Donnerstag, 14. Oktober 2021

Vergebung

Beim Studium des Rechts habe ich mich mehr mit Schuld und Sühne beschäftigt, als mit Vergebung. Im Recht sein heisst die Rechtsordnung  einzuhalten. Die Rechtsordnung soll die Werte der Gemeinschaft schützen. Die Verletzung dieser Werte führt zu Sanktionen. Die Sanktionen sollen die Waage der Gerechtigkeit wieder in das Gleichgewicht bringen. - All das hat nichts mit Vergebung zu tun. Das Zusammenleben von Menschen ist nicht nur durch Gesetze geregelt, sondern durch eine Vielzahl von Werten, von Sitten, von Gefühlen, von Ethik,  alles was unserem Leben einen inneren Wert verleiht, und was von keinem Gesetzgeber geregelt werden kann. Die Verletzung der Werte des menschlichen Miteinanders kann viel schwerwiegendere Folgen haben, als die Verletzung der staatlichen Normen. Wie gehen wir damit um, wenn ein Vater seine Familie verlässt, eine Mutter ihre Kinder, wenn wir Menschen in Not unsere Hilfe verweigern, wenn das Vertrauen eines anderen Menschen verletzt, Liebe missbraucht wird?  Meldet sich wirklich immer unser Gewissen und versuchen wir unsere Verletzung wieder gutzumachen?  Oder suchen wir nach einer Rechtfertigung, wo keine  möglich ist, legen uns eine Geschichte zurecht, die schwer auf unseren Schultern lastet und unser Leben begleitet? Und wie ist es bei dem verletzten Menschen, kann er mit seiner Verletzung leben oder wird er von Hass und Groll zerfressen und gibt er dem Verletzer die  Schuld, wenn sein Leben aus der Bahn gerät? – Es gibt nur den einen Weg aus der Verletzung heraus,  wenn der Verletzte vergibt. Das ist ein innerer Vorgang, ganz unabhängig vom Verletzer.  Vergeben ist ein göttlicher Akt, ich werfe die Last meiner Verletzung ab, unabhängig davon, ob der Verletzer seine Schuld einsieht und Wiedergutmachung sucht. Schon das Wort VERGEBEN sagt um was es sich handelt, ich gebe etwas ohne Gegenleistung.  Durch Vergebung  mache ich mich frei von allen Verletzungen. -  Verzeihung ist ein weniger gegenüber Vergebung, Verzeihung setzt Einsicht des Verletzers voraus, vielleicht auch Wiedergutmachung, zumindest  Schuldeingeständnis. Das ist oft ein schwerer Weg, denn die Last der Verletzung, die der Verletzer auf seinen Schultern oft ein ganzes Leben lang trägt, wiegt schwer. Aber genauso schwer wiegt die Last des Verletzten. - Wenn wir dagegen vergeben, dann vergibt das Göttliche in uns. Wir rechnen nicht auf, wir verlangen keine Wiedergutmachung. Wir vergeben, da wo Verzeihung kaum möglich erscheint,  Völker vergeben das was sie sich gegenseitig angetan haben, auch wenn die Betroffenen schon nicht mehr leben. Wir vergeben in unseren Familien, das was  wir falsch gemacht haben. Wir vergeben uns, wenn wir unser Leben  und unsere Gaben nicht genutzt haben. Vergebung braucht keinen Gegenüber.   Mit Vergebung fällt eine Last von unserer Seele, an der sie schwer getragen hat und wir befreien auch den Verletzer von seiner Schuld und machen es ihm möglich um  Verzeihung zu bitten. Wenn wir vergeben   stellen wir die göttliche Ordnung wieder her, in der Aufrechnung unbekannt ist.

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