Sonntag, 27. Februar 2022

Warum ich im Alter schreibe

Möchte ich  durch Schreiben im Gedächtnis bleiben? Habe ich nichts mehr anderes zu tun? Vielleicht  will ich eine Art geistigen  Nachlass schreiben? -  Wenn  wir ein Testament schreiben, regeln wir unseren weltlichen Nachlass. Das ist schnell getan.  Noch besser, wir haben uns schon zu Lebzeiten weitgehend von den Gegenständen getrennt, die uns durch unser Leben begleitet haben und immer mehr zum Ballast geworden sind. Aber was machen wir mit unseren Gedanken, unseren Emotionen und unseren Gefühlen -  das sind auch Gegenstände dieser Welt und nur da, weil sie mit unserer Existenz in dieser Welt verbunden sind?  Da wird es schon schwieriger ein Testament zu hinterlassen, zumindest keines im herkömmlichen Sinn.- Wenn ich ein berühmter Schriftsteller wäre, könnte ich meine Bücher, meine Rechte, meine Tantiemen  durch ein Testament regeln. Aber meine Gedanken und Gefühle scheinen nur mit meiner Person verbunden zu sein und wenn ich gehe, werfe ich sie ab und sie sind nicht mehr. Solange ich aber lebe sind sie da und oft beunruhigen sie mich, weil sie so schwer zu beherrschen sind. Gerade noch habe ich meditiert und mich über die Stille gefreut, die in mir eingetreten ist und plötzlich fällt mir meine Steuererklärung ein, die ich noch zu erledigen habe. Und schon ist die Stille verflogen und die Welt hat sich wieder zu Wort gemeldet. Wenn ich diese Gedanken und Worte in meinem Kopf einfange und zu Papier bringe, stellt sich eine gewisse Ordnung ein, ich konzentriere mich auf diese Gedanken, sie entwirren sich und es entsteht ein Gedankenfluss und ich merke, dass ich mich diesem Fluss anvertrauen kann, es entsteht eine Strömung und ich bin selbst über mich erstaunt, was oft  aus diesem Gedankenfluss entsteht -  Einsichten, die sich mir sonst nicht erschlossen hätten,  wären sie   ihrem ungeordneten Lauf überlassen worden. Für mich ist dieser FLOW das, was mich veranlasst, meine Meditation in einen geordneten Gedankenverlauf übergehen zu lassen.  Auch wenn das was ich niederschreibe Worte sind und dieser Welt entstammen, führt mich das geordnete Niederschreiben über die Welt hinaus, ich verbinde mich in diesem Moment mit dem Raum, aus dem alles fliesst, auch meine Gedanken.  Ob es sich lohnt diese Gedanken niederzuschreiben?  Für mich schon,  denn es ist meine Welt die ich ordne. Vielleicht auch für andere, die sich mit ähnlichen Gedanken beschäftigen?  Vielleicht sind einige Gedanken  doch eine Art Nachlass, den ich aber nicht zu regeln brauche, weil ihn nur der erhält, der sich für ihn interessiert?  Für mich hat mein Schreiben den Sinn,  Ordnung in meine Gedanken und Ideen zu bringen, die genauso bunt und vielfältig wie am ersten Tag meines Lebens sind, und vor Allem  beim Schreiben den Fluss des Lebens zu fühlen, der mich mit meinen Gedanken  mit sich nimmt. Es ist dieser Fluss des Lebens, der mich durch meine Zeit geführt hat, dem ich mich anvertraut habe und der mich nie enttäuscht hat. 

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