheit
und uns eine Idee davon geben, dass Tee als ein Symbol für die Geistwerdung von
Materie steht. Für unsere westliche Welt ist es schwer begreiflich, sich so
viel Zeit für Teetrinken zu nehmen, wir nehmen uns nicht einmal Zeit für unser
Leben. Ich wünschte mir, wir hätten auch im Westen Sinn für die Teezeremonie,
wir könnten viel für unser Leben lernen.
Freitag, 23. Februar 2024
Von der Kunst des Teetrinkens
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