Sonntag, 10. Dezember 2023

Von der Leichtigkeit des Seins

Das Leben hat es gut mit mir gemeint. Die Lebensumstände, in die ich hineingeboren wurde waren nicht einfach. Krieg, Hunger, Krankheiten, Mangel. Und doch habe ich das nie als negativ empfunden, es war für mich einfach Teil meines Lebens. Und so ging es mein ganzes Leben lang, einfach war es nie, aber wie ein Fluss alle Widerstände überwindet, so habe ich mich nie verleiten lassen, etwas negativ zu sehen, es war wie es war,  und ich habe nie etwas als negativ empfunden, sondern nur nach neuen Lösungen gesucht und diese gefunden. Vielleicht denken die Menschen in meinem Umfeld, ich hätte viel Erfolg gehabt,-  ich hab das nie so empfunden, es hat sich einfach so ergeben, ich habe immer das Leben so angenommen, wie es auf mich zu kam.  Ich ziehe heute, im Alter, daraus den Schluss, dass das Leben alles von sich aus regelt, wenn wir uns seinem Lauf anpassen und nichts als gut oder schlecht bewerten. Das Leben ist etwas Gewaltiges, etwas Wunderbares, kaum Fassbares, ein grosses Geschenk unseres Schicksals, in welcher Form es auch auf uns zukommt.   Wenn wir es annehmen wie es ist, fliesst es leicht und wunderbar dahin, nicht als träger langsamer Fluss, eher wie der Flug eines Vogels von Baum zu Baum.  Immer bieten sich neue Perspektiven, immer gibt es etwas neues zu sehen, zu erleben und in unser Leben zu integrieren. Oft reicht es nur unseren Zweig zu wechseln, Neues in uns hereinzulassen, um unserem Leben neuen Sinn und Schwung zu geben. Und das gilt für jeden Tag, für jeden Baum, auf dem wir uns niederlassen. - Vor meinem Fenster befindet sich ein Busch, der von vielen Spatzen bevölkert ist. Wenn die Jungen im Frühjahr zur Welt kommen und ihre ersten Flugversuche machen, fliegen sie oft gegen die Scheibe meines Zimmers, weil sie die Scheibe nicht sehen können. Sie fliegen auf eine Illusion zu, die oft das Ende ihres Lebens bedeutet. Ihr Leben würde anders verlaufen, wenn sie sich auf den nächsten Ast  schwingen würden, wie die anderen Vögel, und nicht  einer Illusion  zum Opfer fielen. Mir haben immer die nächstliegenden Ziele gereicht, und deshalb habe ich mein Leben immer als leicht und wunderbar empfunden. Auch wenn ich, eher selten, auf eine Illusion zugeflogen bin, und die Illusion mir als Realität erschien,  habe ich mich schnell von dem Irrtum erholt.  Mir haben immer die jungen Spatzen leidgetan, die immer wieder auf ihre Illusion zuflogen und nicht erkannten, dass dort eine  für sie nicht bestimmte Welt lag.  Auch heute im Alter sitze ich auf meinen Zweig, und noch immer bietet mir das Leben neue Perspektiven, immer neue Schönheiten und neue Einsichten, und noch immer singe ich mein Lied wie in früheren Jahren und der Zweig auf dem ich sitze ist immer der schönste, auf dem ich je sass.

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