Dienstag, 13. Oktober 2020

Wie van Gogh mich in einen Lichttunnel zog

In einem Film sah ich ein Bild von van Gogh aus der Serie seiner Sternenbilder. Die Bilder waren über einen Projektor auf eine Wand geworfen und man sass im Dunkel mitten im Sternenmeer. Ein Bild rief eine Erinnerung an ein Kindheitserlebnis wach. Ein Lichttunnel aus Sternen und Lichtpunkten, ein Kreis mit einer magischen Anziehung, am Ende des Tunnels das Licht. Es war 1946 in einem kleinen Dorf in Thüringen. Es gab nach dem Krieg absolut nichts, kein Essen, keine Medikamente, kein Zuhause. Ich bekam Diphterie. Ein Todesurteil ohne Serum. Im Endstadion der Krankheit trat ich in diesen Tunnel ein, der gleiche, den ich bei Van Gogh sah, Licht umgab mich und ich ging durch dieses Licht auf eine leuchtende Wand zu. Tiefe Ruhe und Frieden erfüllten mich. Ich war sechs Jahre alt, es ist aber wie heute. Ein Onkel, der im gleichen Dorf Arzt war setzte mich in letzter Minute auf sein Motorrad und fuhr mit mir in der Nacht in das Kreiskrankenhaus. Sie hatten, wie ein Wunder, noch eine letzte Ampulle von dem Diphterieserum. Van Gogh soll mehrere Selbstmordversuche gemacht haben. Er muss ein ähnliches Tunnelerlebnis gehabt und es in einem seiner Bilder zur Ewigkeit erhoben haben. Eins weiss ich, vor diesem Lichttunnel braucht sich keiner zu fürchten, es ist ein Gang in das Licht und in den Frieden. Wenn ich das nächste Mal in Paris bin, werde ich in den Louvre gehen und mich an meine Kindheit erinnern.

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