Sonntag, 13. Februar 2022

Ein Leben ohne Gott

Früher ging man in die Kirche, dort war ja das Haus Gottes und der Pfarrer war da, um Gott zu vermitteln. Die Kirche vermittelte einen Gott, zu dem sie scheinbar einen exklusiven Zugang hatte.  So entstand ein Machtmonopol,  wer sich nicht der Macht unterwarf, wurde mit den Schrecken der Hölle bedroht. Die modernen Naturwissenschaften fingen an vieles zu erklären, was vorher geheimnisvoll und  Gott zugeschrieben wurde. Und so leerten sich die Kirchen, verloren ihre Macht über den Menschen.  Jetzt lebt der Mensch scheinbar ohne Gott,  scheinbar gottlos. - Wie wäre es aber, wenn wir einfach ein anderes Wort an die Stelle von  GOTT setzen würden, ein Wort  was auf das Wunder unseres Lebens, auf das Wunder dieser Welt  hinweisen würde?   Vielleicht LEBEN, SEIN,  GEIST, ALLES?   Plötzlich würden wir merken, dass ein Leben ohne Gott nicht möglich ist,  denn Leben ist in  Allem, in jedem Lebewesen, in jeder Blume,  selbst im Stein äussert sich das Leben. Leben kann auch  kein Naturwissenschaftler erklären, es ist da, es scheint etwas völlig Selbstverständliches zu sein, so selbstverständlich, dass man es einfach vergisst. Und so haben wir das Leben einfach vergessen,  und erinnern uns erst,  wenn der Tod uns berührt. Aber das Leben, das in uns und um uns ist, hat uns keinen einzigen Moment vergessen.  Es ist vom ersten Moment da, es begleitet uns durch die Welt und verlässt uns scheinbar erst mit unserem Tod.  Und wenn wir das alte Wort Gott anstelle von Leben verwenden,  dann wird uns klar, dass es Gott ist, der in uns ist,  uns begleitet und uns keinen Moment verlässt.   Ein absurder Gedanke, dass etwas gottlos sein könnte, was GOTT ist.    Ein grosser Lehrer hat schon vor 2000 Jahren verlangt, dass wir den Tempel Gottes in uns selbst errichten.  Denn das ist es, was jeder Mensch in Wirklichkeit ist,  das Haus, in dem Gott zu Hause ist. Und den Tempel errichten heisst, sich Gottes in uns bewusst zu werden, IHN, den wir so leicht vergessen.  Gestern ging ich in eine alte Kirche in einem kleinen Ort ,auf der Insel auf der ich lebe.  Die Kirche war leer und dunkel.  Ich dachte an die Menschen, die durch Jahrhunderte Gott in diesem Raum verehrten.  Und in der Leere und Schönheit dieses  alten Sakralgebäudes spürte ich die Anwesenheit Gottes.  In der Leere und in der Dunkelheit sind wir Gott am nächsten. Leere ist das was dem  Göttlichen am ähnlichsten ist. Aus der Tiefe der Leere fliesst uns das zu, was wir diese Welt nennen, es ist die gleiche Leere, die den Kosmos erfüllt und die Sterne trägt.  Wenn ich eine Predigt halten würde,  dann über die Leere aus der wir kommen, und über die Welt in die wir gehen, eine Predigt über das Vergessen, wer wir wirklich sind, und über das Leben, das uns keinen Moment vergisst, das Leben, das wir auch GOTT nennen.  Wenn wir das Selbstverständlichste, unser Leben vergessen,  sind wir dann gottlos, führen wir dann ein Leben ohne Gott?  Ein absurder Gedanke, denn Gott ist das Leben, und ohne das Leben gäbe es uns nicht.  SEINSVERGESSENHEIT hat Dürckheim diesen Zustand des Menschen genannt,  der vergessen hat, wer er ist,  der scheinbar gottlos durch die Welt geht, den aber Gott in keinem Moment verlassen hat.  Wir sollten vielleicht häufiger eine alte Kirche betreten und uns erinnern, wer wir wirklich sind, besser noch, uns selbst betreten,  den Raum in uns, der uns mit dem Göttlichen verbindet.

 

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