Vielleicht fragen sich Viele, woher der kollektive
Widerstand des ukrainischen Volkes kommt, der trotz der Überlegenheit der russischen Waffensysteme,
sich einer Besetzung entgegenstemmt. Es
ist kaum anzunehmen, dass irgendeiner unserer Politiker sich mit der Geschichte
der Ukraine beschäftigt hat, mit der Bedeutung die dies Land für alle
slawischen Völker hat. Kiew ist das
Zentrum der slawischen Christianisierung gewesen. Das Zentrum der Orthodoxie
mit seinen uralten Klöstern und Kirchen,
eigentlicher Sitz des Metropoliten, nach dem Fall von Byzanz. Von dort zogen Kyrill und Method nach Norden, um die slawischen Völker zu
christianisieren. Moskau war da noch Sitz der Tartaren Herrscher, und erst in den folgenden Jahrhunderten verschob
sich die politische Bedeutung des Slawentums nach Norden. Im Bewusstsein der
Ukraine, sind sie es, die Träger der christlichen slawischen Kultur sind. Es waren sie, wie der Name U
kraine sagt, die am Rande, an der Grenze
der Slawengebiete lagen , die das Land vor den Einfällen der Turkvölker schützen
mussten. - Mit der zunehmenden Bedeutung Moskaus hat die Ukraine nur schlechte
Erfahrungen gehabt. Die ursprünglich freien Völker der Ukraine wurden in Fürstentümer aufgeteilt, teilweise in Leibeigenschaft gebracht und verloren ihren Status als freie Bauern. Der
Ostteil der Ukraine gehörte politisch zu Moskau, der Westteil zu Österreich. Die
grösste Leidenszeit des Volkes begann
aber nach dem 1. Weltkrieg. Die von
Russland annektierten Teile wurden ab 1929 der Zwangskollektivierung
unterworfen, die Bauern wurden, soweit sie nicht sich freiwillig kollektivieren
liessen, in Lager nach Sibirien deportiert (Entkulakisierung). Wegen des erheblichen Widerstandes in der Bauernschaft beschloss die
Parteiregierung in Moskau 1932 den Widerstand
der Bauern endgültig zu brechen. Es wurde die Konfiszierung sämtlicher
Lebensmittel verordnet und die Bevölkerung dem Hungertod überlassen. Wer
Widerstand leistete, wurde erschossen. Die Grenzen der Ukraine wurden
geschlossen, keiner durfte das Land verlassen. Drei bis 5 Millionen Ukrainer fielen dem Holodomor (Hungertod) zum
Opfer. In Literatur und Filmen wird
beschrieben, wie in den Dörfern kein Hund und keine Katze mehr am Leben war,
und die Toten in dem eisigen Winter nicht mehr bestattet werden konnten.
Vielfach haben die Menschen nur durch Kannibalismus überleben können. Für die
Ukraine verbindet sich mit den Herrschern in Moskau die Erinnerung an Schreckensherrschaft, Tod und Leiden. Es sind nicht die Menschen, die sich als
Russen und Ukrainer fremd sind. Sie
sprechen die gleiche Sprache und im Westen
des Landes das Ukrainische, das dem Russischen eng verwandt ist. Es sind die schrecklichen Erfahrungen,
die die Ukrainer mit den Herrschern in
Moskau gehabt haben. Wenn die Ukraine von der Regierung in Moskau wieder überfallen
wird, dann stehen den Menschen die Bilder vor Augen, welche Leiden ihre Grosseltern unter der Herrschaft Moskaus erdulden mussten.
In Kiew steht die Skulptur eines kleinen
verhungerten Mädchens. Es weist den Weg auf
ein Museum, das dem Hungertod gewidmet ist. Es sind die Bilder dieser Zeit, die sich in
das kollektive Gedächtnis dieses freiheitsliebenden Volkes der Ukrainer eingebrannt
haben, das nie wieder unter der
Herrschaft Moskaus leben möchte.
Donnerstag, 3. März 2022
Das kollektive Gedächtnis der Völker - Der Holodomor in der Ukraine
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