Möchte ich durch
Schreiben im Gedächtnis bleiben? Habe ich nichts mehr anderes zu tun?
Vielleicht will ich eine Art
geistigen Nachlass schreiben? - Wenn wir ein Testament schreiben, regeln wir
unseren weltlichen Nachlass. Das ist schnell getan. Noch besser, wir haben uns schon zu Lebzeiten
weitgehend von den Gegenständen getrennt, die uns durch unser Leben begleitet
haben und immer mehr zum Ballast geworden sind. Aber was machen wir mit unseren
Gedanken, unseren Emotionen und unseren Gefühlen - das sind auch Gegenstände dieser Welt und nur
da, weil sie mit unserer Existenz in dieser Welt verbunden sind? Da wird es schon schwieriger ein Testament zu
hinterlassen, zumindest keines im herkömmlichen Sinn.- Wenn ich ein berühmter
Schriftsteller wäre, könnte ich meine Bücher, meine Rechte, meine
Tantiemen durch ein Testament regeln.
Aber meine Gedanken und Gefühle scheinen nur mit meiner Person verbunden zu
sein und wenn ich gehe, werfe ich sie ab und sie sind nicht mehr. Solange ich
aber lebe sind sie da und oft beunruhigen sie mich, weil sie so schwer zu
beherrschen sind. Gerade noch habe ich meditiert und mich über die Stille
gefreut, die in mir eingetreten ist und plötzlich fällt mir meine Steuererklärung
ein, die ich noch zu erledigen habe. Und schon ist die Stille verflogen und die
Welt hat sich wieder zu Wort gemeldet. Wenn ich diese Gedanken und Worte in
meinem Kopf einfange und zu Papier bringe, stellt sich eine gewisse Ordnung
ein, ich konzentriere mich auf diese Gedanken, sie entwirren sich und es entsteht
ein Gedankenfluss und ich merke, dass ich mich diesem Fluss anvertrauen kann,
es entsteht eine Strömung und ich bin selbst über mich erstaunt, was oft aus diesem Gedankenfluss entsteht - Einsichten, die sich mir sonst nicht
erschlossen hätten, wären sie ihrem
ungeordneten Lauf überlassen worden. Für mich ist dieser FLOW das, was mich
veranlasst, meine Meditation in einen geordneten Gedankenverlauf übergehen zu lassen.
Auch wenn das was ich niederschreibe
Worte sind und dieser Welt entstammen, führt mich das geordnete Niederschreiben
über die Welt hinaus, ich verbinde mich in diesem Moment mit dem Raum, aus dem
alles fliesst, auch meine Gedanken. Ob
es sich lohnt diese Gedanken niederzuschreiben?
Für mich schon, denn es ist meine
Welt die ich ordne. Vielleicht auch für andere, die sich mit ähnlichen Gedanken
beschäftigen? Vielleicht sind einige Gedanken
doch eine Art Nachlass, den ich aber
nicht zu regeln brauche, weil ihn nur der erhält, der sich für ihn
interessiert? Für mich hat mein
Schreiben den Sinn, Ordnung in meine
Gedanken und Ideen zu bringen, die genauso bunt und vielfältig wie am ersten
Tag meines Lebens sind, und vor Allem beim Schreiben den Fluss des Lebens zu fühlen,
der mich mit meinen Gedanken mit sich
nimmt. Es ist dieser Fluss des Lebens, der mich durch meine Zeit geführt hat,
dem ich mich anvertraut habe und der mich nie enttäuscht hat.
Sonntag, 27. Februar 2022
Warum ich im Alter schreibe
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