Mittwoch, 16. Februar 2022

Langeweile und Zeitvertreib

Man ahnt es schon, es geht um die Zeit.  Bei Kindern hören wir oft, Mama, mir ist langweilig.  Da scheint eine längere Weile, ohne eine Beschäftigung, in der Wahrnehmung des Kindes, negativ besetzt zu sein. Kurzweilig hingegen hat einen positiven Klang, wenn die Zeit einem kurz erscheint. -  Zeitvertreib scheint ebenfalls etwas positives zu sein und Zeit totschlagen wieder negativ. Neben der Zeitmessung, die wir für unseren Tagesablauf brauchen, scheint uns Zeit ständig zu beschäftigen, der Hintergrund scheint die Lebenszeit zu sein, die Endlichkeit der uns zustehenden Zeitspanne. So gehen wir durch die Zeit und versuchen unsere Zeit möglichst zu  füllen, mit den Beschäftigungen für Ausbildung und Beruf,  mit Freizeitbeschäftigungen,  wie Sport, Lesen, Fernsehen,  alles vollgeplant, nur keinen einzigen Moment finden,  in dem einmal ein Moment ohne Beschäftigung eintritt.  – Wenn ich jung bin, scheint eine unendliche Zeit vor mir zu liegen. Wenn ich alt werde, kommt es mir vor, als ob alles erst gestern gewesen wäre.  Ich blicke auf meine Lebenszeit zurück:  Es war doch erst gestern als ich ein junges Mädchen heiratete. Und jetzt befinden sich unsere Kinder schon in der Mitte ihres Lebens und haben eigene Kinder. Aus dem jungen Mädchen ist eine Grossmutter geworden, schon in ihren Sechzigern. Und die Lebensgefährtin, die vor zwanzig Jahren in mein Leben getreten ist, auch schon stark auf sechzig Jahre zugehend. -  Alles scheint wie in dem Psalm zu sein, der von dem Grashalm spricht, der sich morgens noch im Wind bewegte und abends verdorrt ist. Und wenn das Leben gut und wertvoll gewesen ist, dann war es viel Mühe und Arbeit. – Zeit anscheinend ein blutiger Tyrann,  der Dir Dein Leben rauben will und Zeit als das Kostbarste, das uns geschenkt wird. -  Wenn Zeit ein so kostbares Gut ist, wie kann ich dann ernsthaft daran denken, Zeit totzuschlagen, sich in der Zeit zu langweilen,  muss ich nicht jede Minute meines Lebens nutzen, die mir geschenkt wird? -  Wie relativ Zeit ist wird uns klar, wenn wir die Zeit einer Fliege beobachten, die nur an einem Tag ein erfülltes Leben hat oder die Zeit die diesem Planeten Erde gegeben ist, der noch in Millionen Jahren bestehen wird.  Die Fliege klagt nicht über die Kürze ihrer Zeit, der Planet nicht über die Millionen Jahre, die er schon  durch das All kreist. -  Nur wir Menschen klagen über die Kürze unseres Lebens, und wie schnell alles verfliegt. Die Wenigsten von uns verstehen die  Zeit anzuhalten,  sich von der Illusion des horizontalen Zeitablaufs zu trennen und sich dem Moment der Gegenwart zu widmen. Wenn ich die Zeit anhalte, mich diesem Moment mit meiner ganzen Aufmerksamkeit zuwende, trete ich in die Gegenwart ein, dem  einzigen Moment, der in meinem Leben wirklich zählt. Wenn ich diese Momente aneinander reihe, dann gibt es keine Zeit, kein Alter, es gibt nur diese jeweiligen Momente meines Lebens, es ist dieser Moment in dem ich mich mit der Ewigkeit verbinde. -  Wenn  ich in den Morgenstunden dies niederschreibe,  dann schreibe ich nicht in der Zeit,  die Worte kommen aus einem Raum, der sich meinem Denken entzieht, Endlichkeit und Ewigkeit verbinden sich in diesem Moment. Es ist dieser Moment, der der kostbarste in meinem Leben ist.  Wenn es nur diesen Moment gäbe, hätte ich schon ein reiches und erfülltes Leben, denn  das Leben hat sich in diesem Moment  offenbart.  – So gehe ich durch die Zeit, -  wie viele reiche Momente hat mir doch das Leben geschenkt.  Nicht einen Moment, der mir lang vorgekommen wäre, nicht ein Moment, den ich missen möchte. Zeitvertreib ist etwas  mir  Unbekanntes,  ich reihe diese wichtigen Momente des Lebens bewusst aneinander, Momente die aus der Ewigkeit kommen. Wenn ich die Zeit anhalte gibt es kein positiv oder negativ für diesen Moment, in welcher Form der Moment sich auch zeigt,  ich weiss,  es ist das Leben selbst, das in diesen Moment eintritt.

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